Krieg in Libyen:Rebellen auf dem Vormarsch

Unterstützt von Nato-Luftangriffen kommen die libyschen Rebellen Tripolis immer näher. Um die Residenz von Machthaber Muammar al-Gaddafi im Zentrum der Hauptstadt waren mehrere Explosionen zu hören. Der US-Sender NBC berichtet, Gaddafi plane bereits seine Flucht.

Die Nato hat in der Nacht zum Freitag mehrere Luftangriffe auf die libysche Hauptstadt Tripolis geflogen. Um die Residenz von Machthaber Muammar al-Gaddafi im Zentrum der Stadt waren mehrere Explosionen zu hören. Auch aus dem Westen der Hauptstadt wurden von Bewohnern Luftangriffe berichtet.

Krieg in Libyen: Die Aufständischen gewinnen Land: Ein Kämpfer der Rebellen in der Stadt Sabratha, 80 Kilometer westlich von Tripolis.

Die Aufständischen gewinnen Land: Ein Kämpfer der Rebellen in der Stadt Sabratha, 80 Kilometer westlich von Tripolis.

(Foto: AP)

Bei einem der Angriffe auf die Hauptstadt Tripolis wurde nach Angaben der Nato der Geheimdienstchef Abdullah Senussi getötet. Ein Sprecher des Bündnisses in Neapel bestätigte zunächst den Tod des Geheimdienstchefs, eines Schwagers von Gaddafi. Am späten Abend jedoch war Senussis Tod unklar und wurde dementiert.

Die Nato hat nach eigenen Angaben eine Kommandozentrale in der libyschen Hauptstadt Tripolis bombardiert. "Wir wissen von Berichten, die darauf hinweisen, dass das Gebäude das Haus von Abdullah Senussi war", sagte ein Sprecher des Bündnisses in Neapel. Ob es Opfer gegeben habe könne man bislang nicht sagen.

Der Internationale Strafgerichtshof in Den Haag hatte kürzlich gegen Senussi, Gaddafi und dessen Sohn Saif al-Islam Haftbefehle wegen Verdachts auf schwere Kriegsverbrechen ausgestellt.

Bereits in den vergangenen Tagen hatte die Nato ihre Luftangriffe auf Tripolis verstärkt. Damit will sie den Vormarsch der Rebellen unterstützen, die nur noch etwa 40 Kilometer von der Hauptstadt entfernt sind.

Die Aufständischen erzielten im Westen des Landes weitere Geländegewinne. Am Donnerstag brachten sie eine Raffinierie in der Stadt Sawijah unter ihrer Kontrolle, wie der Kommandeur der Rebellen sagte. Die Raffinerie ist die einzige im Westen Libyens. Sie ist 60 Hektar groß und von strategischer Bedeutung für die Versorgung der HauptstadtTripolis. Im Südwesten des Landes konnten die Aufständischen die Stadt Morsurk einnehmen. Morsurk gilt als bedeutender Verkehrsknotenpunkt auf dem Weg in die Südsahara.

Der libysche Regierungschef Baghdadi al-Mahmudi bestritt die Einnahme des Raffineriegeländes, schlug aber gleichzeitig einen sofortigen Waffenstillstand vor: "Wir sind bereit, den Dialog umgehend zu beginnen, um diese Krise sofort beizulegen". Die Zukunft von Gadaffi stehe jedoch nicht zur Verhandlung.

Der Präsident des Nationalen Übergangsrats Mustafa Abdul Dschalil forderte jedoch genau das ein: Bevor Gespräche stattfinden könnten, müsse Gadaffi zurücktreten. Der Anführer der Rebellen sagte der arabischen Zeitung Ashark el Awsat, er fürchte ansonsten ein "wahres Gemetzel" bei einer möglichen Einnahme Tripolis'. Er hoffe, das Ende des Fastenmonats Ramadan, am 30 August, in Tripolis zu feiern.

Wird Gaddafi fliehen? Wenn ja, wohin?

Diese Hoffnung nährt auch eine Meldung des NBC, derzufolge Gaddafi bereits seine Flucht plane. Unter Berufung auf ungenannte Beamte der US-Regierung berichtet der US-Fernsehsenders, Gaddafi suche ein sicheres Exil in Tunesien.

NBC unterstrich in seinem Bericht jedoch, dass die Informationen noch vage seien. Offenbar denke Gaddafi, dass ihm das nordafrikanische Nachbarland eine sichere Zuflucht bieten werde, berichtete NBC unter Berufung auf Beamte der US-Regierung.

Zuvor waren Berichte gestreut worden, nach denen Gaddafi nach Südafrika oder in andere Länder fliehen wolle, wie von der arabische Zeitung Al-Sharq Al-Awsat. Vor wenigen Tagen war das Gerücht kursiert, Gaddafi habe bereits den südafrikanischen Präsidenten Jacob Zuma gebeten, ihn und seine Familie aufzunehmen.

Gaddafis Büroleiter, Baschir Salih, habe bei seinen jüngsten Gesprächen in Mauretanien, Mali und Tunesien erklärt, sein Chef sei krank und wolle das Land verlassen, um sich medizinisch behandeln zu lassen.

Flucht der Zivilsten über See

Die den UN nahestehende Hilfsorganisation IOM kündigte in Genf an, sie wolle in den kommenden Tagen Tausende Menschen aus Tripolis in Sicherheit bringen. Dort warten Ägypter und andere Ausländer auf ihre Ausreise.

Die Straße zur tunesischen Grenze, über die bereits 10.000 Ausländer geflüchtet sind, ist wegen der Kämpfe zwischen Rebellen und Regierungstruppen derzeit unsicher. Die Evakuierung müsse daher in einem kurzen Zeitfenster vermutlich über dem Seeweg geschehen.

Etwa 600.000 Ausländer, viele von ihnen Gastarbeiter aus Schwarzafrika, sollen bereits geflohen sein.

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