Krieg in Syrien:Dutzende Tote bei mutmaßlichem US-Luftangriff auf syrische Moschee

  • Eine Moschee westlich von Aleppo ist von einem Luftschlag getroffen worden. Dabei kamen Dutzende Menschen ums Leben, viele weitere wurden verletzt.
  • Zum Zeitpunkt des Angriffs sollen sich dort etwa 300 Menschen zum Abendgebet aufgehalten haben.
  • Die US-Streitkräfte bestätigen zunächst, ein Al-Qaida-Treffen in der Nähe einer Moschee angegriffen zu haben. Später weist das Verteidigungsministerium die Verantwortung für den Angriff auf das Gotteshaus zurück.

Bei einem Luftangriff auf eine Moschee nahe Aleppo sind am Donnerstagabend dutzende Menschen getötet oder verletzt worden. Das teilte die Syrische Beobachtungsstelle für Menschenrechte mit. Nach Angaben der Organisation kamen dabei mindestens 42 Menschen ums Leben. Bei den meisten Opfern soll es sich um Zivilisten handeln. Helfer vermuten viele Verschüttete.

Zum Zeitpunkt des Angriffs sollen sich lokalen Aktivisten zufolge etwa 300 Menschen zum Abendgebet in der Moschee im Ort Al-Dschinnah westlich von Aleppo aufgehalten haben. Das Dorf liegt in einer Rebellenhochburg, in der nach UN-Angaben zahlreiche Flüchtlinge untergekommen sind, die im vergangenen Jahr aus dem heftig umkämpften Aleppo geflohen waren.

Vieles deutet nun darauf hin, dass die USA den Luftschlag verübt haben

Unklar war zunächst, wer für den Angriff verantwortlich ist. In der Region fliegen regelmäßig Jets der syrischen und russischen Luftwaffe Angriffe. Sie bekämpfen dort bewaffnete Gegner der Regierung des syrischen Präsidenten Baschar al-Assad. Aber auch die US-geführte internationale Koalition hat dort in den vergangenen Monaten Angriffe gegen Aufständische geflogen.

In der Nacht zum Donnerstag mehrten sich Berichte darüber, dass der Luftschlag von den USA ausgeführt worden sein könnte. In einer Stellungnahme teilte das Zentralkommando der USA für den Nahen Osten mit, dass "mehrere Terroristen" bei einem Angriff auf ein Treffen von Al-Qaida-Extremisten in der Nähe einer Moschee in der benachbarten Provinz Idlib getötet worden seien.

"Wir haben keine Moschee angegriffen, aber das Gebäude, auf das wir gezielt haben - wo das Treffen stattgefunden hat - ist etwa 15 Meter von einer Moschee entfernt, die noch steht", sagte ein Sprecher des Zentralkommandos. Vorwürfe, wonach es bei dem Angriff "zivile Opfer" gegeben habe, würden überprüft.

Später stellte ein Sprecher klar, dass der genaue Ort des Anschlags unklar sei, es sich dabei wohl aber um denselben Angriff handele, der die Moschee im Dorf Al-Dschinnah in der Nachbarprovinz Aleppo getroffen habe. Einen Tag später wiesen die US-Streitkräfte den Angriff zurück. Man habe mit Flugzeugen und Drohnen in einen Treffpunkt der Al-Qaida-Extremisten ins Visier genommen und dabei wohl einige von ihnen getötet, sagte ein Sprecher der Verteidigungsministeriums. Bislang gebe es keine Hinweise auf getötete Zivilisten. Zum Beweise veröffentlichte das Ministerium ein Foto, das eine unbeschädigte Moschee neben dem mutmaßlichen Treffpunkt nach dem Angriff zeigen soll.

In Syrien gilt eigentlich eine Waffenruhe

Auf Bildern, die von Journalisten und Rebellen in sozialen Medien geteilt wurden, und die den Angriffsort und die Moschee zeigen sollen, war entgegen den Angaben des Sprechers ein völlig zerstörtes Gebäude zu sehen. Außerdem kursieren Bilder von Waffensplittern, die vor Ort gefunden wurden und die denen von früheren US-Luftschlägen ähneln.

Sollten tatsächlich die USA für den Angriff verantwortlich sein, würde dies verheerende Folgen haben, argumentiert der Nahost-Spezialist Charles Lister des Washingtoner Middle East Institutes: "Der Schaden, den der mutmaßlich US-geführte Luftschlag in Al-Dschinnah anrichten würde, wäre verheerend. Die Rebellen setzen die USA nun mit Russland und Assad gleich. Gefährlich", so Lister auf Twitter.

Im Bürgerkriegsland Syrien gilt eigentlich seit Ende Dezember eine Waffenruhe. Trotzdem kommt es immer wieder zu Kampfhandlungen. Die Terrormiliz Islamischer Staat und die al-Qaida-nahe Miliz Tahrir-al-Scham-Front, die einst als Al-Nusra-Front bekannt war, sind von der Waffenruhe ausgenommen.

Die Opposition war in dieser Woche neuen Verhandlungen über eine Stärkung der Waffenruhe in der kasachischen Hauptstadt Astana ferngeblieben. Sie protestierte damit gegen Verstöße gegen die Feuerpause, die sie der Regierung und ihrem Verbündeten Russland vorwirft.

14 Kinder bei Angriff am Mittwoch getötet

Erst am Mittwoch waren in der von Rebellen kontrollierten Stadt Idlib im Nordwesten Syriens bei einem Luftangriff 26 Menschen ums Leben gekommen, darunter 14 Kinder. Beobachter gingen davon aus, dass russische Flugzeuge dafür verantwortlich waren.

Der Syrien-Konflikt hat sich diese Woche zum sechsten Mal gejährt. Er war im März 2011 mit Protesten gegen die autoritäre Regierung ausgebrochen. In dem Bürgerkrieg sind mindestens 400 000 Menschen ums Leben gekommen. Unicef, das Kinderhilfswerk der Uno, bezeichnete das Leid der Kinder in diesem Konflikt als "beispiellos". Allein im vergangenen Jahr sei Kindern und Jugendlichen in mindestens 2500 Fällen direkte Gewalt angetan worden.

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