Süddeutsche Zeitung

Krieg in Libyen:Misrata unter Beschuss - Rebellen melden viele Tote

In Misrata könnte es nach Angaben der libyschen Rebellen zu einem Massaker kommen: Gaddafis Truppen haben die westlibysche Stadt erneut unter Raketenbeschuss genommen. Unterdessen fliegt die Nato offenbar Luftangriffe auf Tripolis. Das Regime in der Hauptstadt beschuldigt Katar, die Aufständischen mit modernen Waffen zu versorgen.

In der westlibyschen Stadt Misrata droht nach Darstellung der Rebellen ein Massaker, wenn die Nato ihre Angriffe auf die Truppen von Machthaber Muammar al-Gaddafi nicht ausweitet. Durch Raketenbeschuss der Regierungstruppen seien bis zu 23 Menschen getötet worden, sagte ein Rebellensprecher der Nachrichtenagentur Reuters. In anderen Agenturberichten war die Rede von mindestens 13 Toten. Etwa 50 Menschen seien verletzt worden.

Gaddafis Truppen hätten vom Morgen an Dutzende Raketen und Panzergranaten auf den Hafen der von den Rebellen kontrollierten Stadt und auf ein angrenzendes Viertel abgefeuert. Auch Panzer seien eingesetzt worden. Unter den Toten seien Frauen, Kinder und vier Ägypter, die am Hafen auf ihre Ausreise gewartet hätten.

Die Regierungstruppen gehen nach eigenen Angaben in der Stadt gegen Milizen vor, die Beziehungen zur Extremistenorganisation al-Qaida unterhalten. Misrata ist die letzte von Aufständischen im Westen Libyens gehaltene Stadt. Die jeweiligen Angaben können kaum überprüft werden, da die Arbeit der Journalisten dort eingeschränkt ist.

Während die Gaddafi-Truppen in Misrata Angst und Schrecken verbreiten, haben die Alliierten am Donnerstag die libysche Hauptstadt Tripolis unter Beschuss genommen. Mehrere Flugzeuge hätten die Stadt überflogen, im Bereich der Residenz von Machthaber Gaddafi in Bab el Asisija sei eine schwere Explosion zu hören gewesen, heißt es in einem Bericht der Nachrichtenagentur AFP. Der staatliche libysche TV-Sender al-Libiya meldete, bei dem Luftangriff habe es auch zivile Opfer gegeben. Die Regierung lanciert immer wieder Meldungen über zivile Opfer durch die Nato-Angriffe.

Gaddafi: Katar rüstet Rebellen auf

Das Gaddafi-Regime beschuldigt das Golfemirat Katar, die Aufständischen in Libyen für den Kampf gegen die Regierungstruppen mit modernen Waffen ausgestattet zu haben. So sollen die Rebellen in Bengasi moderne Panzerabwehrwaffen erhalten haben. Die Katarer hätten nicht nur Raketen des Typs "Milan" geliefert, sondern auch Militärberater nach Ost-Libyen geschickt, sagte Vize-Außenminister Chalid al-Koeim. Aus Katar gab es zunächst keine Stellungnahme zu den Behauptungen.

Bei der internationalen Libyen-Konferenz in Kairo hat UN-Generalsekretär Ban Ki Moon seine Forderung nach einem sofortigen Waffenstillstand bekräftigt: "Wir wiederholen unseren Appell für einen sofortigen Waffenstillstand." Er rufe dazu auf, einen "politischen Prozess" zu ermöglichen, "damit das libysche Volk seine Hoffnungen verwirklichen kann", sagte Ban bei einer internationalen Libyen-Konferenz in Kairo.

EU-Außenministerin Catherine Ashton, die ebenfalls an dem Treffen teilnimmt, sagte, die Europäische Union wolle, dass Gaddafi "sofort" abtrete. An dem von der UNO mitorganisierten Treffen nehmen auch Vertreter der Arabischen Liga, der Afrikanischen Union (AU) und der Organisation der Islamischen Konferenz teil.

Ähnlich wie Ashton äußerten sich Kanzlerin Angela Merkel (CDU) und US-Außenministerin Hillary Clinton: Es müsse erreicht werden, dass "Gaddafi nicht mehr der Herrscher Libyens ist", sagte Merkel bei einem Treffen mit Clinton am Rande des Nato-Außenministertreffens in Berlin. Gaddafi müsse zurücktreten und der "freiheitlichen Entwicklung in seinem Land Raum" geben.

Nato fordert Rückzug der Gaddafi-Truppen

Die Außenminister der 28 Nato-Staaten fordern Gaddafi auf, seine Soldaten wieder in die Kasernen zurückzubeordern. Dies sei unerlässlich, um einen wirklichen und kontrollierbaren Waffenstillstand zwischen Regierung und Rebellen zu vereinbaren. Nach Angaben von Diplomaten waren sich die Minister bei ihrem Treffen in Berlin über diese Forderung einig. Sie wollten eine gemeinsame Erklärung zu Libyen beschließen. Die Sanktionen gegen das Gaddafi-Regime sollten strikt angewendet werden, hieß es. Damit werde der Nachschub für die libysche Regierung ausgetrocknet. Dem Vernehmen nach herrschte in der Ministerrunde weitgehende Einigkeit darüber, dass die internationale Gemeinschaft sich auf einen längeren Konflikt mit Gaddafi einrichten müsse.

Im Vorfeld hatte Nato-Generalsekretär Anders Fogh Rasmussen den Militäreinsatz in Libyen gegen Kritik aus dem Bündnis verteidigt. "Die Streitkräfte der Nato und unserer Partner ergreifen jede nur mögliche Maßnahme, um die brutalen und systematischen Angriffe von Gaddafi zu verhindern", sagte Rasmussen. Frankreich, aber auch Großbritannien, hatten durch ihre Außenminister vor dem Treffen kritisiert, das Bündnis tue "nicht genug" gegen die Gaddafi-Truppen und müssen den Kampf "intensivieren".

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