Unterdessen haben die USA, Großbritannien und Frankreich den Sturz Gaddafis in einem gemeinsamen Zeitungsbeitrag zum Kriegsziel erklärt. "Eine Zukunft für Libyen mit Gaddafi an der Macht ist nicht vorstellbar", schrieben US-Präsident Barack Obama, der französische Staatschef Nicolas Sarkozy und Großbritanniens Premierminister David Cameron in einem Artikel, der in der New York Times und in mehreren europäischen Zeitungen erschien. Sie düpierten damit die Außenminister der Nato, die noch am Vortag in Berlin lediglich den Schutz der Zivilbevölkerung als Kriegsziel genannt hatten.
Die drei Staatschefs schreiben zwar: "Unsere Pflicht und unser Mandat gemäß der Resolution 1973 des UN-Sicherheitsrats ist es, Zivilisten zu schützen." Das Mandat bestehe nicht darin, "Gaddafi gewaltsam zu stürzen", räumten sie ein. Es sei aber "undenkbar, dass jemand, der sein eigenes Volk abschlachten wollte, eine Rolle in der künftigen Regierung spielen kann". Als Ziele des Einsatzes in Libyen hatten die Nato-Außenminister das Ende der Angriffe gegen Zivilisten, den vollständigen Rückzug von Gaddafis Truppen und ungehinderten Zugang für humanitäre Hilfe genannt.
Nato-Generalsekretär Anders Fogh Rasmussen behauptete, der Artikel zeige die Einigkeit im Libyen-Einsatz. "Die Nato ist absolut entschlossen, die Operationen fortzuführen, solange die Bedrohung für die Menschen in Libyen anhält", sagte er. Die Gefahr für die Zivilisten werde andauern, solange Gaddafi an der Macht ist.
Der französische Verteidigungsminister Gérard Longuet stellte indes im Fernsehsender LCI klar, dass die Absichten von Washington, Paris und London über die UN-Resolution hinausgehen. Auch wenn Länder wie China und Russland nichts unternehmen wollten, sei das Ziel klar, sagte der Minister: "Die Menschen in Tripolis dazu zu bringen, sich von Gaddafi abzuwenden."
Russlands Außenminister Sergej Lawrow übte scharfe Kritik an dem Beitrag, da die Forderung nach einem Rücktritt Gaddafis über das UN-Mandat hinausgehe. "Der UN-Sicherheitsrat hat keinerlei Handlungen zum Zweck der Veränderung des Regimes in Libyen erlaubt", warnte Lawrow in Berlin. "Ich habe unsere Partner in der Nato aufgefordert, sich strikt und verantwortungsvoll an das Mandat des UN-Sicherheitsrates zu halten."
Zwar erheben alle Nato-Partner gemeinsam die Forderung nach einem "politischen Prozess". Allerdings verbinden sie damit offenbar grundsätzlich unterschiedliche Überlegungen. Während die Bundesregierung bezweifelt, dass der libysche Diktator mit Waffengewalt aus dem Amt getrieben werden kann, und sich dem Einsatz verweigert, glauben die USA, Frankreich und Großbritannien, dass erst der Abgang Gaddafis den Weg zu einem politischen Prozess öffnet.
"Weder Europa noch die Region oder die Welt können sich einen neuen sicheren Hafen für Extremisten erlauben", warnten sie. Gleichzeitig traten Obama, Sarkozy und Cameron dem Eindruck entgegen, Libyen solle ein demokratisches System von außen über gestülpt werden. "Es werden die Menschen in Libyen sein, nicht die UN, die eine neue Verfassung bestimmen, eine neue Führung wählen und das nächste Kapitel ihrer Geschichte schreiben", betonten sie.
Davon wenig beeindruckt ließ sich Gaddafi in Tripolis feiern. Das Staatsfernsehen zeigte, wie er mit Schlapphut und Sonnenbrille in einem Autokonvoi durch die Straßen fuhr.
Die Bemühungen der Allianz drohen allerdings womöglich an fehlenden Ressourcen zu scheitern: Die Washington Post berichtete, dass der Nato die Munition ausgehe. Dem Militärbündnis fehlten allmählich Präzisionsbomben und andere Munition, schrieb das Blatt unter Berufung auf Nato- und US-Vertreter. Dies und die begrenzte Zahl von Flugzeugen lasse in Washington die Zweifel wachsen, ob sich die USA weiter zurückhalten könnten. Die USA hatten in der vergangenen Woche das Kommando über den Libyen-Einsatz der Nato übergeben und 50 Flugzeuge abgezogen.