Internationale Medien:ARD und ZDF setzen Berichterstattung aus Moskau aus
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Nach dem Erlass eines neuen Mediengesetzes in Russland ziehen sich internationale Sender aus dem Land zurück. Die freie Meinungsäußerung wird weiter eingeschränkt, immer mehr kritische Medien werden abgeschaltet.
Von Gökalp Babayiğit
Der russische Krieg in der Ukraine ist längst auch ein Krieg um Informationen. Dabei sind nicht nur die Geschehnisse um Kiew, Charkiw und Mariupol von großem, von weltweitem Interesse. Auch Erkenntnisse über die Situation in Russland haben höchste Relevanz: Wie ist die Stimmung im Land angesichts des Angriffskriegs der russischen Regierung? Welche Auswirkungen haben die internationalen Sanktionen auf das Leben dort? Welchen Repressalien sind Kritiker und Demonstranten ausgesetzt?
Doch es wird zunehmend schwieriger, unabhängig aus dem Land zu berichten- weil Wladimir Putin es nicht will.
Nachdem Russlands Präsident am Freitagabend ein harsches Mediengesetz unterzeichnet hat, das für das Verbreiten von Fake News über die russischen Militäraktionen Haftstrafen androht, setzen ARD und ZDF sowie zahlreiche internationale Medien die Berichterstattung aus ihren Moskauer Studios bis auf Weiteres aus.
"Die beiden öffentlich-rechtlichen Sender werden von ihren anderen Standorten aus weiterhin das Publikum umfassend über das Geschehen in Russland und der Ukraine informieren", teilte der für das ARD-Studio Moskau federführende WDR mit. WDR-Programmdirektor Jörg Schönenborn sagte in der Tagesschau, in Russland habe sich "eine eigene Definition von Wahrheit entwickelt". Es sei im Moment nicht klar, was "wahrheitsgemäße Berichterstattung für unsere Teams" bedeute. "Die müssen wir schützen." Das öffentlich-rechtliche Deutschlandradio setzte die Berichterstattung aus Moskau ebenfalls aus. Der Russland-Korrespondent werde aus dem Warschauer Studio arbeiten, teilte ein Sprecher mit.
Unterdessen rät das Auswärtige Amt Deutschen in Russland, sogar bei privaten Äußerungen auf Twitter oder Facebook vorsichtig zu sein. "Auch private Äußerungen in sozialen Medien können nach diesem neuen Gesetz in der Russischen Föderation mit unberechenbaren persönlichen Risiken verbunden sein", heißt es in den aktualisierten Reise- und Sicherheitshinweisen. "Es wird zu äußerster Zurückhaltung oder alternativ zur Ausreise geraten." Das neue Gesetz ermögliche "die willkürliche Verhängung hoher Haftstrafen für öffentliche Äußerungen".
Bereits tags zuvor hatten mehrere internationale Sender und Nachrichtenagenturen ihre Arbeit in Russland eingestellt - darunter auch die US-Sender CNN und Bloomberg, die britische BBC, der kanadische Sender CBC, Radio Free Europe und die italienische RAI.
Das neue Mediengesetz schränkt die freie Meinungsäußerung in Russland massiv ein. Bis zu 15 Jahre Haft drohen jedem, der angebliche "Falschinformationen" über Russlands Streitkräfte verbreitet. Auch wer die Armee öffentlich "verunglimpfe", müsse mit Strafen rechnen. Das russische Parlament hatte zuvor der entsprechenden Gesetzesänderung zugestimmt.
"Diese Gesetzgebung scheint den Prozess des unabhängigen Journalismus zu kriminalisieren."
Was der Staatsapparat unter Falschinformation versteht? Bereits seit vergangener Woche ist es Medien in Russland verboten, in der Berichterstattung über den Krieg gegen die Ukraine Begriffe wie "Angriff", "Invasion" und "Kriegserklärung" zu verwenden. Moskau bezeichnet den Krieg als militärische "Spezialoperation". Zudem können Bußgelder verhängt werden für öffentliche Aufrufe zu Sanktionen gegen Moskau. Russische Nachrichtensender berichten derweil ganz auf Regierungslinie über die "Befreiung des Brudervolks" in der Ukraine und von angeblichen Nazis in der ukrainischen Staatsspitze.
"Diese Gesetzgebung scheint den Prozess des unabhängigen Journalismus zu kriminalisieren", wird BBC-Generaldirektor Tim Davie über Twitter zitiert. Das lasse der BBC keine andere Option, als die Arbeit aller BBC-Mitarbeiter in der Russischen Föderation zu stoppen. "Wir sind nicht bereit, sie dem Risiko der Strafverfolgung auszusetzen, nur weil sie ihren Job machen."
Ähnlich begründete der US-Sender Bloomberg seine Entscheidung. Die Verschärfung des Gesetzes scheine darauf abzuzielen, jeden unabhängigen Journalisten, jede Journalistin zu Kriminellen zu machen, sagte Chefredakteur John Micklethwait. Das mache es unmöglich, "irgendeinen Anschein von normalem Journalismus im Land fortzusetzen".
Die Folgen sind schwerwiegend. Nicht nur wird es künftig schwieriger, unabhängige Informationen über die Situation in Russland zu erhalten. Auch die Menschen in Russland haben kaum mehr Möglichkeiten, sich objektiv über den russischen Angriffskrieg in der Ukraine zu informieren. Immer mehr kritische Medien in Russland werden abgeschaltet, zuletzt die unabhängigen Sender Doschd und Echo Moskwy. Laut der Nachrichtenagentur Tass blockieren die Behörden in Russland seit Freitagabend zudem den Zugang zu Twitter und Facebook. Die US-Regierung kritisierte dieses Vorgehen als "Teil umfassenderer Bemühungen der russischen Führung, den Bürgern eine ganze Reihe von Informationen vorzuenthalten", sagte die Pressesprecherin des Weißen Hauses, Jen Psaki. Sie zeigte sich "tief besorgt" über die Bedrohung der Redefreiheit.
Im ukrainischen Kriegsgebiet müssen Journalisten unterdessen um ihr Leben fürchten. Mutmaßlich russische Truppen sollen in der Nähe von Kiew ein Team des britischen TV-Senders Sky News unter Beschuss genommen haben, wie der Sender am Samstag berichtete. Chefkorrespondent Stuart Ramsay sei verwundet worden, Kameramann Richie Mockler von Kugeln getroffen. Der Vorfall soll sich bereits am Montag ereignet haben. Beide Männer hätten den Angriff überlebt.