Krieg in Libyen:Nato-Flugzeuge bombardieren Munitionsdepots

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Die Koalition nimmt Stellungen von Gaddafi ins Visier und fliegt Angriffe auf libysche Munitionslager. Heute kommen die Nato-Außenminister in Berlin zusammen - unter anderem werden sie über den Einsatz von Bodentruppen in Libyen beraten. Derweil meldet US-Außenministerin Clinton neue Gräueltaten von Gaddafis Soldaten in Misrata.

Flugzeuge der Nato haben ihre Angriffe auf Stellungen von Truppen des libyschen Machthabers Muammar el Gaddafi fortgesetzt. Nach Angaben einer Nato-Sprecherin in Brüssel nahmen Kampfjets Munitionslager im Westen Libyens ins Visier. Der Luftangriff galt den Angaben zufolge Bunkern mit Munition etwa 13 Kilometer südöstlich der Stadt El Asisija etwa 50 Kilometer von der libyschen Hauptstadt Tripolis entfernt.

Kampfjets über Libyen: An diesem Donnerstag kommen die Nato-Außenminister in Berlin zusammen, um über die künftige Strategie zu beraten. (Foto: AP)

Zuvor hatten Reporter der Nachrichtenagentur AFP aus Tripolis von zwei lauten Explosionen berichtet, die in mehreren Vierteln der Hauptstadt zu hören gewesen seien. Woher die Explosionen stammten, war zunächst nicht klar. Die libysche Regierung warf Katar vor, es habe die Rebellen mit Panzerabwehrraketen beliefert.

Vize-Außenminister Chaled Kaim sagte, Katar habe den Aufständischen in der östlichen Stadt Bengasi französische Milan-Raketen zur Verfügung gestellt. Zudem trainierten katarische Experten vor Ort die Rebellen in der etwa 1000 Kilometer östlich von Tripolis gelegenen Stadt. Katar und Frankreich beteiligen sich an dem internationalen Militäreinsatz unter Führung der Nato in Libyen.

Nato-Außenmininster treffen sich in Berlin

An diesem Donnerstag treffen sich die Nato-Außenminister in Berlin, um über die künftige Strategie gegen Gaddafi zu beraten. Teil der Beratungen ist nach einem Bericht der Berliner Zeitung der Einsatz von Bodentruppen, um Hilfseinsätze abzusichern. Allerdings könne die Nato erst auf Anforderung der UN tätig werden.

Nach Einschätzung des ehemaligen Bundeswehr-Generalinspekteurs Harald Kujat ist der Libyen-Einsatz ohne Bodentruppen nicht lösbar. "Die Nato befindet sich in einem Dilemma, aus dem sie nur schwer wieder herauskommen wird. Man kann Entscheidungen auf dem Boden nicht durch Angriffe aus der Luft herbeiführen", sagte der frühere Vorsitzende des Nato-Militärausschusses am Donnerstag dem Bayerischen Rundfunk.

"Wenn man keine Bodentruppen einsetzen möchte, dann wird man um ein politisches Engagement in Libyen nicht herumkommen." Die Frage sei dann nur, ob sich Gaddafi "zu einer politischen Lösung bequemen wird, wenn er nicht zuvor militärisch besiegt worden ist." Die jetzige Art der Kriegführung sei deshalb nicht das richtige Instrument, um Gaddafi zu stürzen.

In der Nato herrscht derzeit offener Streit über die Frage, ob die Militärschläge gegen den libyschen Machthaber erhöht werden sollen: Am Vorabend bekräftigten der französische Präsident Nicolas Sarkozy und der britische Premierminister David Cameron ihre Haltung, wonach der "militärische Druck" auf Libyens Machthaber Muammar el Gaddafi erhöht werden müsse.

"Alle Mittel müssen zur Verfügung gestellt werden", erklärte der Elysée-Palast nach den Beratungen der beiden Regierungschefs in Paris. Aus französischen Quellen hieß es weiter, die Koalition müsse ihre "absolute Entschlossenheit" zum Schutz der Zivilbevölkerung und zur Beendigung der "mittelalterlichen Belagerungen" der Städte Misrata und Sintan zeigen.

Umstritten ist zudem eine mögliche Bewaffnung der Rebellen: Beim Treffen der Libyen-Kontaktgruppe am Vortag ist eine solche Forderung laut geworden. Neben Italien sprach sich auch das Emirat Katar für einen solchen Schritt aus. Frankreich hingegen plant derzeit nicht, die Rebellen mit Waffen zu versorgen. Für einen solchen Schritt gebe es derzeit keinen Anlass, so Sarkozy.

