US-Angriff in Syrien:Trump setzt voll auf Risiko

USA greifen syrischen Luftwaffenstützpunkt an

USA greifen syrischen Luftwaffenstützpunkt an. Das von der US-Navy zur Verfügung gestellte Bild zeigt die USS Ross im Mittelmeer.

(Foto: dpa)

Die Bilder der durch Giftgas getöteten Kinder veranlassen den US-Präsidenten, einen Luftwaffenstützpunkt in Syrien zu bombardieren. Kurzfristig bringt dieser Schritt Trump viel Lob ein, doch die Probleme fangen erst an.

Analyse von Matthias Kolb

Stundenlang wird am Donnerstag auf höchster Ebene beraten, dann trifft US-Präsident Donald Trump seine Entscheidung. Mit 59 Tomahawk-Marschflugkörpern wird jener Luftwaffenstützpunkt in Syrien bombardiert, von dem aus der mutmaßliche Chemiewaffenangriff auf die syrische Stadt Khan Scheikhun gestartet wurde. Russland wird vorab informiert. Mehrere Menschen sterben bei dem Bombardement, das laut Pentagon als einzelne Vergeltungsaktion gedacht ist.

Es ist eine atemberaubende Entwicklung für Trump, der auch gewählt wurde, weil er versprach, sich auf die USA zu konzentrieren. Noch am Dienstag erklärte er: "Ich will nicht Präsident der Welt sein. Ich bin US-Präsident und es zählt nur America First." Im Wahlkampf sagte der Republikaner Sätze wie: "Die Lage im Nahen Osten wäre viel besser, wenn unsere Präsidenten 365 Tage im Jahr am Strand gelegen hätten." Er inszenierte sich - wie so oft mit einer Lüge - als jemand, der vorab vor den Folgen der 2003 von George W. Bush befohlenen Irak-Invasion gewarnt haben will.

Während des Gipfeltreffens mit Chinas Präsident Xi Jinping in Florida betont Trump, dass die durch das Völkerrecht nicht gedeckte Aktion dem nationalen Sicherheitsinteresse der Vereinigten Staaten diene. "Jahrelange Versuche, Assads Verhalten zu ändern, sind gescheitert. Heute bitte ich alle zivilisierten Nationen, uns zu helfen, das Blutvergießen in Syrien zu beenden."

In seinem Statement erklärt der 70-Jährige seine Kehrtwende vom Isolationisten hin zum Interventionisten. Mit den Sätzen "Assad hat die Hilflosen erstickt. Kein Kind Gottes sollte jemals einen solchen Horror erleben", verurteilt er den mutmaßlichen Angriff mit dem Kampfstoff Sarin und ändert zugleich eine andere Position. Bislang sollte der Kampf ausschließlich gegen die Dschihadisten des selbst ernannten Islamischen Staats geführt werden. Baschar al-Assad galt als kleineres, hinnehmbares Übel. Doch nun soll Syriens Diktator gehen.

Für die radikale Meinungsänderung gibt es mehrere Gründe: Trump ist bekanntermaßen impulsiv und wohl auch emotionaler als ihn viele einschätzen. Das Entsetzen des achtfachen Großvaters über die ermordeten Kinder ist echt, und dass diese Bilder permanent in den Kabelsendern zu sehen sind, zeigt Wirkung. "Ich habe sie im Fernsehen gesehen", sagte Trump am Mittwoch der New York Times und nannte Assads Aktion in diesem Interview eine "Schande".

Hinzu kommt, dass Trump keine echten Überzeugungen hat: Er ist noch keine zwei Jahre in der Politik aktiv und richtet sich vor allem nach Bauchgefühl, Umfragezahlen und der Meinung jenes Menschen, mit dem er zuletzt gesprochen hat. Sein Satz "Ich bin stolz auf meine Flexibilität" ist wörtlich zu verstehen und nach dieser Sarin-Attacke sah er sich zum Handeln gezwungen. Die Realität hat den neuen Präsidenten eingeholt.

Viel Zustimmung für Trumps Angriff von allen Seiten

Für jemanden wie Trump, der besessen verfolgt, was Experten, Medien und andere Politiker über ihn sagen, sind die ersten Stunden nach dem Bombardement eine Bestätigung. Egal ob die konservativen Senatoren John McCain und Lindsey Graham oder die mächtige Demokratin Nancy Pelosi: Sie alle loben Trump. Die Fotos der getöteten Kinder aus Syrien dürften auch viele US-Bürger schockiert haben - hier ist vorerst kein Protest zu erwarten.

