Libyscher Ex-Machthaber Gaddafi:Botschaften aus dem Untergrund

"Wir sind keine Frauen, wir werden weiterkämpfen": Seine Truppen haben nur noch in wenigen Orten in Libyen die Oberhand, doch der untergetauchte Despot Gaddafi will sich nicht geschlagen geben. In zwei Audiobotschaften kündigt er weiterhin erbitterten Widerstand an. Die gegnerischen Rebellen fordern die Kämpfer des alten Regimes weiter auf, sich zu ergeben - und festigen ihre Macht durch diplomatische Erfolge.

Der untergetauchte libysche Diktator Muammar al-Gaddafi hat sich Fernsehberichten zufolge am Donnerstagabend erneut zu Wort gemeldet. Wie der arabische Nachrichtensender Al-Dschasira in der Nacht berichtete, strahlte der syrische Sender Al Rai TV eine zweite Audiobotschaft binnen weniger Stunden aus.

A bullet-riddled portrait of Muammar Gaddafi is seen on the wall of a building in Tripoli

Zerstörtes Porträt: Noch verteidigen die Einwohner einiger Gaddafi-Hochburgen das alte Regime, doch in der libyschen Hauptstadt Tripolis hat der untergetauchte Despot Muammar al-Gaddafi keine Basis mehr - sein zerschossenes Bildnis zeugt davon.

(Foto: Reuters)

Darin habe sich der Despot erneut kämpferisch gezeigt. "Wir werden in jedem Tal, in jeder Straße, in jeder Oase und jeder Stadt kämpfen", habe Gaddafi mit Blick auf die Stämme in seiner Geburtsstadt Sirte und der Wüstenstadt Bani Walid gesagt. "Die imperialistischen Mächte" wollten das libysche Volk unterjochen und sich seiner Bodenschätze bemächtigen. "Wir streben lieber als uns unter westliche Kontrolle zwingen zu lassen", zitierte Al-Dschasira Gaddafi.

Wenige Stunden zuvor hatte der 69-Jährige seine Anhänger ein einer ersten Audiobotschaft aus seinem Versteck bereits aufgerufen, das "Land zu befreien". "Geht, greift zu den Waffen und kämpft", rief Gaddafi, dessen genauer Aufenthaltsort weiter unbekannt ist.

Gaddafi kündigte an, sich niemals ergeben und den Kampf fortsetzen zu wollen. "Wir werden nicht aufgeben. Wir sind keine Frauen, wir werden weiterkämpfen", habe Gaddafi gesagt, hieß es in einem Bericht des syrischen Satellitensenders Arrai. "Selbst wenn Ihr meine Stimme nicht hören könnt, setzt den Widerstand fort", forderte Gaddafi demnach seine Anhänger auf.

Abgesandte von mehr als fünfzig Ländern und Organisationen waren am Donnerstagabend in Paris zusammengekommen, um über die Zukunft Libyens zu beraten. Zu der Konferenz der "Freunde Libyens", zu der auch Bundeskanzlerin Angela Merkel (CDU) anreiste, hatten Frankreich und Großbritannien eingeladen.

Zuvor hatten die Aufständischen in Libyen nach einem Bericht des britischen Senders BBC das Ultimatum gegen dieTruppen des alten Gaddafi-Regimes in Sirte um eine Woche verlängert. Damit haben die letzten Gaddafi-Getreuen in der etwa 75.000 Einwohner zählenden Stadt bis Samstag kommender Woche Zeit, sich zu ergeben. Ursprünglich sollte das Ultimatum in der Nacht zum Samstag ablaufen. Über die Verlängerung des Ultimatums gibt jedoch widersprüchliche Angaben, der Nationale Übergangsrat dementierte die Meldung bereits.

Seit Tagen versuchen Stammesälteste, die Gaddafi-Truppen in der Stadt am Mittelmeer zur Kapitulation zu bewegen. Der arabische Fernsehsender al-Dschasira hatte berichtet, dass die Bevölkerung gespalten sei. Eine Hälfte plädiere für Kampf und die andere für Kapitulation. Sirte ist die letzte libysche Stadt entlang der Küste von der Grenze zu Ägypten bis nach Tunesien, die noch nicht in der Hand der Rebellen ist.

Eine Woche, nachdem die Rebellen die libysche Hauptstadt Tripolis unter ihre Kontrolle gebracht haben, gehen den Aufständischen indes immer mehr führende Funktionäre des langjährigen Machthabers Muammar al-Gaddafi ins Netz. Arabische Medien meldeten, in einem westlichen Vorort der Hauptstadt Tripolis sei bereits am Dienstag der letzte Außenminister, Abdelati al-Obeidi, festgenommen worden.