US-Außenministerin Hillary Clinton verurteilte die fortdauernden Angriffe der Gaddafi-Truppen auf Zivilisten. Die "brutalen Attacken" verstießen gegen die UN-Resolution 1973, die ein Ende solcher Angriffe auf Zivilisten fordere, erklärte Clinton, die am frühen Donnerstagmorgen in Berlin eintraf.

Washington habe "verstörende" Berichte erhalten, wonach Gaddafis Truppen Wohngebiete in der Stadt Misrata mit Mörsergranaten angriffen und die Wasser- und Stromversorgung gekappt hätten. Zivilisten auf der Suche nach medizinischer Hilfe würden von Scharfschützen beschossen, sagte Clinton. Angeblich hätten Gaddafis Soldaten auch ein wichtiges Lebensmittellager zerstört. Das Regime versuche, die Stadt auszuhungern.

Außenminister Guido Westerwelle (FDP) verteidigte derweil die Bereitschaft der Bundesregierung, Hilfslieferungen nach Libyen möglicherweise durch Bundeswehrsoldaten militärisch zu schützen. Das sei kein Widerspruch zur deutschen Haltung, sich von dem Nato-Einsatz in dem Land fernzuhalten, sagte Westerwelle der Frankfurter Rundschau. "Die militärische Absicherung einer humanitären Hilfslieferung zum Beispiel auf dem Mittelmeer ist etwas völlig anderes als die Beteiligung an einem Kriegseinsatz. Humanitäre Hilfe ist neutral, sie schaut nur auf Opfer."

Libyen-Kontaktgruppe beharrt auf Gaddafis Rücktritt

Die neu gegründete internationale Libyen-Kontaktgruppe hatte Gaddafi am Mittwoch aufgefordert, mit einem sofortigen Waffenstillstand und seinem Rücktritt den Weg für einen Dialog freizumachen. Nato-Generalsekretär Anders Fogh Rasmussen sagte in Katars Hauptstadt Doha, von der Kontaktgruppe gehe eine klare Botschaft an Gaddafi aus: "Das Spiel ist aus. Das gegenwärtige libysche Regime hat keine Zukunft." Er plädierte für einen "politischen Prozess".

"Es ist offensichtlich, dass es keine militärische Lösung gibt." Am ersten Treffen der Kontaktgruppe nahmen die Vertreter von mehr als 20 Staaten und internationalen Organisationen teil, darunter auch UN-Generalsekretär Ban Ki Moon.

Die Kontaktgruppe sprach sich in ihrer Schlusserklärung zudem dafür aus, die Opposition auch materiell zu unterstützen. Unter anderen wolle sie die Einrichtung eines Fonds zur Unterstützung der Rebellen zu prüfen. Darin könnte Geld aus Öl-Einnahmen aus den Rebellengebieten sowie dem eingefrorenen Milliardenvermögen des Gaddafi-Regimes einfließen. Aus Kreisen der amerikanischen Delegation verlautete allerdings, die Länder hätten verschiedene Ansichten, was diese "materielle Unterstützung" beinhalte.

"Brics-Staaten" gegen Militäreinsatz

Die Staats- und Regierungschefs der fünf führenden Schwellenländer haben den internationalen Militäreinsatz in Libyen kritisiert. "Wir teilen den Grundsatz, dass der Einsatz von Gewalt vermieden werden sollte", erklärten die sogenannten Brics-Staaten Brasilien, Russland, Indien, China und Südafrika bei ihrem Gipfeltreffen am Donnerstag im südchinesischen Sanya (Hainan). Die aufstrebenden Wirtschaftsmächte zeigten sich "tief besorgt über die Turbulenzen" im Nahen Osten, Nord- und Westafrika und forderten diplomatische Lösungen.

Chinas Staats- und Parteichef Hu Jintao, Russlands Präsident Dmitri Medwedew, Indiens Ministerpräsident Manmohan Singh, Brasiliens Präsidentin Dilma Rousseff und Südafrikas Präsident Jacob Zuma stellten sich hinter die afrikanischen Vermittlungsbemühungen im Libyenkonflikt. Sie sicherten dem UN-Sicherheitsrat ihre Kooperation zu. Zuma hatte die anderen Brics-Führer auf dem Gipfel über seine Versuche einer Beilegung des Konflikts in Libyen unterrichtet.

© dpa/AFP/Reuters/dapd/hai - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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