Krieg in Syrien:Russland soll Dörfer an Straße zu türkischer Grenze bombardiert haben

  • Russische Kampfflugzeuge sollen in Syrien mehrere Dörfer entlang der Straße von Aleppo zur türkischen Grenze angegriffen haben, dem Versorgungskorridor der Rebellen.
  • Die Truppen von Baschar al-Assad haben das ehemals wirtschaftliche Zentrum Syriens bereits fast vollständig eingekesselt.
  • Zehntausende Menschen sind Richtung Norden geflohen und sitzen an der türkischen Grenze fest, wo sie aus der Türkei versorgt werden sollen.

Bomben auf Versorgungskorridor

Vermutlich russische Kampfflugzeuge sollen in Syrien mehrere Dörfer entlang der Straße von Aleppo zur türkischen Grenze angegriffen haben. Das berichtet die Nachrichtenagentur Reuters unter Berufung auf die in London ansässige Syrische Beobachtungsstelle für Menschenrechte. Demnach wurden Ziele um die Dörfer Haritan und Kafr Hamra nördlich von Aleppo getroffen. Informationen zu Toten oder Verletzten gab es bisher nicht.

Die Angriffe unterstützen möglicherweise die Offensive der Regierungstruppen, die versuchen, Aleppo vollständig unter ihre Kontrolle zu bringen. Hilfsorganisationen warnen seit Tagen, dass das seit Jahren umkämpfte Aleppo kurz vor dem Fall an die Regierungstruppen stehe. Der Belagerungsring um die Rebellengebiete der Stadt, in denen etwa 350 000 Menschen leben, ist beinahe geschlossen. Die Aufständischen würden durch eine vollständige Einkesselung ihre letzte Versorgungsroute in Richtung Norden verlieren. In den Vierteln, die von der Regierung kontrolliert werden, wohnen mehr als eine Million Menschen.

Flüchtlinge sitzen an Grenze fest

Zehntausende Flüchtlinge aus Aleppo sind an der Grenze zur Türkei gestrandet. Türkische Helfer errichten dort auf der syrischen Seite ein neues Lager. Mit Lastwagen und Ambulanzen brachten türkische Helfer Lebensmittel und Medikamente über die Grenze, um die Menschen zu versorgen. "Wir verstärken unsere Anstrengungen in Syrien, um die Menschen unterzubringen", sagte ein Mitarbeiter der Hilfsorganisation IHH.

Die EU-Außenbeauftragte Federica Mogherini forderte die Türkei dagegen bei einem Außenministertreffen am Samstag in Amsterdam auf, ihre Grenze für die Flüchtlinge zu öffnen. Der türkische Präsident Recep Tayyip Erdoğan reagierte darauf abwartend. "Wenn sie an unsere Tür kommen und keine andere Wahl haben und es nötig werden sollte, werden wir diese Brüder einlassen - wir müssen das tun", zitierte ihn die Zeitung Hürriyet. Die Türkei hat in den vergangenen Jahren 2,5 Millionen Bürgerkriegsflüchtlinge aufgenommen, mehr als jedes andere Land.

Das russische Bombardement nahe der türkischen Grenze wertete Erdoğan als Bedrohung. "In einigen Teilen Aleppos hat das Regime von (Präsident Baschar al-) Assad den Nord-Süd-Korridor abgeschnitten", zitierte Hürriyet den Präsidenten weiter. "Die Türkei wird bedroht." Die türkische Armee habe die volle Befugnis, jeglicher Bedrohung der nationalen Sicherheit zu begegnen. Die Regierung in Ankara fordert seit langem die Absetzung von Assad. In türkischen Regierungskreisen hieß in der Vergangenheit allerdings, die Türkei habe nicht die Absicht, in Syrien einzumarschieren.

Beratungen über mögliche Fortsetzung der Friedensgespräche

Die neue Flüchtlingswelle wurde durch die russische Luftoffensive gegen die Millionenstadt Aleppo ausgelöst, die den syrischen Bodentruppen den Vormarsch ermöglichte und zugleich die Friedensverhandlungen zwischen der syrischen Regierung und der Opposition in Genf torpedierte. Die UN unterbrachen die Gespräche deshalb bis Ende Februar. Kritiker werfen Russland vor, der syrischen Regierung mit der Offensive zu einer besseren Verhandlungsposition verhelfen zu wollen.

Am Donnerstag wollen die Außenminister der Staaten, die im Herbst in Wien die Grundlage für die Gespräche gelegt hatten, in München zu Beratungen über das weitere Vorgehen zusammenkommen. Zu ihnen zählt auch Russland. Er erwarte von allen Seiten, dass die Voraussetzungen für die Wiederaufnahme der Verhandlungen in Genf geschaffen würden, sagte Bundesaußenminister Frank-Walter Steinmeier. "Das verlangt, dass der gesamte Prozess nicht kurzfristigem militärischen Taktieren geopfert wird", erklärte er und nannte in diesem Zusammenhang Russland und den Iran.

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