Krieg in Syrien:UN-Resolution zu Syrien: Bitter nötig

Krieg in Syrien: Angriff auf Aleppo (Archiv September 2015)

Angriff auf Aleppo (Archiv September 2015)

(Foto: Karam Al-Masri/AFP)

Syrien bekommt eine Chance auf Frieden. Nach bald fünf Jahren Bürgerkrieg ist die Syrien-Resolution des UN-Sicherheitsrats ein erster Erfolg auf dem Weg zu einem Ende der Kämpfe. Dabei freilich ist der Weg das Ziel. Die schwersten Fragen sollen erst auf diesem Weg gelöst werden. Das gilt für die Zukunft des Diktators Baschar al-Assad. Es gilt für die Frage, welche Milizen am friedlichen Übergang beteiligt werden. Und es gilt für all jene Syrer, die heute zum Regime gehören, aber auch in einem Nachkriegs-Syrien gebraucht werden könnten.

Von Stefan Braun, Berlin, und Nicolas Richter, Washington

Die Syrer können endlich ein klein wenig hoffen. Nach der Syrien-Resolution des UN-Sicherheitsrates gibt es zum ersten Mal ein gemeinsames Bekenntnis der Völkergemeinschaft, das fürchterliche Morden in dem Land zu beenden. Was von der internationalen Syrien-Unterstützungsgruppe (der International Syria Support Group) bei zwei Treffen in Wien vorbereitet wurde, hat nun die offizielle Unterstützung der Vereinten Nationen, darunter der fünf UN-Vetomächte und aller wesentlichen regionalen Staaten, die für eine Beilegung des schweren Konflikts benötigt werden.

Dazu zählen Staaten wie die Türkei und Saudi-Arabien, die die Opposition stützen. Es gehören aber auch Iran und Russland dazu, die schon lange die wichtigsten Helfer des Regimes von Baschar al-Assad sind. Erst die Beteiligung all dieser Staaten an einen Tisch ebnete den Weg nach New York.

Der Sicherheitsrat verabschiedete am Freitagabend einstimmig eine Resolution, die zu einem Waffenstillstand und zu Wahlen führen soll. Davor hatten sich die fünf Veto-Mächte, ergänzt durch Deutschland, nach jahrelangem Streit auf ein gemeinsames Vorgehen geeinigt. Besonders den USA und Russland gelang es, wichtige Differenzen zu überwinden.

In den Stunden vor der Abstimmung war allerdings nochmal heftig um die richtigen Formulierungen gerungen worden. Wie es später westliche Diplomaten beschrieben, gelang der Durchbruch vor allem, weil man sich einigte, den Prozess erst einmal zu starten und dann Schritt für Schritt die schwersten Fragen zu lösen. "Der Weg ist das Ziel", sagte ein an den Verhandlungen beteiligter Regierungsvertreter.

Friedensgespräche beginnen im Januar in Genf

Der Plan sieht vor, dass UN-Sondervermittler Staffan de Mistura Anfang Januar Vertreter des Regimes und der syrischen Opposition nach Genf einlädt. Dort soll, unter der Leitung der Vereinten Nationen, ein sechsmonatiger Prozess beginnen, an dessen Ende eine Vereinbarung über den Übergang stehen soll. Weitere zwölf Monate später sollen freie Wahlen stattfinden, und zwar für ein Syrien, das säkular und demokratisch sein soll und einen Schutz für alle ethnischen und religiösen Minderheiten sicherstellt. Darauf hatte sich die Syrien-Kontaktgruppe schon in Wien verständigt. Der Sicherheitsrat bestätigte diese Vereinbarung und gab ihr eine völkerrechtlich stabile Grundlage.

Parallel zu den Genfer Verhandlungen wird die UN Gespräche über einen Waffenstillstand beginnen. Allerdings wird es das eine kaum ohne das andere geben. Bislang sind Versuche für einen Waffenstillstand immer daran gescheitert, dass sich Oppositionsgruppen weigerten, solange sie nicht wussten, was aus dem verhassten Diktator al-Assad wird. Das Regime in Damaskus dagegen lehnte politische Gespräche ab, solange weiter gegen es gekämpft wird. Nun sollen die Prozesse parallel laufen. Ein schwieriges Unterfangen - und der Ausgang ist offen.

