Krieg in Libyen: Barack Obama:Feldherr in der Defensive

US-Präsident Barack Obama versucht, die Führungsrolle der USA beim Libyen-Einsatz herunterzuspielen - nun hagelt es Kritik von links wie rechts für Obamas "dritten Krieg".

Christian Wernicke, Washington

Fern über der libyschen Wüste donnern die Kampfjets der Weltmacht zur Attacke - doch daheim in Washington gerät der Kriegsherr in die Defensive: Von Freund und Feind, von links wie rechts mehrt sich die Kritik an Barack Obamas Entscheidung, Amerikas Soldaten - als wären Afghanistan und Irak nicht genug - in einen dritten Krieg zu schicken.

Kongresspolitiker verlangen Gehör, Sicherheitspolitiker vermissen das strategische Ziel der Operation "Odyssey Dawn" - und konservative Nationalisten beklagen, der Präsident schere sich mehr um das Plazet der Vereinten Nationen als um den Rückhalt im eigenen Volk.

In der Nacht zum Dienstag zündelte ein Parteifreund Obamas bereits mit politischem Sprengstoff. Als "einen Verstoß, der eine Anklage auf Amtsenthebung rechtfertigt", geißelte der linke Kongressabgeordnete Dennis Kucinich des Präsidenten Befehl zum US-Luftangriff auf Gaddafis Stellungen. Kucinich, ein erklärter Pazifist, hatte vor Jahren schon vergeblich George W. Bush wegen des Irak-Kriegs aus dem Weißen Haus jagen wollen. Um Kucinich herum schart sich ein Dutzend progressive Demokraten, die dem Oberbefehlshaber Verfassungsbruch vorwerfen. Laut US-Konstitution ist es das Vorrecht des Kongresses, fremden Mächten den Krieg zu erklären.

Dasselbe Lamento schwillt auch auf der Rechten an. Allen voran jene republikanischen Abgeordneten, die bei den jüngsten Wahlen mit Rückhalt der konservativen Tea-Party-Bewegung in den Kongress gewählt wurden, deuten Obamas Entscheidung zum Angriff auf Gaddafis Luftabwehr als pure Amtsanmaßung. "Zu keiner Zeit war in Libyen irgendein amerikanisches Leben in Gefahr, Libyen stellte keinerlei Bedrohung für die Vereinigten Staaten dar", wettert der Neuling Scott Rigell. Also hätte der Präsident erst das Parlament anhören müssen, sagt Rigell.

Als Kronzeugen für diese Deutung der Verfassung kann der Republikaner ausgerechnet einen Verfassungsrechtler mit ausgewiesen demokratischer Gesinnung zitieren: "Der Präsident hat laut Verfassung nicht die Macht, einseitig einen militärischen Angriff zu genehmigen, wenn die Situation nicht eine konkrete und unmittelbare Bedrohung für die Nation darstellt", schrieb der Juradozent und Präsidentschaftskandidat Barack Obama im Jahr 2007.

Von solch reiner Lehre hat sich Obama, nun politischer Praktiker, längst verabschiedet. Und der Präsident kann darauf verweisen, dass der Kongress sein Privileg zur Kriegserklärung zuletzt anno 1942 (gegen Bulgarien, Rumänien und Ungarn) nutzte. Seither zog Amerika - ob in Korea oder Vietnam, Bosnien oder Irak - stets ohne parlamentarische Vorabbilligung ins Gefecht.

Der langjährige Senator Richard Lugar, ein moderater Republikaner und ehemaliger Vorsitzender des außenpolitischen Ausschusses, reklamiert denn auch keine konstitutionellen Bedenken. Aber Lugar, ein Anhänger kühler, realpolitischer Strategie, plagen massive Zweifel am Sinn von Obamas Wüstenkrieg. "Wir brauchen einen Plan für das, was nach Gaddafi kommen soll", wettert er. "Wer hat dann das Sagen - und wer bezahlt das eigentlich alles. Obama hat dazu bisher nur vage Hoffnungen verbreitet." Es werde Zeit, dass der Präsident dem Volk und dem Kongress erkläre, warum und wofür genau man kämpfe.

"Besser dran ohne Gaddafi"

Da hilft es wenig, dass der Kriegspräsident gerade zu Staatsbesuchen in Lateinamerika weilt. Obama nutzte eine Pressekonferenz im Präsidentenpalast von Santiago de Chile, um zu erhellen, warum seine Regierung sich nach langem Zaudern in der vergangenen Woche plötzlich zur Militärintervention entschlossen hatte.

Obama verwies auf den Hilfsappell der Arabischen Liga und auf das UN-Mandat zum Schutz der Zivilbevölkerung. Und er wiederholte, was seine Berater täglich verbreiten - dass die Supermacht nur wegen ihrer waffentechnischen Überlegenheit derzeit die Attacke anführe und man "lieber morgen als übermorgen" der Nato die Führung des Kampfeinsatzes überlassen wolle. Die Fragen jedoch, wer genau eigentlich die Anti-Gaddafi-Rebellen seien und mit wem Amerika ein Libyen ohne den Oberst bauen wolle, ließ der Präsident unbeantwortet.

Und mit einer anderen Sentenz provozierte Obama erneut Kritik. Es sei "US-Politik, dass Gaddafi gehen muss", sagte er. Dieses Verlangen hat ausdrücklich nicht den Segen der Vereinten Nationen. Obamas Verteidigungsminister Robert Gates, der regierungsintern am längsten gegen einen US-Eingriff argumentiert hatte, betonte am Montag erneut, die US-Streitkräfte wollten nicht Kriegspartei sein: Zwar sei es "wohl jedermann klar, dass Libyen besser dran wäre ohne Gaddafi", sprach der Pentagon-Chef, "aber das ist eine Sache, die müssen die Libyer unter sich ausmachen."

Gates' Argument wird freilich mit jedem Tag brüchiger. "De facto kämpfen wir bereits an der Seite der Rebellen", urteilt Nicholas Burns, der langjährige US-Spitzendiplomat und jetzige Harvard-Professor, "und dieser Eindruck wird sich verstärken, je länger sich die Schlacht hinzieht." Wie zum Beweis musste das Pentagon am Dienstag einräumen, einer der beiden nach einem Flugzeugabsturz verletzten Piloten sei nahe Bengasi mit Hilfe der Rebellen gerettet worden. Bisher hatten die US-Generäle bestritten, direkte Funkkontakte zu Gaddafis Gegner zu unterhalten.

Burns bemängelt, Obama habe weder den Kongress noch das Volk auf diesen Krieg vorbereitet. Erste, noch vage Umfragen zeigen, dass drei Viertel der Bevölkerung den Luftkrieg zum Schutz von Zivilisten mittragen - aber acht von zehn Amerikanern sind strikt gegen den Einsatz von Bodentruppen. Zugleich mehren sich Meldungen, dass die Kosten des Einsatzes explodieren. Das regt in Zeiten extremer Sparzwänge nicht nur linke wie rechte Kriegsgegner auf. Das empört sogar den sonst gelassenen Lugar: "Hier streiten wir darüber, ob wir 100.000 Dollar streichen für populärste Programme - und da drüben lassen wir uns auf eine Militäraktion ohne Ende ein."

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