Süddeutsche Zeitung

Krieg in Libyen:Gaddafi will kämpfen - bis zum Sieg oder Tod

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Seine Residenz in Tripolis hat Gaddafi an die Rebellen verloren. Doch in einer Audiobotschaft gibt sich der Diktator immer noch kämpferisch. Bab al-Asisija habe er aus taktischen Gründen aufgegeben, er selbst wolle bis zum "Märtyrertod oder Sieg" kämpfen. Sein Sprecher droht den Rebellen sogar mit einem jahrelangen Krieg um Tripolis. Tausende Gaddafi-Getreue seien in der Nacht in die Hauptstadt eingerückt.

Die Menschen in der Hauptstadt feiern. Mit Gejohle und Freudenschüssen. Sie feiern in Tripolis bereits den Beginn einer neuen Ära. In der gestürmten Residenz reißen Kämpfer den Kopf einer Gaddafi-Statue ab und treten auf ihn ein, plündern die Waffenlager auf dem Gelände. Auch in den Straßen der Rebellen-Hochburg Bengasi wird gefeiert. Doch mitten in der Nacht meldete sich plötzlich der verhasste Diktator zu Wort.

Auch nach der Einnahme seiner Residenz durch die Aufständischen will Muammar al-Gaddafi weiter kämpfen, bis zum "Märtyrertod oder Sieg". Wie die britische BBC meldete, habe dies der Gaddafi-treue Sender al-Urubah in der Nacht zum Mittwoch unter Berufung auf eine Audiobotschaft des bedrängten Machthabers berichtet.

Die Rebellen hatten zuvor am Dienstag seine Residenz Bab al-Asisija in Tripolis eingenommen und damit einen wichtigen Etappensieg errungen. Wo sich Gaddafi aufhält, ist nicht bekannt.

Unterdessen rief die Übergangsregierung die Libyer zur Einheit auf. "Wir müssen uns jetzt auf den Wiederaufbau konzentrieren und darauf, die Wunden zu heilen", sagte Interims-Premier Mahmud Dschibril in einer am Dienstagabend vom arabischen Nachrichtensender al-Dschasira aus Doha übertragenen Pressekonferenz. Er versicherte, dass die Sicherheit in Tripolis und im ganzen Land wiederhergestellt werden würde. "Die Übergangsperiode hat jetzt begonnen."

Wie der Sprecher des Übergangsrats, Mahmud Shammam, dem US-Sender CNN sagte, wollte ein Teil der Minister der Übergangsregierung bereits am Mittwoch von der Aufständischenhochburg Bengasi in die Hauptstadt umziehen. "Die Hälfte der Regierung wird morgen in Tripolis sein", sagte er und nannte die Minister für Öl und Kommunikation sowie für das Innen-, das Verteidigungs- und das Gesundheitsressort. "Sie werden sich sofort an die Arbeit machen."

Nach erbitterten Kämpfen hatten die Aufständischen am Dienstag die Residenz Gaddafis erobert. Dschibril appellierte an die Verantwortung der Kämpfer. Gefangene sollten fair und nach den Regeln der Genfer Konvention behandelt werden.

Gaddafi bezeichnete die Aufgabe der Residenz den Berichten zufolge als "taktisches Manöver". Die Anlage sei bereits durch 64 Nato-Luftangriffe in den vergangenen Monaten zerstört worden, habe er in der Audiobotschaft gesagt. Auch sein Regierungssprecher Mussa Ibrahim sprach von einem kontrollierten Rückzug aus der Residenz, da sie keinem "militärischem oder strategischem Zweck" mehr gedient habe.

Wie die BBC weiter berichtete, drohte Ibrahim in dem Telefoninterview mit al-Urubah TV zugleich, Libyen in einen "brennenden Vulkan" zu verwandeln. Man werde den Eindringlingen "Feuer unter den Füßen" machen. 6500 Freiwillige seien in der Nacht nach Tripolis eingerückt und hätten sich in der ganzen Stadt verteilt. Tausende weitere würden außerhalb der Stadt auf ihren Einsatz im Kampf warten. Nach wie vor befänden sich 80 Prozent der Hauptstadt unter Kontrolle des Gaddafi-Regimes, behauptete Ibrahim.

Nach Berichten einer BBC-Korrespondentin kam es auch in der Nacht zum Mittwoch in Tripolis immer wieder zu Kämpfen zwischen Aufständischen und Regierungstruppen, teilweise auch noch in der Gaddafi-Residenz. Wie der arabische Nachrichtensender al-Dschasira berichtete, griffen Regierungstruppen außerdem die Aufständischen-Hochburg Misrata in der Nacht mit Raketen an.

Das habe der Militärrat der Rebellen in der Küstenstadt rund 200 Kilometer östlich von Tripolis mitgeteilt. Die Scud-Raketen seien aus Sirte, der Heimatstadt Gaddafis, abgefeuert worden, hieß es. In Misrata habe es mehrere laute Explosionen gegeben. Berichte über Schäden oder Opfer gab es zunächst nicht.

Unterdessen kündigte die sandinistische Regierung Nicaraguas an, Gaddafi Asyl zu gewähren, falls dieser dies wünsche. "Wenn jemand uns um Asyl bitten würde, hätten wir dem positiv Rechnung zu tragen", sagte Bayardo Arce, einer der engsten Mitarbeiter des sandinistischen - linken - Präsidenten Daniel Ortega, am Dienstag vor der Presse in Managua. Er schloss allerdings aus, dass Gaddafi wirklich in Nicaragua Zuflucht suchen wolle. Ortega hatte seinem langjährigen Alliierten in der aktuellen Krise mehrfach Hilfe und Solidarität zugesagt.

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