Krieg in der Ukraine:Das Rätsel um Lukaschenkos Kriegs-Karte

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Verrät Alexander Lukaschenko hier gerade den Kriegsplan? Oder gehört das Zeigen der Karte im Fernsehen zur Strategie? (Foto: VTV)

Es gibt keinen Krieg, behauptet der belarussische Diktator. Und stellt sich im Fernsehen vor eine Karte, die einigermaßen exakt Invasionspläne in die Ukraine zeigt. Kann das ein Versehen sein? 

Von Sebastian Gierke

Da steht er, der Diktator, mit einem Zeigestock vor einer großen Karte. Alexander Lukaschenko wirkt ein bisschen wie ein Schullehrer aus einer längst vergangenen Zeit.

Es ist ein bemerkenswerter Auftritt, den der belarussische Machthaber vor seinem nationalen Sicherheitsrat am Dienstag abliefert - übertragen im TV. Der belarussische Journalist Tadeusz Giczan hat einen Teil davon auf Twitter veröffentlicht. Ein Video, das für Diskussionen sorgt.

Lukaschenko, von dessen Land aus russische Angriffe auf das Nachbarland geführt werden, spricht bei der Sitzung unter anderem davon, dass Belarus jederzeit bereit sei, mit zu verhandeln, um Frieden zu schaffen. Und wiederholt die russische Propaganda, dass die "Operation" gegen die Ukraine von defensiver Natur seien, eine Reaktion auf Drohungen aus Kiew. Soweit, so falsch. Er erwähnt auch Iskander-Raketen und wo diese stationiert seien. ( Hier eine länger Version auf Youtube.)

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Doch die Karte, vor die sich Lukaschenko dann mit dem Zeigestock stellt, zeigt mehr. Sie zeigt vor allem die Ukraine. Sie zeigt Pfeile und Markierungen, Invasionsrouten und Angriffsziele.

Enthüllt Lukaschenko Putins Invasionsplan?

Gibt also der engste Verbündete und militärische Unterstützer von Kremlchef Wladimir Putin hier den Kriegsplan preis? Enthüllt Lukaschenko Putins Invasionsplan? Und behauptet quasi gleichzeitig, dass es eine Invasion, einen Krieg gar nicht gibt?

Klar ist: Die Karte zeigt in groben Strichen tatsächlich das, was gerade in der Ukraine geschieht. Sie zeigt grob Wege, die russische Truppen nehmen. Zum Beispiel, dass eine Landbrücke zwischen der Krim und dem Donbas geschaffen werden soll. Oder dass Truppen von Norden auf Kiew vorrücken sollen.

Die vier Bereiche, in die die Ukraine auf der Karte aufgeteilt ist, stellen anders als auf Twitter immer wieder vermutet, wohl auch keine Pläne dar, wie das Land künftig aufgeteilt werden könnte. Sie zeigen wohl eher die vier "Operationals Commands" des Landes, die militärischen Einsatzkommandos Norden, Osten, Süden und Westen.

Die Karte zeigt aber nicht nur den Ist-Zustand. Einige auf ihr eingezeichnete Vorstöße sind - noch? - nicht geschehen. So zeigt ein Pfeil einen Vorstoß aus dem Nordosten, dem Bereich um die Stadt Sumy, ins Landesinnere, Richtung Tscherkassy und Krementschuk am Dnjepr-Strom. Dass dies noch nicht geschehen ist, könnte daran liegen, dass um Sumy immer noch gekämpft wird.

Warum zeigt Lukaschenko das?

Außerdem ist beispielsweise eine Landeaktion vom Wasser aus in der Millionenstadt Odessa am Schwarzen Meer eingezeichnet. Ein weiterer roter Pfeil suggeriert auch, dass von Odessa aus eine Verbindung in das Nachbarland Moldau, wo bereits russische Truppen stationiert sind, geschaffen werden soll. Dass dies zu Putins Plan gehört, vermuten westliche Geheimdienste allerdings nicht erst seit Beginn der Invasion. Die Karte enthält also, von heute aus betrachtet, keine Geheimnisse.

Aber warum zeigt Lukaschenko sie? Manche vermuten, es sei ein Versehen. Eine Unachtsamkeit. Doch das erscheint unwahrscheinlich. Kann man eine solche Karte bei einer TV-Übertragung einfach vergessen?

Eher anzunehmen ist, dass es sich um eine Täuschung, eine Ablenkung handelt. Vor allem Putin ist bekannt dafür, dass er die Taktik des "Maskirovka", eine Jahrhunderte alte russische Kriegsstrategie, sehr gern einsetzt. Täuschen und tarnen, lügen und Angst schüren, irreführen und ablenken. Das gehört zu Putins Vorgehen. Und wohl auch zu der seines Verbündeten Lukaschenko. Die Informationen, die die Karte beinhaltet, beispielsweise die Landeaktion in Odessa, können also keineswegs als gesichert gelten. Ausschließen kann man solche Pläne deshalb aber auch nicht.

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