Krieg in Libyen:Gaddafi umgeht Sanktionen durch Benzinschmuggel

Dem libyschen Diktator gelingt es offenbar, die internationalen Sanktionen zu umgehen - Gaddafi schmuggelt Benzin über Tunesien ins Land. Um Misrata wird weiter gekämpft, doch es gibt Hoffnung für die Menschen in der Stadt.

Libyens Machthaber Muammar al-Gaddafi hat es offenbar geschafft, internationale Sanktionen zu umgehen und schmuggelt Benzin über Tunesien ins Land. Gaddafis Gefolgsleute bemühten sich über den tunesischen Hafen La Schira und die bislang in der Branche eher unbekannte in Hongkong ansässige Firma Champlink um Benzin, sagte eine mit den Vorgängen vertraute Person.

Rebel fighters scramble for cover inside a building on the frontline in Tripoli Street in central Misrata

Rebellen versuchen in Misrata, die Truppen Gaddafis zurückzuschlagen.

(Foto: REUTERS)

Ölhändler berichteten, dass sie diesbezüglich auch von anderen Firmen kontaktiert wurden. Per Fax, das Reuters vorliegt, ist Champlink mit einer "dringenden Bitte" an Handelsfirmen herangetreten. "Wir sind von Endabnehmern in Libyen beauftragt worden und suchen nach Transportmöglichkeiten für Benzin", hieß es darin.

Die Fracht solle entweder direkt in den nahe der libyschen Hauptstadt Tripolis gelegenen Hafen Sawija gebracht werden oder ins tunesische La Schira, um von dort weiter verschifft zu werden.

Dem Fax zufolge stünden weder das Frachtgut noch die Endabnehmer auf der internationalen Sanktionsliste. UN-Diplomaten zufolge könnten die Bemühungen Gaddafis an Benzin zu kommen, aber sehr wohl die Sanktionsbestimmungen verletzten. Jegliche Transaktion mit der staatlichen Ölfirma National Oil (NOC) ist demzufolge untersagt. "Wir gehen davon aus, dass NOC auf irgendeiner Ebene involviert ist", sagte ein UN-Diplomat.

Dem Beschluss des UN-Sicherheitsrates zufolge ist es Libyen untersagt, Öl oder Benzin zu importieren oder zu exportieren. Es ist aber illegal, über die NOC zu handeln. In dem Fax, datiert vom 1. April, bittet Champlink um Lieferungen von 25.000 Tonnen Benzin alle zwei Wochen über die nächsten sechs Monate. Champlink-Manager Bhagoo Hathey, der das Fax unterzeichnete, bestätigte auf Reuters-Anfrage in der vergangenen Woche per E-mail, dass eine Lieferung von 40.000 Tonnen Anfang des Monats in La Schira angekommen ist. Er nannte aber weder den Namen des Lieferanten noch gab er Auskunft darüber, ob das Benzin nach Libyen weitergeleitet wurde. In einer späteren E-mail wusste er davon nichts mehr.

Auch ein anderes von Reuters eingesehenes Dokument legt nahe, dass Gaddafi sich auf illegalen Umwegen Benzin besorgt. Eine Firma namens Afrimar Tunisia verschickte am 12. April eine Anfrage an Reedereien. Man suche ein Schiff mit der Kapazität für 40.000 Tonnen Benzin von der Türkei nach La Schira. Dort stünde ein anderes Schiff zu Übernahme der Ladung bereit. Der Internetseite zufolge hat das Unternehmen eine Niederlassung in Tripolis. Es ist aber nicht bekannt, ob Schiffsladungen von Afrimar Libyen erreicht haben. Auf E-mail-Anfragen antwortete Afrimar nicht und war auch am Mittwoch für eine Stellungnahme nicht zu erreichen.

Die Sanktionen für libysche Firmen hat sowohl die Gaddafi-Regierung als auch die Rebellen getroffen. Beide Seiten sind für ihren Kampf auf Benzin angewiesen. Lieferungen in den von Rebellen kontrollierten Osten wurden aber teilweise wieder aufgenommen.

