Krieg in Libyen:Dritte Nacht in Folge: Bomben auf Tripolis

Luftabwehrfeuer erleuchtet den Nachthimmel über der libyschen Hauptstadt. Alliierte Streitkräfte greifen Tripolis die dritte Nacht in Folge an. Während die USA das Einsatzkommando rasch abgeben wollen, wird die Forderung Libyens nach einer Dringlichkeitssitzung abgeschmettert.

Explosionen in der Hauptstadt, am Himmel über Tripolis rote, gelbe Lichtblitze, Leuchtspurmunition wird abgefeuert. In der dritten Nacht in Folge haben die alliierten Truppen zur Durchsetzung der UN-Resolution gegen das Regime von Muammar al-Gaddafi Ziele in Libyen angegriffen. Der arabische Sender al-Dschasira berichtete am frühen Dienstagmorgen von Attacken auf Marine-Einrichtungen in Tripolis.

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Klicken Sie auf die Karte, um Informationen zur aktuellen Lage in Libyen zu erhalten: Flugverbotszone, Stärke der Streitkräfte der Alliierten, von Rebellen kontrollierte Städte. (© SZ-Grafik)

(Foto: SZ-Grafik)

Auch Luftabwehrstellungen der Gaddafi-Truppen in der Nähe der Rebellen-Hochburg Bengasi seien beschossen worden; ebenso Flughäfen in Sirte und Sebha. Der Weltsicherheitsrat lehnte einen Antrag Libyens auf eine Dringlichkeitssitzung wegen der "militärischen Aggression" durch die Koalitionstruppen ab.

US-Präsident Barack Obama kündigte eine baldige Übergabe der Einsatzführung an. Er gehe davon aus, dass europäische und arabische Länder in Kürze das Kommando übernehmen werden, sagte er am Montag bei einem Besuch in Chiles Hauptstadt Santiago. Zugleich bekräftige Obama seine Forderung nach einem Machtwechsel in Libyen. "Gaddafi muss gehen", sagte er.

Amerikanische, britische und französische Streitkräfte greifen seit Samstag Gaddafis Truppen an, um eine von den UN verhängte Flugverbotszone durchzusetzen und weitere Attacken des Diktators auf sein eigenes Volk zu verhindern. Kampfflugzeuge flogen eine Vielzahl von Angriffen, weit über 100 Marschflugkörper wurden abgefeuert.

Trotz einer angeblichen Waffenruhe attackierten Gaddafis Truppen am Montag Stellungen der Rebellen in Al-Sintan südwestlich und in Misrata östlich von Tripolis. In Misrata sollen sechs Menschen getötet worden sein.

Ein Sprecher der Aufständischen sagte dem Sender, den Rebellen sei es gelungen, die Angreifer weiter aus der Stadt zu drängen. Gaddafi-Anhänger versuchten nach Angaben einer Rebellen-Website, in der Aufständischen-Hochburg Bengasi Angst und Schrecken zu verbreiten.

Am Montagabend und in der Nacht war in Tripolis immer wieder heftiges Luftabwehrfeuer der Regierungstruppen zu hören. Fernsehbilder zeigten, wie Salven von Leuchtspurmunition in den Himmel über der libyschen Hauptstadt geschossen wurden.

Eine Al-Dschasira-Korrespondentin berichtete von zwei starken Explosionen. Im Hafen seien anschließend zwei heftige Feuer ausgebrochen. "Wir können sehen, dass ein Teil des Hafens in Flammen steht", berichtete Anita McNaught aus Tripolis. Feuerwehrwagen seien zu den Hafenanlagen gerast. Offensichtlich seien Marinestützpunkte Ziel der Attacken gewesen.

Östlich der Rebellen-Stadt Bengasi wurden den Berichten zufolge die Radaranlagen zweier Luftabwehrstellungen der Gaddafi-Truppen beschossen. Auch die Flughäfen in Gaddafis Geburtsort Sirte und in Sebha, der Hochburg seines Guededfa-Stammes, sowie ein Fischerort knapp 30 Kilometer westlich von Tripolis seien angegriffen worden, berichtete al-Dschasira unter Berufung auf Angaben der libyschen Führung. Wie Gaddafis Sprecher Mussa Ibrahim mitgeteilt habe, seien dabei auch Zivilisten getötet worden.

Sicherheitsrat bügelt Forderung Libyens ab

Die Forderung des libyschen Außenministers Mussa Kussa nach einer dringenden Sondersitzung wies der Weltsicherheitsrat, dem derzeit auch Deutschland angehört, am Montagabend in geschlossener Sitzung zurück. Stattdessen will das höchste UN-Gremium die Unterrichtung durch Generalsekretär Ban Ki Moon am Donnerstag nutzen, um über die Lage in Libyen zu beraten.

Kussa hatte den Sicherheitsrat schon am Samstag "wegen einer äußeren Verschwörung" gegen die "große Republik Libyen" angerufen.

Britisches Parlament für Libyen-Einsatz

Das britische Parlament stimmte in der Nacht zum Dienstag mit großer Mehrheit für das militärische Eingreifen in Libyen. Nach einer sechsstündigen Debatte schlossen sich fast alle Abgeordneten der Entscheidung von Premierminister David Cameron an, mit Kampfflugzeugen eine Flugverbotszone durchzusetzen. Lediglich 13 von 570 Parlamentsmitgliedern votierten dagegen.

Libya

Heftiges Luftabwehrfeuer in Tripolis: Das Bild zeigt, wie Salven von Leuchtspurmunition in den Himmel über der libyschen Hauptstadt geschossen werden.

(Foto: AP)

Die brasilianische Regierung bedauerte den Verlust von Menschenleben bei dem Militäreinsatz und forderte eine schnellstmögliche Waffenruhe. Dadurch solle der Schutz der Zivilbevölkerung garantiert und der Weg frei gemacht werden für eine Verhandlungslösung der Krise.

Brasilien ist derzeit nichtständiges Mitglied im UN-Sicherheitsrat und hatte sich am vergangenen Donnerstag bei der Abstimmung über die Libyen-Resolution gemeinsam mit vier anderen Ländern, darunter Deutschland, enthalten.

Heftige Diskussionen in Deutschland

In Deutschland nimmt unterdessen die Diskussion um die Enthaltung bei der Libyen-Resolution an Schärfe zu. Der außenpolitische Sprecher der EVP-Fraktion im EU-Parlament, Elmar Brok (CDU), kritisiert das deutsche Abstimmungsverhalten im UN-Sicherheitsrat. "Man kann auch eine Resolution des Weltsicherheitsrates unterstützen, ohne dass man sich dann an militärischen Einsätzen beteiligen muss", sagte Brok der Passauer Neuen Presse. "Offenbar hat der Bundesaußenminister die Vorstellung, dass man sich bei einer Zustimmung auch zwangsläufig militärisch einbringen muss. Das war keine glückliche Entscheidung."

Auch die SPD kritisierte Westerwelle in seiner Libyen-Politik harsch. Fraktionsgeschäftsführer Thomas Oppermann sagte, Westerwelle spalte mit seiner Strategie der Enthaltung die Nato und Europa. Deutschland könne international zum Thema Libyen nun nicht mehr mitreden.

SPD-Außenexperte Gernot Erler nannte das deutsche Verhalten ein "Desaster." So werde man Europa für längere Zeit schwächen.

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