Krieg in Afghanistan:Mit den Taliban am Tisch

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Erstmals hat sich die afghanische Regierung mit den Taliban in Mekka zu Verhandlungen getroffen. Beobachter begrüßen die von den Saudis vermittelten Gespräche.

Ulrich von Schwerin

Rein militärisch ist der Krieg in Afghanistan nicht zu gewinnen - diese Erkenntnis hat sich offenbar nicht nur bei der afghanischen Regierung durchgesetzt, sondern auch bei einem Teil der Taliban. Ende September haben sich auf saudische Vermittlung erstmals Vertreter beider Seiten in Mekka zu Friedensgesprächen getroffen. Nach Informationen von CNN nahmen neben dem saudischen König Abdullah Vertreter von Afghanistans Staatspräsident Hamid Karsai, Talibanführer Mullah Omar und Gulbuddin Hekmatyar, Führer der islamistischen Partei Hezb-i Islami, an dem Treffen teil.

Schon vor Jahren hat Hamid Karsai seine Bereitschaft erklärt, mit den Aufständischen über eine Lösung des Konflikts zu verhandeln. Seinen Gegnern hat er eine Amnestie versprochen. (Foto: Foto: AFP)

Deutsche Beobachter werten das Treffen als Versuch der Taliban, sich von dem Terrornetzwerk al-Qaida zu distanzieren. Sie begrüßen diesen Schritt, warnen aber vor zu hohen Erwartungen.

Ursula Koch-Laugwitz, Leiterin der Friedrich-Ebert-Stiftung in Kabul und der frühere Isaf-Kommandant, Generalleutnant a. D. Götz Gliemeroth halten die Gespräche nicht nur legitim sind, sondern auch notwendig. "Es ist klar, dass die internationale Gemeinschaft niemals bereit sein wird, so viele Soldaten zu stellen, wie notwendig wären, den Konflikt zu gewinnen", sagte Koch-Laugwitz zu sueddeutsche.de. Selbst im Fall eines militärischen Erfolgs bliebe die Frage, wie man langfristig in dem ethnisch und politisch zerrissenen Land Stabilität sichern könne.

Gliemeroth geht davon aus, dass sogar die USA die Gespräche unterstützen. "Die USA haben lange die Position vertreten, man dürfe sich mit Terroristen nicht an einen Tisch setzen." Inzwischen hätten aber auch sie verstanden, dass zwischen der national orientierten Taliban-Bewegung und dem international ausgerichteten Al-Qaida-Netzwerk zu unterscheiden sei, sagte Gliemeroth zu sueddeutsche.de. "Dass die USA in Mekka nicht mit am Tisch sitzen, muss nicht heißen, dass sie die Gespräche nicht unterstützen."

Die Chefin der Kabuler Ebert-Stiftung warnt davor, rasche Ergebnisse zu erwarten. "Als Zeichen der Schwäche ist die Einwilligung der Taliban zum Gespräch nicht zu werten", sagt Koch-Laugwitz. "Im Gegensatz zur Regierung gewinnen die Taliban auch dann an Einfluss, wenn sie militärisch an Boden verlieren." Sie müssten die Regierung nicht besiegen. Es reiche, wenn sie Stabilität verhinderten. Allerdings, so Koch-Laugwitz, hätten die Taliban bisher nur destruktive, keine konstruktive Macht. Von den Verhandlungen erhofften sie sich womöglich mehr Gestaltungsmacht.

Lesen Sie auf der nächsten Seite, wie Generalleutnant a. D. Gliemeroth die Lage einschätzt, und erfahren sie mehr über den Hintergrund der Verhandlungen.

Diese Einschätzung teilt Gliemeroth nicht. "Die Angriffe der Taliban haben in den letzten Jahren zwar zugenommen", sagt der Offizier, der bis August 2004 die Friedenstruppen in Afghanistan geführt hat. "Die Taliban können sich aber in der Bevölkerung nicht bewegen wie Fische im Wasser, vielfach müssen sie sich die Unterstützung mit Gewalt erzwingen." In weiten Teilen des Landes, seien die Taliban nicht willkommen, sondern gefürchtet. Es stelle sich daher auch für sie die Frage, wie es langfristig weitergeht.

Von dem Gründer und Führer der Taliban, dem einäugigen Mullah Omar, gibt es kaum Bilder. Der Paschtune wird derzeit im afghanisch-pakistanischen Grenzgebiet vermutet. (Foto: Foto: AP)

Mit dem Versuch, in einer direkten militärischen Konfrontation die Macht zurückzuerobern, so Gliemeroth, seien die Taliban 2003 und erneut 2005 blutig gescheitert. Die Bomben- und Selbstmordangriffe, auf die sie sich seitdem verlegt haben, richteten zwar großen Schaden an, Territorium sei damit aber nicht zu erobern. Im Norden seien sie kaum verwurzelt. Sein Eindruck ist, dass die Attentäter, mit denen die Bundeswehr dort zu tun hat, vorwiegend nicht aus der Region stammen, sondern von außen eingeschleust sind.

Seit Jahren gibt es Versuche Karsais, die Taliban für Verhandlungen zu gewinnen. Immer wieder kam es auf verschiedenen Ebenen zu Gesprächen, meist jedoch nur mit begrenzter Zielsetzung. Erstmals hat Karsai 2004 im Rahmen des Programms zur nationalen Versöhnung Rebellen eine Amnestie versprochen, sollten sie die Waffen niederlegen. Anfang 2006 hat er dieses Angebot ausdrücklich auf Mullah Omar und Gulbuddin Hekmatyar ausgeweitet, nichtafghanische Kämpfer hingegen ausgenommen.

Die Taliban sind in ihrer Haltung zu Gesprächen gespalten. Die Gruppe junger, radikaler Feldkommandeure, die in den letzten Jahren in Südafghanistan die Führung übernommen hat, will kämpfen bis zum Sieg. Die Exilführung um Mullah Omar hingegen sucht nicht nur Kontakt zu Karsai, sondern versucht seit einiger Zeit auch, sich von al-Qaida zu lösen. Im Februar distanzierte sich der einäugige Talibangründer in einem Schreiben vom globalen Dschihad. Seine Bewegung, so versicherte er, stelle für niemanden außerhalb Afghanistans eine Bedrohung dar.

Auch auf Seiten der Regierung unterstützen nicht alle eine Verhandlungslösung. Während die Paschtunen um Karsai Gespräche befürworten, lehnen die Minderheiten der Tadschiken, Usbeken und Hazara jeden Kontakt ab. Sie hatten unter der Herrschaft der mehrheitlich paschtunischen Taliban besonders gelitten und misstrauen Karsai. Sie fürchten, dass am Ende die ethnischen Gemeinsamkeiten stärker sind als die ideologischen Gegensätze - und sich Karsai mit den Taliban auf Kosten der Minderheiten einigt.

Von Beobachtern in Kabul war zu erfahren, dass das nächste Treffen Mitte November geplant ist.

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