Krieg in Libyen:Vormarsch der Rebellen stockt

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Die internationale Militärallianz bombardiert weiter Ziele in Libyen. US-Präsident Obama vermeldet erste Erfolge im Kampf gegen die Truppen des Machthabers. Doch die Rebellen stecken vor Gaddafis Geburtsstadt Sirte fest.

Die Armee von Libyens Machthaber Muammar al-Gaddafi hat das Vordringen der Aufständischen in westliche Richtung vorerst gestoppt. Die Rebellen sind eigenen Angaben zufolge beim Marsch auf Gaddafis Geburtsstadt Sirte von Soldaten und einigen Anwohnern beschossen worden und haben sich in Richtung der Ortschaft Bin Jawad zurückgezogen.

Die libyschen Rebellen mussten Rückschläge hinnehmen. (Foto: AP)

Ermutigt von den jüngsten Eroberungserfolgen mit westlicher Luftunterstützung hatten die Rebellen die Einnahme der Stadt Sirte im Visier, die nicht nur als besonders symbolträchtig, sondern auch als strategisch wichtig gilt. Dutzende Rebellen sammelten sich am Dienstag nach dem Rückschlag vor Bin Jawad, rund 150 Kilometer von Sirte entfernt. Am Vortag seien die Rebellen von Gaddafi-Truppen beschossen worden. "Deshalb haben wir uns zurückgezogen", sagte der offenbar zu den Anführern der Rebellen gehörende Hamad al-Awani. Gaddafis Truppen seien mit Raketen, Granaten und mittelschweren Waffen gegen sie vorgegangen.

Über das kleine Dörfchen Bin Jawad hinweg feuerten die beiden Seiten am Dienstag Salve um Salve. Der Donner von Raketen und Artilleriegeschossen erschütterte die Häuser des Dorfes und Rauch stieg über den Dächern auf - untermalt vom ständigen Rattern schwerer Maschinengewehre. Wenn Gaddafi genug Männer und Panzer schicke, werde Bin Jawad fallen, sagte einer der Rebellen.

Zuvor hatte die westliche Militärallianz erneut Ziele in Libyen bombardiert. In Tadschura nahe Tripolis waren Dienstagfrüh neun laute Explosionen zu hören, berichteten Bewohner im Internet.

Die libyschen Behörden behaupteten, dass durch die Luftangriffe der Alliierten "Dutzende" Zivilisten und Militärangehörige getötet worden seien. Diese Angaben ließen sich allerdings bislang nicht bestätigen.

Amnesty International veröffentlichte hingegen einen Bericht, demzufolge der libysche Geheimdienst vor Ausbruch der Kampfhandlungen mindestens 30 Oppositionelle und Kritiker der Gaddafi-Herrschaft verschleppt hatte. Unter den Vermissten sind der Blogger Atif Abdul Kader al-Atrasch und ein 14-jähriger Schüler. Etliche der Angehörigen erhielten anonyme Anrufe mit Todesdrohungen. Viele der Verschwundenen waren zuletzt auf einer Großkundgebung gegen Gaddafi am 17. Februar in Bengasi gesehen worden.

Obama vermeldet erste Erfolge

Angesichts wachsender Kritik im eigenen Land verteidigte derweil US-Präsident Barack Obama den Militäreinsatz in Libyen. "Wenn unsere Interessen und Werte auf dem Spiel stehen, haben wir eine Verantwortung, zu handeln", sagte Obama am Montagabend (Ortszeit) in seiner ersten Ansprache an die US-Bevölkerung seit Beginn der Luftangriffe.

In Libyen habe "Gewalt von entsetzlichem Ausmaß" gedroht, sagte Obama in der vom Fernsehen übertragenen Rede. Machthaber Muammar al-Gaddafi habe der Welt deutlich gemacht, dass er "keine Gnade" walten lassen werde. Um "Massaker" an der Zivilbevölkerung zu verhindern, habe er als Teil einer "breiten Koalition" die Angriffe auf Gaddafis Truppen autorisiert. "Ich bin überzeugt, dass Amerika für eine Tatenlosigkeit in Libyen einen viel höheren Preis gezahlt hätte." Gaddafi ist nach den Worten Obamas inzwischen "stark geschwächt". Der internationale Militäreinsatz unter UN-Mandat habe "Gaddafis tödlichen Vormarsch gestoppt".

Gleichzeitig machte Obama aber deutlich, dass die Rolle der USA bei dem Einsatz "begrenzt" sei. Das Kommando für den Einsatz "Odyssey Dawn" werde am Mittwoch an die Nato übertragen, die USA werde dann eine "unterstützende Rolle" spielen. Bodentruppen würden nicht in das nordafrikanische Land entsendet.

Auch nach der Übertragung der Führung an die Nato wolle die USA weiter Druck auf Gaddafi ausüben, nach 42 Jahren an der Macht zurückzutreten. Es solle aber keine Militärgewalt eingesetzt werden, um dieses Ziel zu erreichen. Der gewaltsame Sturz des Machthabers sei nicht das Ziel. "Diesen Weg sind wir im Irak gegangen", sagte Obama in Anspielung auf den unter der Führung seines Vorgängers George W. Bush begonnenen umstrittenen Krieg. Der Präsident wies weiter darauf hin, dass es eine Zeitlang dauern werde, um Gaddafi politisch zu isolieren und sein Regime schließlich zur Seite zu drängen.

Die Suche nach einer Lösung des Libyen-Konflikts beschäftigt am heutigen Dienstag auch Vertreter aus mehr als 40 Ländern in London. Großbritanniens Außenminister William Hague hat unter anderem US-Außenministerin Hillary Clinton, Bundesaußenminister Guido Westerwelle, UN-Generalsekretär Ban Ki Moon und Nato-Generalsekretär Anders Fogh Rasmussen sowie Vertreter der Arabischen Liga und Afrikanischen Union zu einer Konferenz eingeladen.

US-Präsident Obama: "Ich bin überzeugt, dass Amerika für eine Tatenlosigkeit in Libyen einen viel höheren Preis gezahlt hätte." (Foto: REUTERS)

Kurz vor dem Treffen legten Großbritanniens Premierminister David Cameron und Frankreichs Präsident Nicolas Sarkozy ein gemeinsames Papier vor. Darin wird ein "Neuanfang" in Libyen propagiert. Die Anhänger Gaddafis werden darin aufgefordert, sich von dem Machthaber zu lösen.

Frankreich forderte unmittelbar vor dem Treffen ein starkes Engagement Deutschlands beim Wiederaufbau des nordafrikanischen Landes. Trotz der Nichtbeteiligung Deutschlands am internationalen Militäreinsatz gehe er davon aus, dass Deutschland in der Phase des Wiederaufbaus seiner Rolle voll und ganz gerecht werde, sagte der Generalsekretär der französischen Regierungspartei UMP, Jean-François Copé, dem Tagesspiegel.

Der libysche Staatschef Muammar al-Gaddafi verglich den internationalen Militäreinsatz unterdessen mit den Kriegszügen der Deutschen unter Adolf Hitler. "Stoppt diese barbarische Aggression gegen Libyen! Lasst die Libyer in Ruhe!", schrieb Gaddafi in einer Botschaft an europäische und amerikanische Parlamentarier. Gaddafi betonte zugleich, Libyen sei bereit, Entscheidungen der Afrikanischen Union (AU) zu akzeptieren.

© sueddeutsche.de/dpa/Reuters/AFP/dmo - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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