Die Gefechte in der libyschern Rebellen-Enklave Misrata halten unterdessen weiter an. Einheiten Gaddafis beschossen die Stadt Aufständischen zufolge erneut mit Granaten. Dabei seien mindestens drei Rebellen getötet und 17 weitere verletzt worden, sagte ein Sprecher der Rebellen. Um die seit Wochen von Gaddafis Soldaten eingekesselte Küstenstadt im Westen Libyens tobt eine erbitterte Schlacht.

Menschenrechtler werfen Gaddafi vor, in Misrata Streubomben über Wohngebieten abgeworfen zu haben. Libyen bestritt den Einsatz dieser besonders heimtückischen und international weitgehend geächteten Munition.

Doch für die Menschen in Misrata gibt es etwas Hoffnung: Ein Schiff mit Hilfsgütern des UN-Kinderhilfswerkes Unicef ist in der Stadt eingetroffen. Erste-Hilfe-Sets, Trinkwasser, Hygieneartikel und Spielzeuge sollen die Grundversorgung von bis zu 25.000 Menschen abdecken, teilte Unicef Deutschland in Köln mit. Das Schiff hatte vergangenen Samstag am Hafen von Barcelona abgelegt. Gerade in Libyen haben die andauernden Kämpfe viele Kinder das Leben gekostet und sie von allem Lebensnotwendigem abgeschnitten. "Allein in Misrata wurden mindestens 20 Kinder getötet und unzählige andere verletzt", sagte Unicef-Direktor Anthony Lake. Unicef hatte bereits vor einer Woche Medikamente und technische Geräte zur Versorgung von rund 50.000 Menschen nach Misrata gesendet.

Doch nicht nur um Misrata wird gekämpft: Nach eigenen Angaben haben die Rebellen nach drei Tagen heftiger Gefechte einen Grenzübergang nach Tunesien erobert. Die Eroberung des Grenzpostens Dhuheiba konnte jedoch nicht unabhängig bestätigt werden, würde aber die Versorgung der Rebellen in die nahe gelegene Stadt Nalut verbessern. Diese war in der Hand der Regierungsgegner, bis sie im vergangenen Monat von den Truppen Gaddafis zurückerobert wurde.

Der russische Außenminister Sergej Lawrow hat unteressen die Entsendung von Militärberätern nach Libyen kritisiert. Er sieht darin einen ersten Schritt hin zu einem Einsatz von Bodentruppen. Dies laufe "eindeutig" auf eine Einmischung in den Konflikt am Boden hinaus, sagte Lawrow nach Angaben russischer Nachrichtenagenturen bei einem Besuch in Slowenien.

Dies sei ein "riskantes" Unterfangen mit "ungewissem Ausgang", sagte der Außenminister. "Die Geschichte ist reich an Beispielen. Erst werden Berater entsandt, und dann zieht sich alles über Jahre hin, und hunderte oder gar tausende Menschen auf beiden Seiten sterben."

Nach Großbritannien hatten am Mittwoch auch Italien und Frankreich mitgeteilt, Militärberater zur Unterstützung der Rebellen nach Libyen schicken zu wollen. Die Aufständischen selbst fordern den Einsatz von Bodentruppen, insbesondere angesichts der Angriffe der Truppen Gaddafis auf Rebellen und Zivilisten in Misrata. Die Nato-Staaten schließen eine Entsendung von Bodentruppen aber bislang aus. Die USA wollen allerdings ab sofort bewaffnete Drohen einsetzen. Diese können tiefer fliegen als Kampfflugzeuge und militärische Ziele besser ausmachen.

UN-Generalsekretär Ban Ki-Moon rief die libysche Führung zum Ende der Kampfhandlungen auf. "Ich fordere die libysche Führung auf, das Kämpfen und das Töten von Menschen zu beenden", sagte Ban in Moskau. Für die Vereinten Nationen habe die Vereinbarung eines überprüfbaren und dauerhaften Waffenstillstandes Priorität.

Zur SZ-Startseite

Lesen Sie mehr zum Thema

Jetzt entdecken

Gutscheine: