Krieg in Libyen:Schlacht um Misrata neu entflammt

Der Papst fordert österlichen Frieden in Libyen - doch Gaddafi und seine Gegner denken gar nicht daran. In Misrata versuchten die Regierungstruppen eine List, zogen sich zum Schein zurück und greifen nun wieder an. Hunderte Flüchtlinge haben sich ins sichere Bengasi gerettet.

Die angebliche Befreiung der libyschen Rebellenhochburg Misrata hat sich als Irrtum erwiesen. Nachdem sich die Regierungssoldaten aus dem Zentrum der Hafenstadt zurückgezogen hatten, beschießen sie nun nach Angaben der Aufständischen erneut verschiedene Stadtviertel.

A Libyan girl, an evacuee, cries after arriving on a ship from Misrata during an evacuation operation at the port of Benghazi

Libysches Mädchen (an Bord des Flüchtlingsschiffs von Misrata nach Bengasi): Der Krieg ist längst nicht zu Ende

(Foto: REUTERS)

Die Truppen von Machthaber Muammar al Gaddafi hätten in den frühen Morgenstunden mit der Bombardierung der westlichen Stadt begonnen, sagte ein Rebellensprecher am Sonntag. Die Kanonade dauerte demnach stundenlang an, Ziel seien das Stadtzentrum sowie drei Wohnviertel gewesen: "Die Situation ist sehr gefährlich."

Der Leiter des medizinischen Komitees in Misrata, Chaled Abu Falgah, spricht von 28 Getöteten und 85 Verletzen bei den jüngsten Kämpfen: "Die letzten 24 Stunden waren mit die härtesten und traurigsten in den letzten 65 Tagen", sagte Falgah.

Damit zerschlagen sich Hoffnungen auf einen Rückzug der Gaddafi-Truppen. Der libysche Vizeaußenminister Chaled Kaim hatte zuvor gesagt, die Soldaten hätten "ihre Operationen eingestellt", damit nun lokale Stammesführer mit der Opposition binnen 48 Stunden über eine Niederlegung der Waffen verhandeln könnten. Vor dieser Stellungnahme hatte das Regime sogar bekanntgegeben, man habe sich zurückgezogen; die Rebellen feierten schon die Befreiung der Stadt, nicht ohne allerdings skeptisch zu bleiben.

Auf Kaims Ankündigung, nun den Stämmen den Kampf zu überlassen, hatten sie mit Spott reagiert. "Was sollen das für Stämme sein, die Gaddafi unterstützen?", sagte ein Rebellensprecher dem US-Sender CNN. Zudem hatten Vertreter der Rebellen zwar bestätigt, dass sich Gaddafis Truppen zurückgezogen hätten, sie hatten von Anfang an aber Zweifel geäußert, dass sie Misrata vollständig aufgeben würden.

Der Papst hat die Kriegsparteien in seiner Osteransprache zum Friedensschluss aufgefordert (mehr...). Es brauche jetzt eine friedliche Lösung, sagte Benedikt XVI. und forderte, humanitäre Hilfe für die Opfer durchzulassen.

"Schlagt der Schlange den Kopf ab"

In Washington mahnte unterdessen der republikanische Senator Lindsay Graham ein konsequenteres Vorgehen der internationalen Truppen in Libyen an, auch gegen Gaddafi persönlich: "Schlagt der Schlange den Kopf ab, geht nach Tripolis, bombardiert Gaddafis engsten Kreis, ihre Standorte, ihre militärischen Befehlszentralen", sagte Graham. Um Gaddafi loszuwerden, müsse sein enges Umfeld zerschlagen werden, dazu bedürfe es ausdauernder Luftangriffe.

Die Nato will ihre Droheneinsätze in Libyen fortsetzen und fordert alle Zivilisten auf, sich von militärischen Einrichtungen des Regimes fernzuhalten. Man werde weiterhin alles tun, um die Zivilbevölkerung zu schützen. Am Samstag hatte erstmals eine US-Drohne nahe der libyschen Stadt Misrata Raketenwerfer zerstört. Später wurde nach Nato-Angaben in der Hauptstadt Tripolis eine Boden-Luft-Rakete zerstört.

Unterstützung für die Aufständischen kommt aus Kuwait: Das Emirat hat den Aufständischen in Libyen umgerechnet 123 Millionen Euro gespendet. Dieses Geld werde dem Nationalen Übergangsrat helfen, einen Teil der Gehälter der Angestellten zu zahlen, sagte der Chef des Rates, Mustafa Abdel Dschalil am Sonntag in Kuwait.

Immer mehr Bewohner versuchen derweil aus Misrata zu flüchten: An diesem Sonntag sind mehr als 1400 Flüchtlinge an Bord zweier Schiffe in der weiter östlich gelegenen libyschen Rebellenhochburg Bengasi eingetroffen. Bei den Geretteten handelt es sich nach Angaben des Roten Kreuzes vor allem um ausländische Arbeiter. Manche von ihnen hätten vier bis fünf Wochen in notdürftigen Lagern am Hafen von Misrata verbracht, sagte Javier Cepero vom Internationalen Komitee des Roten Kreuzes.

Derzeit hielten sich noch zwischen 2000 und 3000 Menschen im Hafengebiet der heftig umkämpften Stadt auf und warteten auf ihre Evakuierung, sagte Cepero. Das libysche Rote Kreuz versuche die Menschen mit Lebensmitteln und Medizin zu versorgen. Aufgrund der Kämpfe sei dies aber schwierig. In der erbitterten Schlacht um Misrata, der drittgrößten Stadt in Libyen, sind bereits Hunderte Zivilisten ums Leben gekommen.

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