Krieg in der Ukraine:Wer was in Moskau erreichen will

Merkel and Hollande to present new peace proposal on Ukraine conf

Putin, Poroschenko, Merkel, Hollande: Können sie sich auf einen Kompromiss einigen?

(Foto: dpa)

Mission unter schwierigsten Bedingungen: Kanzlerin Merkel und Frankreichs Präsident Hollande suchen in Moskau einen Kompromiss. Was steht in ihrem Friedensplan? Was will Putin? Was hat die Ukraine zu bieten?

Mit ihrer Reise nach Kiew und Moskau verfolgen Bundeskanzlerin Angela Merkel und Frankreichs Präsident François Hollande zwei große Ziele. Es geht darum, den Krieg im Osten der Ukraine zu beenden. Aber nicht nur, um weitere Opfer dort zu vermeiden, sondern - und das ist das zweite große Ziel - um einen "Flächenbrand" in Europa zu verhindern, wie es Merkel kürzlich ausdrückte.

Die Annexion der Krim durch Russland und die Verletzungen der Integrität und staatlichen Souveränität der Ukraine durch Russland stelle "die europäische Friedensordnung insgesamt in Frage". Es müsse, so sagte Außenminister Frank-Walter Steinmeier kürzlich, eine Spaltung Europas verhindert werden.

Auf dem Weg dorthin müssen einige wichtige Voraussetzungen erfüllt werden. So dürfte Russland die Ukraine nicht weiterhin als eigene Einflussphäre betrachten. Aber auch Kiew, so sagte Steinmeier kürzlich, müsse sich ernsthaft um einen dauerhaften Waffenstillstand bemühen.

Wie könnten diese Ziele erreichen werden? Wiederholt haben Merkel und Steinmeier betont, dass Deutschland und die EU nur auf diplomatischem Wege eingreifen, sowie über Sanktionen Druck auf Russland ausüben sollten. Außerdem würde die Ukraine ökonomisch unterstützt.

Auf militärischem Wege dagegen könne der Konflikt nicht gelöst werden, sagte Merkel erneut vor einigen Tagen während eines Besuchs in Ungarn. Die Bundesregierung lehnt deshalb Waffenlieferungen an die Ukraine, wie sie Berater der US-Regierung angeregt haben, strikt ab.

Das Scheitern des Minsker Abkommens und die Eroberung weiterer Gebiete durch prorussische Milizionäre in den vergangenen Wochen haben die Lage nun weiter verschärft. Die EU hat daraufhin beschlossen, die Sanktionen gegen Russland zu intensivieren.

Auf der anderen Seite versucht Merkel ihren eigenen Anspruch zu erfüllen, "nichts unversucht" zu lassen, "in Gesprächen mit Russland zu einer diplomatischen Lösung des Konflikts zu kommen". Nachdem ein Treffen der sogenannten Kontaktgruppe aus Russland, der Ukraine und der OSZE mit den Separatisten jüngst gescheitert ist, haben sich Merkel und Hollande gemeinsam auf eine diplomatische Mission nach Kiew und Moskau gemacht.

Offiziell geht es immer noch darum, das Minsker Abkommen zu realisieren, das einen Waffenstillstand vorsieht. Angesichts der jüngsten Entwicklungen in der Ostukraine wird allerdings vermutet, dass bei den Gesprächen in Moskau auch die Frage nach weiteren Zugeständnissen an die Separatisten behandelt wird. (Markus C. Schulte von Drach)

Was sich der russische Präsident Putin erhofft

Wladimir Putins Strategie ist es, die Welt im Unklaren darüber zu lassen, was er eigentlich will. Wann immer es ihm passt, tut er beispielsweise so, als sei Moskau keine Konfliktpartei. Jetzt allerdings setzt er sich mit Merkel und Hollande an einen Verhandlungstisch. Eine eigene Verantwortung für das Wiederaufflammen der Kämpfe in der Ostukraine streitet der russische Präsident ab. Die Ukraine sei der alleinige Schuldige, erklärte er gerade bei einer Rede.

