Krieg in Syrien:USA und Russland: Gute Stimmung, wenig Ergebnisse

Kerry and Lavrov attend a news conference in Geneva

"Leidglich eine kleiner gemeinsamer Nenner": US-Außernminister Kerry und sein Gegenpart Lawrow nähern sich im Syrien-Konflikt an. Doch viele Details bleiben offen.

(Foto: REUTERS)
  • Nach stundenlangen Gesprächen haben sich die USA und Russland grundsätzlich auf das Ziel einer Waffenruhe geeinigt.
  • Aus diplomatischen Kreisen heißt es allerdings, es gebe nur "einen kleinen gemeinsamen Nenner". Etliche Details seien noch zu klären.
  • Derweil konnten die ersten Bewohner den Ort Daraja verlassen. Daraja gilt als Rebellenhochburg und wird seit vier Jahren von der Regierung belagert. Tausende Menschen leiden an Mangelernährung.

Die USA und Russland haben sich grundsätzlich auf das Ziel einer Waffenruhe im Syrien-Konflikt verständigt. Es bestehe Klarheit über den Weg, jedoch müssten noch etliche Einzelheiten besprochen werden, sagte US-Außenminister John Kerry nach mehr als zwölf Stunden langen Gesprächen mit seinem russischen Kollegen Sergej Lawrow am Freitag in Genf. Dieser lobte die verbesserte Gesprächsatmosphäre zwischen Russland und den USA.

In diplomatischen Kreisen hieß es, trotz der langen Gespräche sei "lediglich ein kleiner gemeinsamer Nenner bestätigt worden". Detailfragen sollen nun Experten beider Regierungen in den kommenden Tagen in Genf klären.

Ungeachtet aller Appelle von Hilfsorganisationen wurde bei den Ministergesprächen kein Verbot für Luftangriffe in der umkämpften nordsyrischen Stadt Aleppo erreicht. Lawrow sagte dazu: "Wir reden nicht davon, dass jemand nicht mehr fliegt. Wir reden darüber, dass die Luftwaffe, die am syrischen Himmel aktiv ist, effektiv (die islamistischen Terrororganisationen) IS und Al-Nusra bekämpft."

"Wir wollen keine Vereinbarung, die nicht durchsetzbar ist."

Kerry sagte, es gehe darum, eine zuverlässige Waffenruhe zu erreichen. "Wir wollen keine Vereinbarung, die nicht durchsetzbar ist." Zwischen Washington und Moskau seien die meisten technischen Fragen über Schritte zu einer Waffenruhe und zur Verbesserung der humanitären Nothilfe in Syrien geklärt worden, betonte Kerry.

Auch Lawrow erklärte, man sei sich beim Ziel einer Kampfpause und Wiederaufnahme der Friedensgespräche zwischen den Konfliktgegnern einig. "Wir haben unsere Bemühungen fortgesetzt, die Gebiete zu reduzieren, bei denen es noch an gegenseitigem Verständnis und Vertrauen fehlt", erklärte der russische Minister. Dies sei ein Fortschritt.

Lawrow ergänzte, Russland habe erstmals von den USA eine Liste derjenigen syrischen Gruppen erhalten, die sich über die internationale Koalition einer Waffenruhe anschließen wollten. "Ohne eine Abgrenzung zwischen normalen, gesunden Oppositionskräften und Terroristen sehe ich keine Möglichkeit, eine wirklich dauerhafte und vollgültige Einstellung der Kampfhandlungen zu erreichen", sagte er. In dieser Frage hätten sich Russland und die USA einander genähert.

Das Spiel heißt: Gute Rebellen, böse Rebellen

Kerry räumte ein, Streit gebe es bei der Einschätzung der jüngsten Angriffe der syrischen Armee, russischer Truppen und verbündeter Hisbollah-Kämpfer aus dem Libanon auf dicht bewohntes Gebiet. Russland beteuere, es habe dort Terroristen attackiert, während es sich aus Sicht der USA um moderate Rebellen gehandelt habe.

Mitglieder der islamistischen Nusra-Front müssten von Kämpfern getrennt werden, die von den USA unterstützt werden, sagte Lawrow. US-Regierungsbeamte erklärten, sie seien bereit, entsprechend Druck auf ihre Schützlinge unter den Rebellen auszuüben. Die Nusra-Front firmiert mittlerweile unter dem Namen Fath al-Scham und hat erklärt, sie habe sich vom Terrornetzwerk al-Qaida losgesagt.

In den vergangenen Tagen hatten sich Rebellen und regierungstreue Kräfte heftige Gefechte um die Stadt Aleppo geliefert. Die Türkei marschierte mit Bodentruppen in Syrien ein, forderte den Rückzug der Kurden-Miliz YPG aus allen Gebieten westlich des Euphrat und beschoss mit Artillerie jene Kampfverbände, die sich nicht daran hielten. Ministerpräsident Binali Yildirim sagte, die türkischen Truppen sollten zunächst in Syrien bleiben. Die YPG wird von den USA unterstützt und bekämpft den IS vergleichsweise erfolgreich.

Bewohner verlassen Daraja - nach vier Jahren Belagerung

Unterdessen konnten nach vier Jahren Belagerung durch syrische Regierungstruppen die ersten Bewohner den Ort Daraja am südlichen Rand der Hauptstadt Damaskus verlassen. Der regimenahe libanesische TV-Kanal Al-Mayadeen meldete am Freitag, dass Busse Männer, Frauen und Kinder in andere Orte transportierten, darunter seien auch Rebellen.

Der UN-Beauftragte für Syrien, Staffan de Mistura, forderte Russland und die USA auf, die Sicherheit von Zivilisten und Rebellen zu gewährleisten, die Daraja verlassen. Die belagerte Rebellenhochburg war seit 2012 regelmäßig Ziel von Luftangriffen des Regimes mit international geächteten Fassbomben. Für die syrische Armee ist der Ort wichtig, weil er direkt an einem Militärflughafen liegt.

Die zuletzt rund 8000 in Daraja eingeschlossenen Menschen litten Aktivisten zufolge unter Mangelernährung. Im Juni hatte erstmals nach knapp vier Jahren ein Hilfskonvoi mit Nahrungsmitteln den Ort erreicht.

Mehr als 400 000 Menschen sind bisher getötet worden

In Syrien tobt seit 2011 ein blutiger Bürgerkrieg, in den das Regime von Staatspräsident Baschar al-Assad, diverse Rebellengruppen und die Terrormiliz Islamischer Staat involviert sind. Der Konflikt hat laut UN-Angaben mehr als 400 000 Menschen das Leben gekostet und Millionen in die Flucht getrieben. Zudem lebten noch etwa 600 000 Menschen unter Belagerung.

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