Krieg in Libyen:Rebellen stellen Gaddafis letzten Getreuen Ultimatum

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Alarmiert von der Flucht einiger Gaddafi-Verwandter nach Algerien wollen die Aufständischen die Schlinge enger um den Diktator ziehen: Sie drängen darauf, ganz Libyen zu kontrollieren, und verlangen ultimativ die Kapitulation der verbliebenen Gaddafi-Getreuen. Der untergetauchte Despot selbst soll noch am Freitag in Tripolis mit seiner Tochter aufgetaucht sein - sie brachte inzwischen ein Kind zur Welt.

Die Hauptstadt Tripolis haben die Rebellen komplett erobert, ein Teil des Gaddafi-Clans hat sich nach Algerien durchgeschlagen - doch wo sich der Langzeit-Despot selbst versteckt, weiß niemand genau. Alarmiert von der Vorstellung, dass sich Muammar al-Gaddafi ebenso ins Ausland absetzen könnte, drängen die Aufständischen darauf, bald ganz Libyen zu kontrollieren.

Rebellen haben einen Truck in der Nähe von Gaddafis Heimatstadt Sirte beschossen und in Brand gesetzt. Die zwei Insassen des Fahrzeugs, Soldaten des Regimes, wurden gefangen genommen. (Foto: AP)

Die Rebellen versuchen, die Schlinge enger zu ziehen - und konzentrieren sich auf die letzten verbliebenen Gaddafi-Hochburgen. Der Übergangsrat stellte den Truppen des Ex-Machthabers ein Ultimatum. Bis Samstag sollen sie die letzten von Gaddafi-Getreuen kontrollierten Städte übergeben. "Länger können wir nicht warten", sagte der Chef des Nationalen Übergangsrates, Mustafa Abdul Dschalil in Bengasi.

Derzeit halten Kämpfer der ehemaligen Regierungstruppen noch Gaddafis Geburtsstadt Sirte, die Wüstenstadt Sebha im Zentrum des Landes und Bani Walid. Seit Tagen versuchen die Rebellen, unter Vermittlung von Stammesältesten die Gaddafi-Hochburgen zur Aufgabe zu bewegen. Ziel ist es, weiteres Blutvergießen und die Zerstörung der Städte zu vermeiden. "Wir können die Situation militärisch lösen, aber das wollen wir nicht", sagte Dschalil.

Aus der Luft werden die Gaddafi-Getreuen permanent attackiert: Nato-Kampfflugzeuge nahmen erneut die letzten Hochburgen unter Feuer. Zahlreiche Militäreinrichtungen in Gaddafis Heimatstadt Sirte sowie in Bani Walid seien Ziel von Angriffen gewesen, teilte die Nato mit.

Das Militärbündnis zerstörtei nahe Sirte drei Kommandozentralen, vier Radaranlagen, 22 bewaffnete Fahrzeuge, zwei Versorgungsfahrzeuge, einen Leitstand und zwei Raketenstellungen. In Bani Walid habe man zwei Kommandozentralen und ein Munitionslager getroffen. Insgesamt seien binnen 24 Stunden 42 Kampfeinsätze geflogen worden. Bani Walid - etwa 100 Kilometer südöstlich von Tripolis - gilt als eines der mögliche Verstecke Gaddafis.

Seine Ehefrau Safia, die Söhne Hannibal und Mohammed sowie Tochter Aischa waren nach Angaben des algerischen Außenministeriums am Montag in Algerien eingetroffen. Aischa brachte nur wenige Stunden später ein Kind zur Welt. Aus algerischen Regierungskreisen hieß es, sie habe am frühen Morgen eine Tochter geboren. Mutter und Tochter seien wohlauf.

Der Übergangsrat der Aufständischen verlangte derweil vom Nachbarland, die geflohenen Familienmitglieder auszuliefern. Dass Algerien den Gaddafi-Clan aufgenommen habe, sei ein "Akt der Aggression gegen das libysche Volk und seine Hoffnungen", erklärte Mohammed Schammam, der Informationsminister der Übergangsregierung. "Wir werden alle rechtlichen Mittel ausschöpfen, um diese Kriminellen zurückzubekommen und sie vor Gericht zu stellen." Zugleich warnte Schammam laut einem Bericht des arabischen Nachrichtensenders al-Dschasira davor, Gaddafi selbst Unterschlupf zu gewähren. Jeder, der dies versuche, sei ein "Feind des libyschen Volkes".

Der entmachtete Diktator soll noch in Libyen sein. Nach einem Bericht der italienischen Nachrichtenagentur Ansa ist er in Bani Walid untergetaucht. Gaddafi sei mit seinem Sohn Al-Saadi zusammen, meldete die Agentur unter Berufung auf "diplomatische libysche Quellen". Gaddafis Sohn Khamis, der eine Eliteeinheit seines Vaters gegen die Rebellen kommandierte, sei mit höchster Wahrscheinlichkeit während des Rückzugs auf der Straße nach Bani Walid erschossen worden. Die algerische Zeitung El Watan berichtete, Algerien wolle nun die Grenze zu Libyen schließen.

Einem britischen Fernsehbericht zufolge soll sich Gaddafi noch bis Freitag in Tripolis befunden haben. Von dort habe er sich dann in den Süden des Landes begeben, meldete Sky News unter Berufung auf einen früheren Leibwächter des Gaddafi-Sohnes Khamis. Gaddafi habe sich am Freitag mit Khamis in Tripolis getroffen. Später sei auch Gaddafis Tochter Aischa dazugekommen. Sie seien nach einem kurzen Moment in Geländewagen gestiegen und fortgefahren, sagte der 17-jährige Leibwächter. Sein Vorgesetzter habe dann gesagt: "Sie fahren nach Sabha" - eine Wüstenstadt.

Der Rebellenvormarsch auf Sirte, die Geburtsstadt Gaddafis, kommt derweil nur langsam voran. Nach Einschätzung der militärischen Führung könnte es noch zehn Tage dauern, bis die Rebelleneinheiten Sirte erreicht haben.

© sueddeutsche.de/dpa/AFP/Reuters/segi - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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