Russian President Vladimir Putin visits Minsk

Wladimir Putin im August 2014 in Minsk nach einem Gespräch mit Petro Poroshenko

(Foto: dpa)

Er spricht von einem Bürgerkrieg, den Kiew zu einem internationalen Krieg machen wolle. Doch seit die Kämpfe wieder im vollen Gange sind, sind auch alle Varianten wieder auf dem Tisch, was Putin vorhaben könnte:

  • Die nationalistisch-ideologische, die Wiederherstellung eines Neurussland von Donezk bis Odessa wie es Katharina die Große im 18. Jahrhundert gegründet hatte.
  • Die logistisch-pragmatische, Russland einen Landzugang zur annektierten Halbinsel Krim zu verschaffen.
  • Die imperialistische, weitere Gebiete zu annektieren.
  • Und schließlich die destruktive, einen Erfolg der neuen Ukraine nach dem Sieg der proeuropäischen Maidan-Bewegung um jeden Preis zu verhindern.

Ob sich der Kreml inzwischen für eine dieser Varianten entschieden hat, ist weiter unklar. Mischformen sind möglich. Putin pokert. Er hat einen kleinen Kreis von Vertrauten um sich geschart, Entscheidungen werden ohne jede Transparenz gefällt. Und das ist das Problem der Vermittler. Sie wissen nicht, was ihr Gegenüber will.

Angela Merkel hat oft mit Putin telefoniert, von mehr als 40 Gesprächen ist die Rede. Doch Putins Ziele versteht sie immer noch nicht. (Von Julian Hans und Sebastian Gierke)

Wenigstens die Front halten - Welche Ziele der ukrainischen Präsidenten Petro Poroschenko hat

Der ukrainische Präsident Petro Poroschenko will einerseits eine Waffenruhe im umkämpften Osten der Ukraine erreichen. Den Separatisten gelang es zuletzt, die ukrainische Armee zurückzudrängen, die Bevölkerung in dem umkämpften Land wird unruhig und spricht von militärischen Fehlern - wenngleich sie nicht die Notwendigkeit des Einsatzes generell in Frage stellt.

Nato-Gipfel in Wales

Petro Poroschenko im September 2014 während des Nato-Gipfels in Newport in Großbritannien

(Foto: dpa)

Poroschenko setzt derzeit alles daran, die Frontlinie wenigstens zu halten, wenn die ukrainische Armee schon derzeit keine Chance hat, die Separatisten zurückzudrängen. Gleichzeitig muss er unbedingt den Eindruck vermeiden, er würde den Status quo akzeptieren, die Gebiete im Osten der Ukraine also verloren geben. Das könnte das Ende seiner Regierung bedeuten. Trotzdem muss er den Status quo halten. Denn mit jedem Quadratkilometer, den die ukrainische Armee an die Separatisten verliert, wird die Verhandlungsposition Poroschenkos schlechter.

Krieg in der Ukraine: Frontverlauf in der Ukraine.

Frontverlauf in der Ukraine.

(Foto: SZ Grafik)

Nach dem Treffen mit Merkel und Hollande zeigten sich alle Seiten, auch Poroschenko, zuversichtlich, dass eine Waffenruhe erreicht werden kann - wenngleich eine geplante gemeinsame Erklärung ohne Begründung abgesagt wurde. Die Kanzlerin und der französische Präsident reisen nun weiter nach Moskau, um dort mit dem russischen Präsidenten Wladimir Putin zu verhandeln.

Petro Poroschenko trifft sich unterdessen mit US-Außenminister John Kerry. Er drängt die Nato-Staaten, der Ukraine Waffen zu liefern. Bisher vergeblich, wenngleich immer wieder Medienberichte die Runden mache, dass zumindestens die USA über solche Lieferungen nachdächten. US-Vize-Präsident Joe Biden und ein Sprecher des Weißen Hauses bekräftigten jedoch erst kürzlich die offizielle Position, kein Kriegsgerät in die Ukraine schicken zu wollen. (Von Hannah Beitzer)

Wofür die prorussischen Separatisten kämpfen

Die Separatisten in der Ostukraine kontrollieren die von ihnen ausgerufenen, international nicht anerkannten "Volksrepubliken" Donezk und Lugansk (ukr.: Luhansk). Bereits im Mai 2014 hatten sie ihre Unabhängigkeit ausgerufen. Im Minsker Abkommen von Anfang September 2014 hatten sich die "Ministerpräsidenten" Alexander Sachartschenko und Igor Plotnizki dann für einen Waffenstillstand ausgesprochen. Es schien, als würden sie sich auch mit mehr Autonomie für die Region um die Städte Luhansk und Donezk zufriedengeben. Das war jedoch nicht der Fall.