Die Rebellen berichteten auf ihren Websites außerdem, Abdullah al-Hedschasi, ein ehemaliger Vertrauter Gaddafis, sei gefasst worden. Bei dem Versuch, die Grenze nach Tunesien zu überqueren, habe man zudem einen Neffen Gaddafis festgesetzt, der dem Regime in leitender Funktion gedient habe.

Unbekannt ist hingegen nach wie vor der Aufenthaltsort des untergetauchten Despoten Muammar al-Gaddafi. Der Übergangsrat vermutet Gaddafi in der Wüstenstadt Bani Walid südöstlich von Tripolis. Einem früheren Leibwächter eines Gaddafi-Sohnes zufolge soll sich Gaddafi hingegen in die 770 Kilometer südlich von Tripolis gelegene Garnisonsstadt Sebha abgesetzt haben.

Russland erkennt Übergangsrat an

Nach einem Zeitungsbericht soll Gaddafi beabsichtigt haben, nach Algerien zu fliehen. Er habe Algeriens Präsident Abdelaziz Bouteflika telefonisch um eine Einreiseerlaubnis bitten wollen, berichtete die algerische Zeitung El Watan. Allerdings habe der Präsident die Annahme des Telefonats verweigert, schrieb das Blatt unter Berufung auf Kreise des Präsidialamtes. Ein Berater des Präsidenten habe ihn entschuldigt und darauf verwiesen, dass er mit Angelegenheiten Algeriens beschäftigt sei, zitierte das Blatt den Informanten.

Unklar blieb, wann Gaddafi angerufen haben soll. Algerien hatte am Montag bekanntgegeben, dass es Gaddafis Frau, seine Tochter und zwei seiner Söhne aufgenommen habe. Dies hatte scharfen Protest beim libyschen Übergangsrat ausgelöst. Algerien ist das einzige nordafrikanische Land, das den Nationalen Übergangsrat noch nicht anerkannt hat.

Wenige Stunden vor Beginn der Libyen-Konferenz in Paris hatten die libyschen Aufständischen allerdings einen wichtigen diplomatischen Erfolg in einem anderen Land erzielt. Russland gab bekannt, dass es den Nationalen Übergangsrat anerkennt. Die diplomatischen Beziehungen zwischen Moskau und Tripolis würden fortgesetzt. Die Anerkennung aus Russland ist von besonderer Bedeutung, weil Moskau die Nato-Angriffe auf Libyen immer kritisiert hatte.

Die Konferenz in Paris war auch die erste, auf der der Übergangsrat als Vertretung Libyens auftritt. Auch China, das sich bislang zu den westlichen Wiederaufbauplänen für das nordafrikanische Land eher zurückhaltend äußerte, hatte angekündigt, Vize-Außenminister Ma Jun nach Paris zu schicken. China unterstütze die Bemühungen um eine Wiederherstellung der Stabilität und um eine reibungslose Machtübergabe in Libyen, sagte ein Sprecher des chinesischen Außenministeriums.

China gehört zu den großen Investoren in Libyen. Zu einer formellen Anerkennung des Übergangsrats konnte sich Peking noch nicht durchringen. Stattdessen wurde betont, dass die Vereinten Nationen eine wichtige Rolle beim Wiederaufbau des Landes spielten müssten. Viele westeuropäische Staaten und auch die USA haben den Übergangsrat schon vor Monaten anerkannt.

EU hebt Sanktionen teilweise auf

Die Konferenz befasste sich weniger mit Hilfszusagen für Libyen als vielmehr mit der Frage, wie das Geld der früheren Regierung, das im Ausland eingefroren wurde, freigegeben werden kann. In Paris wird vermutet, dass das Regime von Gaddafi mindestens 50 Milliarden Dollar in aller Welt angelegt hatte, britische Schätzungen gehen sogar von 110 Milliarden Dollar aus.

Die Europäische Union hob kurz vor Beginn der Geberkonferenz Wirtschaftssanktionen gegen das Land teilweise auf. 28 Unternehmen oder Behörden werden von der Strafliste genommen, darunter sechs Hafengesellschaften, mehrere Banken sowie mehrere Öl- und Gasunternehmen. Das berichteten EU-Diplomaten in Brüssel nach einem Beschluss der 27 Mitgliedstaaten. Die EU-Einreiseverbote gegen Familienmitglieder Gaddafis bleiben hingegen weiter bestehen.

Auch Bundeskanzlerin Angela Merkel (CDU) sagte Libyen deutsche Hilfe zu. "Deutschland wird einen erkennbaren Beitrag leisten." Sie stellte technische Hilfe sowie Unterstützung beim Aufbau demokratischer Strukturen in Aussicht. Die Aufhebung der Sanktionen könne frühestens am Freitag mit der Veröffentlichung im Amtsblatt der EU rechtlich wirksam werden, so die Diplomaten. Ein Teil des Geldes wurde allerdings auf Grundlage von UN-Sanktionen eingefroren, die nur von den Vereinten Nationen und nicht von der EU wieder freigegeben werden können.

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