Die Zweifel am Erfolg des Nato-Militäreinsatzes in Libyen nehmen zu. Nato-Generalsekretär Anders Fogh Rasmussen hält die Militäroperation des atlantischen Bündnisses in Libyen nicht für ausreichend, um dem Land den Frieden zu bringen.
"Die ehrliche Antwort lautet: Für diesen Konflikt gibt es keine militärische Lösung", sagte Rasmussen dem Nachrichtenmagazin Spiegel. Die Nato-Lufteinsätze seien teilweise durch schlechtes Wetter behindert worden. Zudem habe Machthaber Muammar al-Gaddafi seine Taktik geändert. "Es zeigt die ungeheure Brutalität des Regimes, dass es Menschen als Schutzschilde benutzt", sagte Rasmussen.
Kampfflugzeuge der Nato zerstörten Munitionslager und zahlreiche Panzerfahrzeuge der Regierung Gaddafis. Dies teilte der Kommandeur des internationalen Militäreinsatzes in Libyen, der kanadische General Charles Bouchard, am Samstagabend in seinem Hauptquartier in Neapel mit.
Zudem gab es Berichte über Geländegewinne der Gaddafi-Truppen. Adschdabiya könnte wieder in die Hände des Diktators fallen, hieß es. Nach Angaben des arabischen Nachrichtensenders Al-Dschasira beschossen Gaddafi-Soldaten die Stadt aus drei Himmelsrichtungen.
Um der notleidenden Zivilbevölkerung zu helfen, bereitet sich die Europäische Union darauf vor, humanitäre Einsätze zu leisten und diese mit Soldaten zu schützen. Dabei soll die Bundeswehr mitmachen. Doch in Deutschland werden Warnungen vor den Risiken eines solchen Bundeswehreinsatzes laut. Die SPD befürchtet, dass humanitäre Einsätze nicht ohne Soldaten am Boden abgesichert werden können. Eine Beteiligung an einer sogenannten humanitären Eingreiftruppe der EU könne durchaus bedeuten, dass man auch an Land gehen müsse, sagte der SPD-Fraktionsvize Gernot Erler im Deutschlandradio Kultur. Der frühere Bundeswehr-Generalinspekteur Harald Kujat sagte der Mitteldeutschen Zeitung, in diesem Fall wäre es "bloß noch ein kleiner Schritt, bis man tatsächlich in Kampfhandlungen verwickelt ist".
Bundesregierung will libyschen Botschafter ausweisen
Die EU-Außenbeauftragte Catherine Ashton erklärte in einem Brief an UN-Generalsekretär Ban Ki Moon "die Bereitschaft der EU zum Handeln". Voraussetzung ist eine entsprechende Bitte des UN-Büros für humanitäre Angelegenheiten (OCHA). Danach muss die EU den Einsatz formell beschließen. Im Gespräch ist unter anderem ein Hilfseinsatz für die Menschen in der heftig umkämpften Küstenstadt Misurata, östlich von Tripolis.
Ob der EU-Beschluss noch so rechtzeitig kommt, dass kommende Woche schon der Bundestag über die Beteiligung der Bundeswehr entscheiden kann, ist fraglich. Ein Kabinettsbeschluss am Mittwoch sei "unwahrscheinlich", hieß es im Auswärtigen Amt. In diesem Fall dürfte eine Sondersitzung des Parlaments notwendig werden, da die nächste reguläre Sitzung des Bundestages wegen der Osterpause erst in der zweiten Mai-Woche stattfindet. Für den Libyen-Einsatz der Bundeswehr zeichnet sich im Bundestag eine breite Mehrheit ab. Neben den Koalitionsfraktionen haben auch SPD und Grüne Zustimmung signalisiert.
Der Hilfseinsatz lässt wohl noch auf sich warten, doch auf diplomatischer Ebene scheint die Bundesregierung konkrete Maßnahmen zu ergreifen: Sie will den libyschen Botschafter in Berlin, Jamal Ali Omar El-Baraq, und fünf weitere Diplomaten offenbar ausweisen. Sie sollen libysche Dissidenten, die in Deutschland leben, ausgespäht haben. Das Auswärtige Amt habe die Initiative für den diplomatischen Schritt ergriffen, berichtet der Focus weiter.
Die Kampfhandlungen zwischen libyscher Armee und Rebellen dauern indes an: In der belagerten Hafenstadt Misrata sollen mindestens 30 Aufständische getötet worden sein. Ein Rebellensprecher teilte mit, die Truppen von Machthaber Gaddafi hätten drei verschiedene Teile der Stadt angegriffen, seien dann aber zurückgeschlagen worden. Unterstützung erhielten die Rebellen durch die Nato die ihre Luftangriffe auf Gaddafis Truppen verstärkt habe.
Nato-Flugzeuge zerstörten am Freitag und Samstag insgesamt 17 Panzer der Regierungstruppen, die meisten davon in Misrata, wie ein Vertreter des Bündnisses mitteilte. In den vergangenen Tagen hatten die Rebellen der Nato noch mangelnde Unterstützung vorgeworfen. Misrata wird seit Wochen von den Regierungstruppen belagert. Am Samstag legte ein Schiff des Roten Kreuzes mit Hilfsgütern im Hafen der Stadt an.