Krieg in Libyen:Auch Frankreich und Italien schicken Militärberater

Die Lage für die Rebellen in Misrata scheint ausweglos, sie flehen um die Entsendung ausländischer Bodentruppen. Nach London will auch Italien Militärexperten nach Libyen schicken. Frankreich weitet den Einsatz aus. Das Gaddafi-Regime reagiert mit verstärkter Propaganda, beschuldigt die Nato, nicht nur militärische Ziele anzugreifen - und macht dem Militärbündnis gleichzeitig ein dubioses Angebot.

Die verheerende Situation in der belagerten Stadt Misrata im Westen Libyens setzt die Nato zusehends unter Druck. Allein dort wurden in der vergangenen Woche bis zu 1000 Menschen getötet. Jetzt erflehen die libyschen Rebellen die Entsendung ausländischer Bodentruppen in die schwer umkämpfte Stadt. Der Sprecher der Rebellen forderte in Misrata, britische und französische Soldaten sollten auf der Basis der "humanitären" Prinzipien dorthin entsandt werden. Er warnte eindringlich: "Wenn sie nicht kommen, werden wir sterben."

Die französische Zeitung Le Figaro und die Washington Post berichteten übereinstimmend, die Aufständischen hätten ihre Forderung an den Nationalen Übergangsrat weitergeleitet. In dem US-Blatt hieß es weiter, der Übergangsrat habe bisher nicht geantwortet. Der Übergangsrat, der die Verbindung zur Nato hält, hatte sich zuvor gegen ausländische Bodentruppen ausgesprochen.

Internationale Gemeinschaft uneins über Art der Unterstützung

Misrata wird seit sechs Wochen von den Gaddafi-Truppen belagert und unter Beschuss genommen. Am Mittwoch rangen Rebellen und Soldaten Gaddafis vor allem um eine zentrale Durchgangsstraße. Es werde um die Tripolis-Straße gekämpft, berichtete ein Rebellen-Kämpfer über das Telefon. Die Aufständischen hätten etwa die Hälfte der Straße unter ihre Kontrolle gebracht, die vom Zentrum der drittgrößten libyschen Stadt in die südlichen Randbereiche führe. Der von den Rebellen angegebene Bodengewinn in dem seit sieben Wochen andauernden Kampf um Misrata konnte zunächst nicht verifiziert werden.

In der 400.000-Einwohner-Stadt sind Essen, Wasser, Treibstoff, Medikamente und Strom knapp. Die Regierungstruppen setzen Grad-Raketen und Streubomben ein. Hilfsorganisationen befürchten eine Massenflucht aus der Stadt. Ein von Katar gechartertes griechisches Schiff stand bereit, um mehr als tausend verletzte Libyer sowie ausländische Arbeiter, vor allem aus dem Niger und dem Tschad, abzuholen.

In Genf teilte die UN-Hochkommissarin für Menschenrechte, Navi Pillay, mit, dass die libyschen Regierungstruppen mit dem Einsatz schwerer Waffen gegen die Zivilbevölkerung in Misrata möglicherweise Kriegsverbrechen begehen. Die Truppen Gaddafis sollten sich bewusst sein, dass ihre Handlungen in Misrata vom Internationalen Strafgerichtshof untersucht würden, sagte Pillay. So stelle der absichtliche Beschuss von medizinischen Einrichtungen ein Kriegsverbrechen dar, erklärte die UN-Hochkommissarin.

Großbritannien gab am Dienstag bekannt, dass es die libyschen Aufständischen mit der Entsendung von Militärexperten unterstützen will. "Erfahrene Militärberater" sollten in die Rebellenhochburg Bengasi geschickt werden, teilte der britische Außenminister William Hague mit. Nach BBC-Informationen handelt es sich um zehn Offiziere. Hague betonte, der Einsatz sei von der UN-Resolution gedeckt, an Kämpfen mit den Gaddafi-Truppen beteiligten sich die britischen Experten nicht.

