Krieg in Syrien:Türkische Truppen kesseln kurdische Stadt Afrin ein

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Diese Zivilisten flohen noch am Montag aus Afrin. (Foto: REUTERS)
  • Das türkische Militär hat nach eigenen Angaben im Kampf gegen die Kurden-Miliz YPG die nordsyrische Stadt Afrin eingekesselt. Tausende Zivilisten flohen aus der Stadt.
  • Mehr als drei Wochen nach Beginn der Offensive syrischer Regierungstruppen haben Zivilisten über einen Korridor Ost-Ghouta verlassen.
  • UN-Generalsekretär Guterres ermahnt die Konfliktparteien zur Einhaltung der international geforderten Waffenruhe.
  • In ganz Deutschland protestieren Menschen gegen die türkische Militäroffensive im Kurdengebiet im Nordwesten Syriens.

Knapp acht Wochen nach Beginn der Offensive gegen die YPG im Nordwesten Syriens haben die türkischen Streitkräfte die Stadt Afrin eingekesselt. Die staatliche Nachrichtenagentur Anadolu meldete unter Berufung auf die Armee, Afrin werde seit dem Vortag belagert. Die Syrische Beobachtungsstelle für Menschenrechte in London teilte mit, 300 000 Menschen seien nun eingeschlossen. Das sei ein wichtiger Fortschritt in der Offensive gegen die YPG, erklärte das Militär.

Ein Sprecher der YPG erklärte dagegen, zwar habe die türkische Armee alle Zufahrtsstraßen zu Afrin unter Beschuss genommen. Der Ort sei aber nicht eingekesselt.

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Hunderte Menschen hatten am Montag noch versucht zu fliehen, meldete die Syrische Beobachtungsstelle für Menschenrechte. Mehr als 2000 Geflüchtete aus der Stadt Afrin seien innerhalb von 24 Stunden in die von syrischen Regierungsanhängern kontrollierten Orte Nubl und Al-Sahra geflohen. Sie fürchteten sich vor Grausamkeiten der türkischen Armee und deren Verbündeten gegen Kurden und die Minderheiten in der Stadt, sagte der Sprecher der kurdischen Partei PYD, Ebrahim Ebrahim. Die Angreifer hätten Wasser- und Elektrizitätskraftwerke zerstört, die Afrin versorgen.

Einwohner Afrins berichten von vielen durch Artillerie und Bombardements getöteten Zivilisten - und von Menschenrechtsverletzungen durch die Türkei und ihre Verbündeten.

In Deutschland haben Tausende gegen die Offensive protestiert

Die türkischen Streitkräfte hatten am 20. Januar die "Operation Olivenzweig" gegen die YPG begonnen. Staatspräsident Recep Tayyip Erdoğan hatte angekündigt, die Stadt Afrin zu belagern. Als Grund nannte er: "Auf diese Weise wird die Hilfe von außen blockiert und die Terrororganisation wird nicht mehr die Möglichkeit haben, mit jemandem einen Handel einzugehen."

Die Regierung in Ankara will ein Erstarken der Kurden an ihrer Südgrenze verhindern. Die YPG-Milizen, die kurdischen Volksverteidigungseinheiten, gelten in Ankara als Ableger der PKK und werden bekämpft. Die Kurdische Arbeiterpartei kämpft seit Jahrzehnten für Autonomie der Kurden in der Türkei. Sie ist dort verboten und als terroristisch eingestuft, ebenso wie in der EU und den USA.

In Deutschland haben in den vergangenen Tagen Tausende gegen die Offensive protestiert. Die Polizei zählte nach Angaben des Innenministeriums am Montagabend insgesamt etwa 3000 Teilnehmer bei Kundgebungen in 15 Städten in Nordrhein-Westfalen. Überall sei es friedlich geblieben. Am Sonntagabend waren bei einer Demo aus demselben Anlass in Berlin 14 Polizisten leicht verletzt und zehn Demonstranten vorläufig festgenommen worden. In den vergangenen Tagen gab es mehrere Brandanschläge auf türkische Vereine und Moscheen in Deutschland. Spuren führen zu kurdischen Aktivisten, weshalb ein Zusammenhang mit der türkischen Offensive gegen Afrin vermutet wird.

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Zivilisten konnten Ost-Ghouta über einen Korridor verlassen

Unterdessen hat das UN-Büro des Sonderbeauftragten für Syrien in Genf einen humanitären Einsatz zur Rettung von Zivilisten aus Ost-Ghouta bestätigt. "Wir können aus Sicherheitsgründen keine Einzelheiten nennen", sagte Michael Contet, Kabinettschef des Sonderbeauftragten Staffan de Mistura, am Dienstag in Genf. "Sobald unsere Mitarbeiter wieder sicher auf ihre Posten zurückgekehrt sind, können wir Bericht erstatten."

Ost-Ghouta gehört zu den letzten Gebieten des Bürgerkriegslands Syrien, die noch unter der Kontrolle von Rebellen stehen. Dominiert wird die Region von islamistischen Milizen. Sie ist seit Monaten von syrischen Regierungstruppen eingeschlossen, die in den vergangenen Wochen vorgerückt sind. Rund 400 000 Menschen sind dort wegen der Blockade fast vollständig von der Außenwelt abgeschnitten. Helfer berichten von einer dramatischen humanitären Lage.

Mehr als drei Wochen nach Beginn der Offensive haben Zivilisten über einen Korridor Ost-Ghouta verlassen. Die staatliche syrische Nachrichtenagentur Sana berichtete am Dienstag, der Transport von Familien über einen Korridor habe begonnen.

UN-Generalsekretär António Guterres hat die Konfliktparteien in Syrien zur Einhaltung der international geforderten Waffenruhe ermahnt. Syrien verblute, sagte Guterres am Montag vor dem UN-Sicherheitsrat in New York. Der Beginn des Syrienkonflikts jährt sich am Donnerstag zum siebten Mal.

© SZ.de/rtr/dpa/ap/jsa - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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