Süddeutsche Zeitung

Krieg in Syrien:Russland soll US-Verbündete in Syrien bombardiert haben

  • Russische Streitkräfte haben nach US-Angaben in Syrien Verbündete der Vereinigten Staaten bombardiert. Das Pentagon spricht von einem Versehen.
  • Die Vereinten Nationen werfen in einem Lagebericht der von Russland unterstützten syrischen Armee Kriegsverbrechen vor.
  • Dazu zählt die UN-Kommission auch die Evakuierung von Ost-Aleppo.

Russische Kampfflugzeuge haben offenbar in Syrien Truppen bombardiert, die zu den Verbündeten der Vereinigten Staaten zählen. Es habe "mehrere Opfer" bei dem Angriff auf kleinere Dörfer in Nordsyrien gegeben, sagte der US-General Stephen Townsend bei einer Pressekonferenz im Pentagon.

Allerdings handelte es sich Townsend zufolge um ein Versehen: Die Attacke sei unter der falschen Annahme geführt worden, dass sich in den Dörfern Kämpfer der Terrormiliz "Islamischer Staat" (IS) aufhielten. Tatsächlich seien dort Truppen der Syrisch-Arabischen Koalition gewesen. Weniger als fünf Kilometer vom Angriffsort entfernt hielten sich US-Soldaten auf. Der Angriff sei ein Beispiel dafür, wie komplex der Einsatz in Syrien geworden sei, sagte Townsend. Die Sorge sei, dass es zu weiteren versehentlichen Fehlschlägen kommen könne.

Das russische Verteidigungsministerium widersprach den Angaben. Bereits vor dem Luftangriff sei mit amerikanischen Kräften kommuniziert worden - ein US-Offizier habe dabei die Befürchtung geäußert, dass pro-amerikanische Kämpfer verletzt werden könnten. Dies habe das russische Militär zur Kenntnis genommen, hieß es in einer Mitteilung aus Moskau.

Russland unterstützt seit 2015 mit Luftangriffen den syrischen Machthaber Baschar al-Assad. Die USA fliegen ihrerseits seit 2014 an der Spitze einer internationalen Koalition Luftangriffe gegen den IS und andere radikale Islamistengruppen. Pentagon und Kreml tauschen Daten über Flugbewegungen im syrischen Luftraum aus, um Kollisionen zu verhindern. Eine regelrechte militärische Kooperation zwischen den USA und Russland in dem Konflikt gibt es aber bislang nicht, auch wenn US-Präsident Donald Trump diese nach eigenen Angaben begrüßen würde.

UN-Bericht wirft Regierungstruppen und Aufständischen Kriegsverbrechen vor

Die Vereinten Nationen sind der Ansicht, dass sowohl von Russland unterstützte Regierungstruppen als auch islamistische Rebellen in Syrien Kriegsverbrechen begangen haben. Dazu rechnet die UN-Untersuchungskommission für Syrien in ihrem am Mittwoch in Genf vorgelegten Bericht unter anderem die Evakuierung Ost-Aleppos und das Bombardement eines Hilfskonvois durch die syrische Armee.

Die Auswertung von Satellitenbildern, rechtsmedizinische Beweise und anderes Material hätten ergeben, dass der Angriff im September 2016 "sorgfältig geplant und rücksichtslos ausgeführt" wurde, um humanitäre Hilfe zu behindern. 15 Mitarbeiter von Hilfsorganisationen waren dabei gestorben. Im Dezember hatte eine Untersuchung der Vereinten Nationen ergeben, dass nicht geklärt werden könne, wer den Angriff veranlasst habe. Die Assad-Regierung weist jede Verantwortung von sich.

Auch im Kampf um die strategisch wichtige Stadt Aleppo haben sich der Untersuchung zufolge alle Kriegsparteien schuldig gemacht: "Monatelang haben die syrische und russische Luftwaffe schonungslos den östlichen Teil Aleppos bombardiert, als Teil einer Strategie, die Kapitulation zu erzwingen", sagte der Kommissionsvorsitzende Paul Pinheiro. Der UN-Bericht umfasst außerdem schlüssige Beweise, dass syrische Flugzeuge "giftige industrielle Chemikalien, einschließlich Chlorgas" abwarfen. Für den Einsatz von Chemiewaffen durch russische Truppen gibt es hingegen keine Hinweise.

Auch die Einigung zwischen den Konfliktparteien zur Evakuierung Ost-Aleppos stellt der UN-Kommission zufolge ein Kriegsverbrechen dar: Die entsprechende Vereinbarung zwischen Regierungskräften und Rebellen sei aus "strategischen Gründen" und nicht aus Sorge um die Sicherheit der Zivilbevölkerung erfolgt.

Die Evakuierung des Ostteils von Aleppo, die von UN-Personal und Mitarbeitern des Internationalen Komitees vom Roten Kreuz überwacht wurde, ließ den Zivilisten laut Bericht "keine Möglichkeit zu bleiben". Vielmehr wären die Bewohner in den von der Regierung kontrollierten Westen Aleppos oder in die von Rebellen beherrschte Provinz Idlib im Nordwesten des Landes gebracht worden, was einer zwangsweisen Umsiedlung entspricht.

Beobachtungsstelle: Syrische Armee rückt in Palmyra ein

Unterdessen ist die syrische Armee nach Angaben der Syrischen Beobachtungsstelle für Menschenrechte am Mittwochabend in die Wüstenstadt Palmyra eingerückt und in ein Viertel im Stadtwesten vorgedrungen. Die in London ansässige Organisation, die sich in ihren Angaben auf ein Informanten-Netzwerk in Syrien stützt, berichtet von Kämpfen und Bombenangriffen auf die Stadst.

Palmyra zählt seit 1980 zum Unesco-Weltkulturerbe. Die Terrormiliz IS hatte die Stadt erstmals im Mai 2015 eingenommen. Nach ihrer Vertreibung durch die syrische Armee im März vergangenen Jahres eroberte der IS die Stadt im Dezember erneut.Während ihrer Herrschaft zerstörten die Dschihadisten dort zahlreiche einzigartige Kulturgüter, darunter den berühmten Baal-Tempel, den prachtvollen Triumphbogen und mehrere antike Grabtürme.

Bestens informiert mit SZ Plus – 4 Wochen kostenlos zur Probe lesen. Jetzt bestellen unter: www.sz.de/szplus-testen

URL:
www.sz.de/1.3401682
Copyright:
Süddeutsche Zeitung Digitale Medien GmbH / Süddeutsche Zeitung GmbH
Quelle:
SZ.de/AFP/AP/ees
Jegliche Veröffentlichung und nicht-private Nutzung exklusiv über Süddeutsche Zeitung Content. Bitte senden Sie Ihre Nutzungsanfrage an syndication@sueddeutsche.de.