Syrien:Aktivisten melden heftigen Beschuss von Homs

"Fünf Geschosse pro Minute": Berichten der Opposition zufolge schießt die syrische Armee auf ein Viertel der Protesthochburg Homs. Der türkische Premier Erdogan spekuliert derweil über den Abgang von Machthaber Assad - und will nach einem Exil suchen.

Nach einem Massaker in der Provinz Hama und Schüssen auf UN-Beobachter geht die Gewalt in Syrien trotz des Friedensplans weiter: Regierungstruppen haben nach Angaben von Aktivisten heute das von Rebellen kontrollierte Viertel Chaldije der Protesthochburg Homs beschossen. Das Bombardement scheine die Vorbereitung eines Sturmangriffs auf den seit Monaten von Rebellen gehaltenen Stadtteil zu sein.

Die Armee habe seit dem Morgen "durchschnittlich fünf Geschosse pro Minute" auf das im Norden der Stadt gelegene Viertel abgeschossen, in dem sich Rebellen verschanzt hätten, erklärte die in London ansässige Syrische Beobachtungsstelle für Menschenrechte. In der Stadt Idlib im Nordwesten des Landes wurden demnach zwei Sicherheitskräfte bei der Explosion einer Autobombe vor einem Polizeiposten getötet.

Die Beobachtungsstelle und die örtlichen Koordinationskomitees hatten zunächst keine Angaben über Verletzte. Amateurvideos im Internet zeigten ein kleines weißes Flugzeug, offenbar eine Drohne, über Homs.

Gestern wurden nach Angaben der Beobachtungsstelle mindestens 58 Menschen in Syrien getötet, darunter 27 Zivilisten und drei Rebellen. 28 Tote seien Soldaten der Regierungstruppen oder Anhänger von Staatschef Baschar al-Assad gewesen. Vor zwei Tagen sollen bei einem Massaker in der Nachbarprovinz Hama bis zu 80 Menschen getötet worden sein, darunter Frauen und Kinder. Auf dem Weg in das betroffene Dorf Al-Kubeir wurden auch UN-Beobachter beschossen. Sie wollen am Freitag erneut versuchen, in das Dorf zu gelangen.

UN-Generalsekretär Ban warnt vor Bürgerkrieg

Die anhaltende Gewalt in Syrien hat gestern Abend erneut den Sicherheitsrat der Vereinten Nationen beschäftigt. UN-Generalsekretär Ban Ki Moon und Sondervermittler Kofi Annan haben das mächtigste UN-Gremium zum Handeln aufgefordert und vor einem Bürgerkrieg gewarnt. Der Rat konnte sich jedoch nicht auf eine Reaktion einigen. Eine neue Kontaktgruppe könnte wieder Fahrt in die verfahrene Situation bringen.

Bundeskanzlerin Angela Merkel (CDU) hat sich unterdessen mit einem dringenden Appell an den UN-Sicherheitsrat gewandt: "Die Lage in Syrien ist schrecklich", sagte sie nach einem Treffen mit dem neuseeländischen Premierminister John Key. Zuvor hatten Außenminister Guido Westerwelle (FDP) und Regierungssprecher Steffen Seibert die Forderung nach einem härteren Vorgehen gegen das syrische Regime an den Rat gerichtet.

Nach Ansicht des französischen Philosophen Bernard-Henri Lévy wäre eine Militärintervention in Syrien einfacher als in Libyen. In einem Interview der Zeitung Le Parisien nannte er dafür drei Gründe. Die Arabische Liga sei "noch entschlossener" als im Fall Libyens, den Staatschef loszuwerden. Mit der Türkei gebe es einen mächtigen regionalen Bündnispartner, der für eine solche Intervention bereit stehe. Und drittens sei Libyens gestürzter Staatschef Muammar al-Gaddafi "verrückt" gewesen. Assad dagegen sei es nicht, und es sei nicht ausgeschlossen, "dass ihn schon eine minimale Intervention, ein Zeichen zum Nachdenken bewegt."

Lévy, der sich in der Libyenkrise beim damaligen französischen Präsidenten Nicolas Sarkozy erfolgreich für ein militärisches Eingreifen stark gemacht hatte, hat auch dessen Nachfolger François Hollande dazu aufgefordert. Hollande sprach sich dafür aus, einen Militäreinsatz in Syrien zu unterstützen, sofern er unter UN-Führung stehe.

Erdogan will mögliches Exil für Assad diskutieren

Der türkische Ministerpräsident Recep Tayyip Erdogan forderte derweil internationale Gespräche über ein Exil für Assad. Das sogenannte Jemen-Modell werfe zwar einige Fragen auf, sollte aber diskutiert werden, sagte Erdogan Presseberichten zufolge. Erdogan sagte, Assad bereite sich mit der anhaltenden Gewalt in Syrien, die immer mehr in einen "Völkermord" umschlage, derzeit sein eigenes Ende. "Früher oder später wird er gehen", sagte der türkische Regierungschef.

Demnach wollen sich auch die G 20 beim Gipfeltreffen in Mexiko in zehn Tagen mit dem Thema Syrien befassen. Nach einem internationalen Treffen zum Thema Syrien hatte US-Außenministerin Hillary Clinton gestern einen Rücktritt Assads mit anschließendem Exil als Weg zur Beendigung der Krise in Syrien angeregt. Dabei verwies sie auf die Anfang des Jahres in Jemen gefundene Lösung: Dort war der langjährige Präsident Ali Abdallah Salih nach monatelangen Protesten gegen seine Herrschaft zurückgetreten. Er ist trotz Forderungen, er solle ins Exil gehen, bisher aber im Land geblieben.

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