Die heikelsten Punkte sind noch nicht geklärt

Ein besonders heikler Punkt dabei: Welche Oppositionsgruppen beteiligt werden sollen und welche Rolle die syrischen Kurden, vor allem die Kämpfer der PYD, einnehmen sollen. Vor wenigen Tagen hatte Saudi-Arabien bei einer Konferenz in Riad eine Verhandlungsgruppe der Opposition zusammengestellt. In New York zeigte sich aber, dass Moskau und Teheran noch große Probleme mit der Gruppe haben, weil ihnen zum Beispiel die Kurden fehlen. Die meisten Oppositionsgruppen dagegen zählen die PYD ins Lager des Regimes.

Beim Treffen der Syrien-Unterstützungsgruppe, das der Sitzung des Sicherheitsrates vorausging, zeigte sich ohnehin, dass noch immer große Hürden überwunden werden müssen. Insbesondere die Frage, was aus Assad wird und was aus den weiteren Stützen seines Regimes, blieb in New York weiter ausgespart. Sie hätte sonst alle Bemühungen torpediert. Allerdings scheint allen Beteiligten klar, dass spätestens nach den sechs Monaten in Genf die Zukunft Assads beantwortet werden muss. Dabei scheint auch Moskau längst zu wissen, dass es für den Diktator persönlich keine Zukunft geben kann. Bislang beharrt Moskau mindestens offiziell aber darauf, dass das die Syrer selbst bei den Wahlen abschließend entscheiden müssten.

Kaum minder schwer zu lösen dürfte die Frage sein, wer für die Opposition und wer für das Regime nach den Gesprächen von Genf in jenem Übergangsgebilde Platz nimmt, das die Wahlen vorbereiten soll. Dabei wird derzeit an eine Art Militärrat gedacht, besetzt aus Vertretern des Regimes und der Opposition. Dieser Militärrat müsste die Kontrolle über das Militär und die syrischen Sicherheitsdienste übernehmen. Außerdem würde ihm nach Einschätzung von Diplomaten die Entscheidung zufallen, wer aus dem alten Regime auch künftig gebraucht wird. Damit soll ein Zusammenbruch der Verwaltung und der Sicherheitsbehörden verhindert werden, wie er nach der US-Invasion 2003 im Irak geschah - und letzendlich für das Entstehen des Islamischen Staates (IS) mitverantwortlich gemacht wird.

Kräfte bündeln für den Kampf gegen die Terrororganisation IS

Trotz der Probleme sind die New Yorker Beschlüsse ein Fortschritt. Bei den Auseinandersetzungen zwischen dem Regime Assads und seinen Feinden sind in Syrien seit Anfang 2011 Hunderttausende Menschen getötet und Millionen Bürger in die Flucht getrieben worden. Eine Lösung war auch deswegen lange nicht in Sicht, weil der Sicherheitsrat tief gespalten war. Doch in jüngster Zeit hat sich bei allen Beteiligten die Wertung durch gesetzt, dass eine Befriedung Syriens im gemeinsamen Interesse der Weltgemeinschaft wäre.

Dies liegt zum einen an der Flüchtlingskrise, zum anderen an der auch von Syrien aus agierenden Terrororganisation IS. Ihre Gräueltaten haben zuletzt nicht nur westliche Städte wie Paris, sondern auch ein russisches Passagierflugzeug über Ägypten getroffen. Ein Erfolg im Kampf gegen den IS scheint aber nur möglich, wenn alle anderen ihre Kräfte endlich bündeln. Die Resolution sieht denn auch vor, dass Angriffe auf den IS durch die USA oder Russland nicht gegen die geplante Waffenruhe verstoßen.

US-Außenminister John Kerry sagte im UN-Sicherheitsrat, nach Jahren des Krieges in Syrien müsse endlich das Steuer rumgeworfen werden. "Wir müssen das fürchterliche Bomben, den Terror, die Folterungen, das Blutvergießen beenden." Nichts würde im Kampf gegen den IS mehr helfen als ein breiter diplomatischer Prozess, der dem syrischen Volk eine echte Wahl biete - "nicht zwischen Assad und Daesh (IS), sondern zwischen Krieg und Frieden, zwischen gewalttätigem Extremismus und einem neu gestärkten politischen Zentrum."

Bundesaußenminister Frank-Walter Steinmeier versprach nach dem New Yorker Treffen, dass die Mitglieder der Wiener Gruppe alles dafür tun werden, damit "die nächsten Hürden genommen werden". Man wisse, dass 2016 nicht einfacher werde. "Uns muss bewusst sein, dass wir auch Rückschläge erleben werden." Trotzdem sei der Prozess nun unverzichtbar und bitter nötig.

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