Members of the separatist self-proclaimed Donetsk People's Republic drive armoured vehicles near Yenakiieve

Milizionäre der "Volksrepublik" Donezk am 4. Februar 2015

(Foto: REUTERS)

Bei Wahlen, die in den beiden Gebieten im November 2014 stattfanden, ließen sich die beiden Separatistenführer als "Republikchefs" bestätigen. Angeblich stimmte eine Mehrheit der Wähler für die Unabhängigkeit von der Ukraine. Die Separatisten kämpfen weiterhin um Gebiete, die sie noch nicht kontrollieren, aber als ihren "Republiken" zugehörig betrachten. Den Waffenstillstand, so behaupten sie, hätte jedoch die ukrainische Armee gebrochen, nicht sie.

Weder die Unabhängigkeit, noch die Wahlen, noch die Ansprüche der Separatisten werden international anerkannt. Auch in Moskau erklärte der Vorsitzende des Auswärtigen Ausschusses der Duma, Alexej Puschkow: "Wir halten diese Territorien nicht für unabhängig." Russland respektiere lediglich den Willen des Volkes. (Von Markus C. Schulte von Drach)

Welche Rolle das Minsker Abkommen spielt

Das am 5. September 2014 in der weißrussischen Hauptstadt Minsk verabschiedete Dokument beinhaltete in erster Linie eine Waffenruhe, die von der OSZE überwacht werden sollte. Unterzeichner waren die OSZE-Gesandte Hedi Tagliavini, der ehemalige ukrainische Präsident Leonid Kutschma, der russische Botschafter in der Ukraine, Michail Surabow, sowie die Separatistenführer Sachartschenko und Plotnizki.

Die Vereinbarung enthielt insgesamt zwölf Punkte, von denen die wichtigsten hier kurz aufgeführt werden. Neben des von der OSZE kontrollierten Waffenstillstands wurde den Separatisten in den selbsternannten Volksrepubliken Lugansk und Donezk eine Selbstverwaltung per Gesetz zugestanden, das das Parlament in Kiew wenig später verabschiedete. Auch vorgezogene Kommunalwahlen wurden gewährleistet. Außerdem vereinbarten die Konfliktparteien die jeweilige Freilassung von Gefangenen, die Ukraine gewährte den prorussischen Separatisten eine Amnestie.

Die illegalen Kämpfer und Militäreinheiten sollten dafür allerdings ukrainisches Gebiet verlassen. Ein weiterer wichtiger Punkt war die Einrichtung einer Pufferzone von 15 Kilometern Breite auf beiden Seiten der Frontlinie zwischen ukrainischer Armee und prorussischen Rebellen. Aus diesem Bereich sollten alle schweren Geschütze - zum Beispiel Artillerie mit Kaliber größer als 100 mm - abgezogen werden.

Die Vereinbarungen werden von beiden Konfliktparteien seither immer wieder gebrochen. Stellvertretend dafür stehen die heftigen Kämpfe um den Flughafen der Stadt Donezk, der ziemlich genau auf der Demarkationslinie des Minsker Abkommens liegt und mittlerweile von prorussischen Kräften kontrolliert wird.

Das Minsker Abkommen ist die Grundlage für die aktuellen Gespräche zwischen Merkel, Hollande, Poroschenko und Putin. Gebietsfragen sind zwar nicht Gegenstand der Verhandlungen. Tatsächlich aber halten es politische Beobachter für unwahrscheinlich, dass die ursprünglich im Minsker Abkommen festgelegte Demarkationslinie im Licht der neuen Geländegewinne der Separatisten aufrechterhalten werden könne. (Von Martin Anetzberger)

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