Wenn sich ein Diktator "offensichtlich über Normen des internationalen Rechts" hinweg setze, erwarte die Welt eine Reaktion von den USA, schreibt Antony Blinken in einem Gastbeitrag der New York Times. Blinken war Vizeaußenminister unter Barack Obama und es dürfte Trump und dessen Anhängern gefallen, dass diese Regierung zumindest kurzzeitig als "stark" wahrgenommen wird und auf das Überschreiten jener von Obama 2013 gezogenen "roten Linie" angemessen reagiert.

Trump hatte seinen Vorgänger stets attackiert, dass dieser 2013 nicht reagiert habe, als Assad mehr als 1000 Syrer mit einem Giftgasangriff tötete - dies habe dem weltweiten Ansehen der USA geschadet. Vergessen wird dabei jedoch oft, dass der Kongress Obama damals die Unterstützung verweigerte - weshalb die heutige Zustimmung vieler Abgeordneter für Trumps Aktion von Beobachtern als "erstaunlich" angesehen wird.

Für die These, Trump wolle mit dem Militärangriff vom Chaos der letzten Tage und Wochen ablenken, spricht kaum etwas. Der Zeitpunkt ist sogar - aus Polit-PR-Sicht gesehen - eher ungünstig: Das Gipfeltreffen mit Chinas Präsident bestimmt ohnehin die Schlagzeilen und am Freitag feiert Trump den bisher größten Erfolg seiner Amtszeit: Wenn der Senat Neil Gorsuch zum neuen Richter am Supreme Court bestimmt, dann hat Trump geliefert. Millionen Konservative haben ihn nur widerwillig unterstützt, um zu verhindern, dass die Demokratin Hillary Clinton einen Richter auswählt, der über Jahrzehnte hinweg die US-Politik prägen kann.

Darum birgt Trumps Entscheidung so viele Risiken

Kurzfristig mag Trump dieser Schritt nutzen, doch mittel- und langfristig sind die Risiken enorm. In der kommenden Woche reist Außenminister Rex Tillerson nach Moskau, um Wladimir Putin zu treffen - Russlands Präsident ist erzürnt über den Angriff und wird keinem Deal zustimmen, die den eigenen, zuletzt gewachsenen Einfluss in Nahost und die dortige Militärbasis gefährdet.

Die Probleme hören hier nicht auf, wie David Sanger in der New York Times betont: Wenn Trump es sich nun zum Ziel setzt, Assad aus dem Amt zu jagen, dann hält ihn das von seinem eigentlichen Wahlversprechen ab: Die "Vernichtung" der IS-Miliz. Und die außenpolitisch recht stümperhaft agierende Trump-Regierung hat keine Pläne, wie eine Friedenslösung für Syrien aussehen könnte. Dass Trump in seiner Ansprache die Verbündeten aufgerufen hatte, setzt ihn ebenfalls unter Druck: Wenn daraus nichts wird, leidet sein ohnehin angekratztes Image des "Dealmakers".

Die Folgen für Trumps innenpolitische Agenda sind noch schwer abzusehen: Sollte sich der US-Präsident mehr um Syrien und den Nahen Osten kümmern müssen, bleibt ihm weniger Zeit, in Washington für seine Ziele - vor allem Steuerreform und Infrastrukturpaket - zu werben. America First verkommt dann zur Floskel.

Wie er den Widerspruch zu seinen Wahlkampfversprechen (kein Militärengagement in Nahost) erklären wird, ist weiter offen. Mit Freude werden bereits alte Trump-Tweets hervorgeholt. 2013 bezeichnete er ein US-Engagement in Syrien als Verschwendung von Milliarden und 2012 spottete er, dass Obama wegen seiner schlechten Umfragewerte sicher bald einen Militärschlag befehlen werde.

Manche Verschwörungstheoretiker wenden sich wütend ab

Einige seiner treuesten Unterstützer am äußersten rechten Rand sind völlig erbost über die Syrien-Intervention. Sie verweisen darauf, dass Hillary Clinton wenige Stunden vor dem Abfeuern der Tomahawks exakt diese Reaktion gefordert hatte. Dies sind Leute, die unter #SyriaHoax die Verschwörungstheorie verbreitet haben, dass das Assad-Regime gar nicht für die Chemiewaffen-Attacke verantwortlich sei.

Laut Buzzfeed sind viele Pro-Trump-Foren auf diversen Webseiten gerade ziemlich gespalten in ihrer Beurteilung und auch das einflussreiche Breitbart News scheint noch unentschlossen: Momentan sind dort vor allem Agenturmeldungen zu lesen.

Diese verhaltene Reaktion zeigt auch, wie hoch das Risiko ist, dass Donald Trump in dieser Woche eingegangen ist. Es ist eine Entscheidung, die seine Präsidentschaft prägen wird - fraglich ist nur, in welche Richtung.

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