Auch Italien kündigten an, militärische Verbindungsoffiziere zur Unterstützung der Rebellen zu entsenden. Italien werde zehn Militärberater zur Unterstützung der Rebellen nach Libyen schicken. Dies teilte Verteidigungsminister Ignazio La Russa nach einem Treffen mit seinem britischen Amtskollegen Liam Fox mit. Die Details würden noch ausgearbeitet, hieß es. Die Entsendung von italienischen Bodentruppen schloss La Russa aber erneut aus.

Frankreich will seine Luftangriffe in Libyen nach den Bitten der Rebellen intensivieren. Dies teilte Staatspräsident Nicolas Sarkozy mit. Zudem gab das französische Außenministerium bekannt, dass es bereits Verbindungsoffiziere in der Rebellenhochburg Bengasi habe. Die französischen Offiziere würden dort die Opposition sowie die Nato-Luftangriffe unterstützen.

USA schließen Waffenlieferungen an Rebellen nicht aus

Die USA erwägen hingegen weiterhin Waffenlieferungen an die Rebellen. Man arbeite unvermindert an dieser Möglichkeit, sagte Außenamtssprecher Mark Toner in Washington. "Alle Optionen bleiben auf dem Tisch." Mit Blick auf die angekündigte Entsendung britischer Militärberater nach Libyen verwies Toner jedoch erneut auf die Linie von Präsident Barack Obama. Demnach werden keine US-Bodentruppen nach Libyen geschickt.

Trotz der hoffnungslosen Lage für die Rebellen in Misrata lehnt auch Bundesaußenminister Guido Westerwelle (FDP) den Einsatz von Bodentruppen ab. "Bodentruppen sind durch die Resolution der Vereinten Nationen ausgeschlossen", betonte Westerwelle am Rande eines EU-Treffens mit dem Golfkooperationsrat in Abu Dhabi.

Deutschland hatte sich im UN-Sicherheitsrat bei der Libyenresolution enthalten, die ein Vorgehen mit Luftangriffen gegen die Truppen Gaddafis ermöglicht. Man müsse sich von dem Gedanken trennen, "dass eine schnelle militärische Lösung wahrscheinlich ist", betonte Westerwelle. "Der politische Prozess wird eine Lösung bringen." Um diesen voranzubringen, müsse zunächst einmal die Zivilbevölkerung durch einen Waffenstillstand geschützt werden. Zudem müsse Gaddafi der Geldhahn vollständig zugedreht werden, damit er keine weiteren Söldnertruppen anwerben könne, sagte Westerwelle.

Libyens Außenminister stellt Wahlen in Aussicht

Die Nato hat erneut schwere Vorwürfe gegen die Truppen Gaddafis erhoben: Die Soldaten des Regimes versteckten sich als Zivilisten verkleidet in der Nähe von Krankenhäusern, feuerten von Moscheedächern und missbrauchten Frauen und Kinder als Schutzschilde, sagte der Kommandeur des Libyen-Einsatzes, Generalleutnant Charles Bouchard, dem kanadischen Fernsehsender CBC.

Gaddafi supporters

Die Propaganda-Maschinerie läuft: Eine Unterstützerin Gaddafis protestiert in Tripolis.

(Foto: dpa)

Nahe der libyschen Hauptstadt Tripolis wurden nach Nato-Angaben "Kommando- und Kontrollanlagen" von Gaddafis Armee bombardiert. Zugleich räumte die Militärallianz in Brüssel ein, dass Lufteinsätze den Schutz von Zivilisten nicht sicherstellen könnten, weil die Gaddafi-Truppen ihre Panzer mit Zivilisten als menschlichen Schutzschilden sicherten.

Das Gaddafi-Regime unternimmt unterdessen eine Propaganda-Offensive: Einer der Söhne Gaddafis, Seif al-Islam, zeigte sich in einem Interview überzeugt vom Sieg der Regierungstruppen. "Ich bin sehr optimistisch, dass wir siegen werden", sagte er im Fernsehsender Al-Libya. "Die Lage entwickelt sich täglich mehr zu unseren Gunsten."

