Krieg in Gaza:Blutige Warnung an Iran

Im Stellvertreter-Krieg: Israels Kampf im Gaza-Streifen richtet sich nicht nur gegen die Hamas, sondern erst recht gegen Teheran.

Thorsten Schmitz, Tel Aviv

Israel sieht seine Existenz bedroht. Die 11000 Raketen und Granaten, die in den vergangenen acht Jahren vom Gaza-Streifen aus abgefeuert wurden, sind nicht in jüdischen Siedlungen im besetzten Westjordanland gelandet, sondern im Staatsgebiet.

Krieg in Gaza: Die Milizen von Hamas im Gaza-Streifen und Hisbollah im Libanon sind Vorposten Irans

Die Milizen von Hamas im Gaza-Streifen und Hisbollah im Libanon sind Vorposten Irans

(Foto: Foto: dpa)

Der Raketenterror der Hamas, die Israel zerstören will und von Iran ausgebildet und finanziert wird, schwächt Israels Abschreckungspotential. Mit einer der bestausgerüsteten Armeen der Welt erteilt Israel der Hamas nun eine Lektion - und bombt sich dabei selbst in eine Sackgasse.

Proportionen wahren

Das Land ist in den Krieg gezogen, ohne drei grundlegende Fragen positiv beantwortet zu haben. Wer einen Krieg startet, muss zuvor sämtliche Möglichkeiten genutzt haben, ohne Armee-Einsatz sein Ziel zu erreichen. Ein Krieg muss zudem die Proportionen wahren.

Und er muss die Chance in sich bergen, das Kriegsziel erreichen zu können. In allen drei Punkten steht Israel schwach da. Israel hat nie mit Hamas versucht zu reden, 820 tote Palästinenser und 13 tote Israelis sprechen für sich, und ein konkretes Kriegsziel hat die Regierung bis heute nicht formuliert.

Beim Kampf gegen die Islamisten-Guerilla zeigt sich Israel unempfänglich für die internationalen Aufrufe zu einer Waffenruhe. Das Land und seine Politiker haben sich abgeschottet, Kritik perlt an ihnen ab. Beim gnadenlosen Einsatz von Luftwaffe, Marine und Bodentruppen sieht sich Israel im Recht.

Die Mitleidlosigkeit mit den zivilen Opfern des Krieges ist erschreckend. Sie könnte daher rühren, dass Israel sich allein gelassen fühlt und niemandem traut, nur noch sich selbst. Ein Offizier gab jetzt zu, die Armee sei ,,sehr gewalttätig'' und schrecke vor keinen Mitteln zurück, denn Soldatenleben schützen sei wichtiger als das palästinensischer Bürger. So wird Israels Krieg gegen Hamas auch zu einem Krieg gegen die Zivilbevölkerung. Unendliches Leid wurde bislang verursacht, unendlicher Hass hervorgerufen. Der Schaden ist unermesslich.

Israel weiß das, und sieht dennoch keinen anderen Ausweg. Der Alleingang Israels, die Härte und die Taubheit gegenüber internationaler Kritik hat einen weiteren Grund: Im Gaza-Streifen kämpft Israel einen Stellvertreter-Krieg gegen Iran.

Kampf um die Existenz

Die Milizen von Hamas im Gaza-Streifen und Hisbollah im Libanon sind Vorposten Irans. Israels Gaza-Krieg ist eine blutige Warnung an Teheran, dass Israel auch ohne US-Unterstützung iranische Atomanlagen angreifen würde. In Jerusalem hat sich das Gefühl manifestiert, dass Israel wie im Falle der Hamas auch im Bezug auf Iran allein dasteht.

Aus Sicht Israels hat die internationale Staatengemeinschaft versagt. Ungeachtet von Warnungen und Sanktionen hält Iran unbeirrt an seinem Atomprogramm fest. Israel sieht darin die größte Gefahr für seine Existenz. Die folgenlosen Versuche der westlichen Welt, Iran vom Bau von Atomwaffen abzubringen, bestärken Israel darin, es müsse um seine Existenz kämpfen.

Dass der kommende US-Präsident Barack Obama diplomatische Gespräche mit Teheran aufnehmen möchte, ist in Jerusalem mit Schrecken registriert worden. So hat die Regierung das gefährliche politische Vakuum zwischen den beiden US-Präsidentschaften genutzt für den Krieg gegen Hamas, den man auch als Kriegserklärung an Teheran verstehen kann.

Die Sinnlosigkeit des Gaza-Kriegs, der weltweit antisemitische und antiisraelische Strömungen verstärkt, zeigt sich am fortgesetzten Raketenbeschuss Israels durch Hamas-Terroristen. Es ist naiv zu glauben, Israel könne Hamas zerstören. Deren Kämpfer fürchten sich nicht vor Israels Truppen, weil der Tod als Märtyrertum verklärt wird.

Hamas braucht Israels Krieg, um zu existieren. Die wichtigste Waffe im Kampf gegen Hamas hat Israel bis heute nicht eingesetzt: Worte, Verhandlungen, Diplomatie, Grenzöffnungen. Früher oder später aber wird verhandelt werden müssen. Hoffentlich früher.

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