Krieg im Kaukasus:Der Kreml und sein Krieger

Der ruissische Ministerpräsident Wladimir Putin gibt sich zupackend und als starker Regierungschef - sein Präsident Medwedjew schaut zu.

Cathrin Kahlweit

Wladimir Putin zeigt sich der Welt in diesem Krieg zwischen Russland und Georgien, wie sie ihn kennt: entschlossen, ja martialisch. Während sein Nachfolger im Amt des russischen Präsidenten, Dmitrij Medwedjew, sich im blauen Anzug im Kreml filmen lässt und dabei freundlich wie ein Bär mit Bubengesicht in die Kamera schaut, steht der Ministerpräsident in weißer Sportjacke im nordossetischen Wladikawkas und schüttelt mit entschlossenem Blick die Hände von Offizieren.

Krieg im Kaukasus: Wladimir Putin (l.) und Dmitrij Medwedjew: Wer zieht welche Fäden im Kreml?

Wladimir Putin (l.) und Dmitrij Medwedjew: Wer zieht welche Fäden im Kreml?

(Foto: Foto: dpa)

Und während der Präsident in Moskau sich mit der Zusage zitieren lässt, Moskau werde den Südosseten beim Wiederaufbau helfen, spart der ehemalige KGB-Offizier Putin nicht mit aggressiver Rhetorik. Georgien begehe in Südossetien einen "Völkermord", sagt er bei seinem Besuch bei einer Truppeneinheit.

2000 Tote und mindestens 30.000 Flüchtlinge habe Tiflis zu verantworten, das schreie nach "Vergeltung". Der Vormarsch georgischer Truppen sei ein "Verbrechen"; Georgien ziehe im Falle einer Nato-Mitgliedschaft andere Länder in seine "blutigen Abenteuer" mit hinein.

Seltsam nur: Eigentlich ist der Ministerpräsident gar nicht für Russlands Außenpolitik zuständig. Die Verantwortung dafür liegt - theoretisch - beim Präsidenten. Der telefoniert, der russischen Agentur Interfax zufolge, intensiv mit westlichen Staatsführern und ist offiziell um eine Deeskalation bemüht.

Putin gegen Sarkozy

Putin indes, der zur Eröffnung der Olympischen Spiele in Peking gewesen war, legt sich derweil offen mit dem amtierenden EU-Ratspräsidenten Nicolas Sarkozy an. Bei einem Treffen mit dem Franzosen in Chinas Hauptstadt, bei dem Sarkozy, wie die Nesawissimaja Gazeta meldet, eine Rückkehr zum Status quo ante - also einen Rückzug nicht nur georgischer, sondern auch russischer Truppen aus Südossetien und Abchasien - forderte, habe Putin gesagt, das sei mit Russland nicht zu machen.

Angesichts der humanitären Katastrophe könne von einem Rückzug der zur Verstärkung entsandten Truppen keine Rede sein. Putins Botschaft ist eindeutig: Wir bleiben drin.

Wie zu Zeiten des Kalten Krieges, als sich Moskau in rigider Abschottung übte, ist dies die Stunde der Kremlologen. Hat Medwedjew überhaupt die ganze Macht, fragen sich Fachleute. Oder erweist sich in der aktuellen Krise, was schon lange gemutmaßt wurde: dass er eine Marionette seines Vorgängers ist, der mal eben nassforsch Ruhe an der südlichen Flanke Russlands schaffen will?

Die New York Times vermutet, dass Putin de facto die militärischen Operationen dirigiere und damit die Autorität von Medwedjew unterminiere. Russische Blätter konzentrieren sich in ihrer Berichterstattung weitgehend auf den Ministerpräsidenten - allerdings bietet dieser mit seinen Besuchen bei Generälen in Tarnuniform die besseren Bilder und mit seiner Forderung an den Präsidenten, dieser müsse dringend den Völkermord in Südossetien untersuchen lassen, die besseren Schlagzeilen.

Unklar ist auch, welches Kraftzentrum in Moskau derzeit die Politik maßgeblich bestimmt. Offiziell ist die Kaukasus-Politik beim Außenministerium angesiedelt, aber auch das Verteidigungsministerium sowie FSB und SWR, Geheimdienst und Auslandsaufklärung, haben ihre Interessen.

Eine klare Zuständigkeit ist derzeit nicht zu erkennen: Präsident, Ministerpräsident, Außenminister, der Generalstabschef, Kommandeure in Südossetien, der russische Menschenrechtsbeauftragte, der russische UN-Botschafter - sie alle erklären wortreich russische Politik.

Schuldvorwürfe an den Westen

Einig ist sich die Moskauer Presse mit der russischen Administration, dass der Westen voreingenommen sei und die russische Position nicht zur Kenntnis nehmen wolle: Die Informationen, die aus Moskau im Westen ankämen, seien "verdreht oder blockiert", zitiert die Nesawissimaja Gazeta "diplomatische Kreise".

Westliche Medien sendeten stundenlang Einlassungen des georgischen Präsidenten Michail Saakaschwili, aber wenn der russische Präsident vor die Kameras trete, werde das weit weniger zur Kenntnis genommen.

Die Position Moskaus bei den UN ist derweil ebenso starr wie die der USA, die hinter Kriegsgegner Georgien stehen. Russland sprach sich in New York gegen einen Waffenstillstand mit Tiflis aus. Die georgischen Truppen müssten sich vielmehr aus Südossetien zurückziehen und garantieren, keine Gewalt gegen die Menschen in der abtrünnigen Region anzuwenden, forderte der russische UN-Botschafter Vitali Tschurkin auf der dritten Sondersitzung des Weltsicherheitsrats seit Beginn der Kämpfe.

Allerdings meldet Georgien bereits den Abzug seiner Kräfte - die kleine Republik hat dem russischen Militär nichts entgegenzusetzen. Einen Gewaltverzicht wiederum hatte Moskau schon früher zur Bedingung für jedwede Kompromisslösung gemacht, und Tiflis hatte ihn schon früher verweigert - mit Verweis auf die militärischen Provokationen der russischen Seite. Der Informationskrieg, der mittlerweile durchaus zu einem Propagandakrieg mutiert ist, verschärft sich parallel zum militärischen Vorgehen Moskaus in der Region.

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