Libyens Außenminister Abdul Ati al Obeidi stellte einem Rundfunkbericht zufolge Wahlen in Aussicht, falls die Nato ihre Angriffe in dem Land einstellt. Wenn die Bombardierung aufhört, könnte es sechs Monate später eine von den Vereinten Nationen überwachte Wahl geben, sagte der Außenminister nach Angaben der BBC. In der Wahl werde es um alle Fragen gehen, die die Libyer beschäftigten, darunter auch die Zukunft Gaddafis als Machthaber.

Der libyschen Führung sei es ernst mit einem nachweisbaren und von internationalen Beobachtern überwachten Waffenstillstand, wurde der Minister weiter zitiert. Das Gaddafi-Regime machte in den vergangenen Wochen allerdings immer wieder Versprechungen und Ankündigungen, an die es sich dann nicht hielt. Al Obeidi kritisierte dem Bericht zufolge zugleich die britische Entscheidung, rund ein Dutzend Militärberater nach Libyen zu entsenden.

Kurze Zeit nach Obeidis Vorstoß meldete dann das libyschen Staatsfernsehen, dass Kampfflugzeuge der Nato zivile Telekommunikations- und Rundfunkeinrichtungen in mehreren Städten des Landes unter Beschuss genommen hätten. Der Sender Al-Libija machte jedoch keine Angaben dazu, wann die Angriffe stattfanden. Westlichen Regierungsvertretern zufolge nimmt die Nato bislang lediglich militärische Ziele ins Visier. Nur das steht im Einklang mit einem Mandat der Vereinten Nationen zur Umsetzung einer Flugverbotszone und zum Schutz der libyschen Zivilbevölkerung in Libyen.

Einen kleinen Hoffnungschimmer für den Westen Libyens gibt es indes: Hilfsorganisationen der Vereinten Nationen bekommen nun offenbar Zugang zu einigen dort von den Gaddafi-Truppen kontrollierten Gebieten, in denen die Bevölkerung besonders Not leidet.

Seit Beginn des Aufstandes gegen das Regime vor zwei Monaten wurden nach Angaben der Rebellen bereits Zehntausende Menschen getötet oder verletzt. "Präsident Dschalil hat uns von 10.000 Toten berichtet und bis zu 55.000 Verletzten", sagte der italienische Außenminister Franco Frattini nach einem Treffen mit dem Vorsitzenden des libyschen Übergangsrates, Mustafa Abdul Dschalil, in Rom.

In Tunesien schlugen vier Mörsergranaten aus Kämpfen im benachbarten Libyen ein, wie das Verteidigungsministerium in Tunis erklärte. Wer die Geschosse abfeuerte, die am Montag in einem unbewohnten Gebiet niedergingen, war zunächst nicht bekannt. Verletzt wurde niemand. Die amtliche Nachrichtenagentur TAP berichtete unter Berufung auf das Ministerium, die Granaten seien in 300 bis 500 Metern Entfernung vom Grenzposten Lamlas eingeschlagen. Vorsatz schließe das Ministerium aus.

Flucht in Richtung Europa

Weiterhin nutzen viele Afrikaner das Bürgerkriegsland als Ausgangspunkt für ihre Flucht in Richtung Europa: An der süditalienischen Insel Lampedusa ist am Dienstag ein Flüchtlingsboot aus Libyen mit 760 Menschen angekommen. So viele Flüchtlinge auf einem Schiff sind dort seit Jahren nicht mehr angelandet.

Der Hilfsorganisation Ärzte ohne Grenzen zufolge stammten die meisten von ihnen aus Schwarzafrika. An Bord seien 63 Frauen gewesen - viele von ihnen schwanger - und sieben Kinder. Nach der dreitägigen Fahrt litten die Passagiere an Unterkühlung und Erschöpfung.

Lampedusa liegt zwischen Sizilien und Tunesien. Seit Anfang des Jahres sind dort und an anderen kleinen Inseln etwa 25.000 illegal Eingewanderte angekommen, die meisten von ihnen aus Tunesien. In Europa ist eine heftige Debatte über den Umgang mit den Flüchtlingen entbrannt.

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