Krieg in Libyen:Preis der Zurückhaltung

Das Gaddafi-Regime erweist sich als kaum zu bezwingender Gegner, die Rebellen in Libyen sind militärisch und organisatorisch überfordert. Jetzt dringen sie darauf, dass der Westen Bodentruppen entsendet. Diese könnten den Krieg vermutlich rasch entscheiden - aber es wäre ein historischer Fehler.

Cathrin Kahlweit

In der Nacht zum Mittwoch hätte der UN-Sicherheitsrat sich besorgt über die Krise im Jemen äußern sollen. Aber die 15 Mitglieder konnten sich nicht einmal auf eine wachsweiche Erklärung einigen - mutmaßlich, weil Russen und Chinesen es nicht mochten, dass in dem Text auf das "legitime Anliegen des jemenitischen Volkes" verwiesen wird. Der Sicherheitsrat ist da, wo er immer war: uneins und an Partikularinteressen orientiert.

Libya unrest  Ajdabiya

Die Resolution des UN-Sicherheitsrates für Libyen deckt alle Maßnahmen zum Schutz der Zivilbevölkerung ab, Bodentruppen jedoch ausdrücklich nicht. Angesichts der zusehens aussichtslosen Lage der Rebellen, die dem Gaddafi-Regime kaum etwas entgegenzusetzen haben, gibt es allerdings Forderungen danach, das UN-Mandat zu erweitern.

(Foto: dpa)

Das war vor wenigen Wochen anders, als das Gremium sich auf die Resolution 1973 und damit auf den Schutz von Zivilisten durch Luftschläge einigte. Seither sind fünf Wochen vergangen, und weil Muammar al-Gaddafi nicht wankt, weil die militärische Lage zusehends aussichtsloser wird, fordern die Rebellen nunmehr verzweifelt die Entsendung von Bodentruppen.

Alles hat die damalige Resolution erlaubt, "alle notwendigen Maßnahmen", ausgeschlossen wurden nur Besatzungstruppen. Die Resolution entsprach dem Prinzip Hoffnung: Man hoffte, Hilfe aus der Luft würde reichen und die Rebellen vorantragen, man hoffte, Westen und Arabische Liga gemeinsam könnten mit geringem Aufwand Geschichte schreiben. Und man wollte sich nicht in einen Krieg hineinziehen lassen, für den es keine Exitstrategie gab, weil die Weltgemeinschaft sich nicht auf einen Sturz des Diktators geeinigt hatte. Bodentruppen, die mancher schon damals für nötig hielt, waren allerdings nicht vorgesehen. Sollten einzelne Mitglieder des Sicherheitsrats das Mandat derart ausdehnen, dürfte es heftige Gegenwehr geben. Schon die Resolution 1973 kam nur zustande, weil sie eben kein Mandat zum Einmarsch enthielt.

Mittlerweile allerdings ist die Frustration mit Händen zu greifen. Die Rebellen sind militärisch und organisatorisch überfordert, Gaddafi erweist sich als grausamer Gegner. Die internationale Gemeinschaft macht kleine Schritte als Ersatz für große Lösungen: Die Regierungen in London, Paris und Rom schicken Militärberater, aber - wie die New York Times in einem Abgesang auf die Revolte schreibt - "für welches Militär"? Qatar und Washington liefern Waffen, doch keiner weiß, in wessen Hände die geraten und ob sie nicht eines Tages gegen die Alliierten eingesetzt werden. Die Nato bombardiert und wartet darauf, dass anderswo Lösungen formuliert werden.

Dieser Militäreinsatz könnte am Boden vermutlich entschieden werden. Aber es wäre ein historischer Fehler, wenn europäische Truppen als vermeintliche Heilsbringer auf arabischer Erde mit unklarem Ausgang für weitgehend unbekannte Partner in den Krieg ziehen würden. Ehrlicher, wenn auch bitter ist es, weiter Hilfe zu leisten, wo das geht: humanitär, diplomatisch, mit massivem politischen Druck, aber im Rahmen des bestehenden Konsenses. Der politische Schaden in Libyen und Nahost wird groß sein. Aber nicht so groß wie ein Nato-Krieg auf arabischem Boden oder gar ein Militäreinsatz des Westens ohne entsprechendes Mandat.

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