Krieg im Gaza-Streifen:Hilflose Mission

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Bundesaußenminister Steinmeier ist auf Friedensmission zwischen Kairo und Tel Aviv. Der Minister bot deutsche Hilfe an - doch die Lage ist verzwickt.

Tomas Avenarius

Es wirkte wie eine Mischung aus militärischem Muskelspiel und politischer Botschaft, das Ganze in klassischer Cowboy-Manier. Knapp eine Stunde vor dem Eintreffen des deutschen Außenministers am ägyptisch-palästinensischen Grenzübergang in Rafah begann die israelische Luftwaffe zu bombardieren. Ob mit Wissen der Regierung in Jerusalem oder nicht: Jets überflogen das Gebiet, Sprengbomben und Raketen schlugen wenige hundert Meter vom Grenztor entfernt ein, Rauchpilze stiegen in der Dämmerung auf.

Bundesaußenminister Frank-Walter Steinmeier hat den ägytischen Grenzübergang Rafah nach Gaza besucht. (Foto: Foto: dpa)

Sollte der Rafah-Besucher Frank-Walter Steinmeier also wirklich gehofft haben, das ein Waffenstillstand zwischen Israelis und Palästinenser in greifbarer Nähe sein sollte, wurde er eines Besseren belehrt: Das israelische Bombardement des Grenzstreifens mit seinen hunderten von Waffenschmugglertunnels hielt während seines einstündigen Aufenthalt am Grenzübergang ununterbrochen an.

Heikle Mission

Der Berliner Minister, unterwegs auf Friedensmission zwischen Kairo und Tel Aviv, ließ ohnehin erkennen, dass auch er nicht mit einem allzu schnellen Ende des Krieges zwischen Israel und der palästinensischen Hamas rechnet. Steinmeier sprach in Rafah gebetsmühlenartig immer wieder denselben einen Satz in die Mikrophone: "Wir müssen dafür sorgen, dass auf der Waffenstillstand-Resolution von New York rasch ein wirklicher Waffenstillstand wird." Wie das umzusetzen sei, sagte der deutsche Diplomat aber nicht. Das wirkte eher hilflos.

Überhaupt war nicht so ganz klar, was Steinmeier am frühen Abend am weit von Kairo entfernten Grenztor in Rafah eigentlich wollte. Zu sehen war dort nicht viel: Deutsche Hilfsgüter hatte der Minister nicht dabei, die meisten Ambulanzwagen mit den palästinensischen Verwundeten waren längst weg, und für die wenigen verbliebenen hatte Steinmeier kein Auge, ägyptische Politiker waren keine da. Der Lagevortrag des ägyptischen Oberst über die Arbeit am Grenztor war auch nicht besonders aufschlussreich. Der Uniformierte referierte, wie viel Tonnen Medikamente und wie viel Tonnen Lebensmittel schon nach Gaza gerollt seien. Zahlen also, die der Außenamts-Chef auch in Kairo leicht hätte erfahren können.

So blieben eigentlich nur die Interviews fürs deutsche Fernsehen: Vom Außenminister gegeben auf dem Dach des Zollgebäudes, unter der skurril vom nahöstlichen Vollmond beschienenen Grenztor-Kulisse, lautmalerisch unterlegt von den nicht eingeplanten Explosionen israelischer Bomben. Das Ganze war am Ende mehr etwas fürs heimische ZDF-und-ARD-Publikum denn für den Nahost-Friedensprozess als solchen.

Diplomatie mit Mubarak

Politik aber hatte Steinmeier zuvor in Kairo gemacht. Er hatte mit dem ägyptischen Staatschef Hosni Mubarak gesprochen. Mubarak ist eine der Schlüsselfiguren im diplomatischen Bemühen, den inzwischen zwei Wochen alten Gaza-Krieg zu beenden: Die Zahl der Opfer liegt auf der palästinensischen Seite inzwischen bei mehr als 800 Toten und 3500 Verletzten; in Israel starben bisher drei Zivilisten und rund ein Dutzend Soldaten.

So bot der Berliner Minister Ägypten deutsche Hilfe bei der Überwachung der Grenze und der Unterbindung des Waffenschmuggels durch die Tunnel an: Ein Ende des unterirdischen Waffenimports ist eine der wichtigsten Bedingungen Israels für ein Ende des Kriegs. "Wir können technische Hilfe leisten", sagte Steinmeier. "Wir haben in Europa große Erfahrung in der Grenzsicherung. Unter anderem auch durch den Schengen-Prozess."

Dass deutsche Polizisten ohne jede Vollzugsgewalt gegen das ausufernde Schmugglerunwesen in Rafah wenig werden ausrichten können, wird Steinmeier von seinen Mitarbeitern in der Kairoer Botschaft gehört haben. Sein Vorschlag ist im Kern aber rein politisch gemeint. Er könnte Israel eine goldene Brücke bauen: Ohne vorweisbares Ergebnis kann Jerusalem den schwer zu beendenden Waffengang den eigenen Bürgern weder erklären noch mit Siegesfanfaren abschließen.

Wäre die Gaza-Grenze - zumindest der Schriftform nach - international überwacht, könnte Israel behaupten, eines seiner Kriegsziele im Kampf gegen Hamas erreicht zu haben. Es wäre die Art diplomatischer Augenwischerei, die 2006 mangels wirklich umsetzbarer Grundsatzlösungen erfolgreich geholfen hat, den Krieg zwischen Israel und der Hisbollah im Libanon zu beenden.

Die Überwachung der ägyptisch-palästinensischen Grenze mit deutscher Hilfe könnte am Ende also wirklich wichtiger Teil einer Waffenstillstandslösung sein. Doch selbst dieses Detail ist bisher nicht gesichert. So stellte Steinmeier klar, dass die Regierung in Kairo "sehr sensibel" sei, wenn es um die Überwachung der Grenze und damit um Fragen der ägyptischen Souveränität geht. Will heißen: Ägypten hat große Vorbehalte gegen die Stationierung einer Art Friedenstruppe an seiner Grenze.

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Internationale Überwachung?

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Genau solch eine internationale Überwachung der Grenze hat Israel ins Spiel gebracht. Jerusalem will sicherstellen, dass die Hamas keine Raketen mehr nach Gaza schießen kann. Es macht dies zu einer der Voraussetzungen eines Waffenstillstands. Die weiter reichenden Hamas-Raketen kommen ohne Zweifel durch die Schmugglertunnel von Ägypten aus nach Gaza. Der andere Teil - vor allem Raketen geringer Reichweite - wird in Gazas Kellern und Hinterhöfen selbst zusammen gebaut: mit Sprengstoff, der durch die Tunnel gebracht wird.

Doch internationale Einmischung an Ägyptens Grenzen ist nicht nach Mubaraks Geschmack. Wie empfindlich der Ägypter beim Thema Grenzsicherung reagieren, zeigte sein Außenminister Ahmed Aboul Gheit. Er erwiderte Steinmeiers Angebot technischer Polizeihilfe mit der dreisten Behauptung, die Waffen der Hamas kämen großteils über das Meer nach Gaza. Dies ist erkennbar vorgeschoben: Die israelische Marine kontrolliert die Küste von Gaza. Und das Problem des Waffenschmuggels durch die Tunnel unter den Augen der ägyptischen Polizei ist seit Jahren bestens bekannt.

Vielleicht war das der wirkliche Grund für Steinmeiers Reise nach Rafah: Der Minister kann nun sagen, er habe sich vor Ort um Ägyptens ernsthaften Bemühungen und Problemen in Sachen Grenzsicherung vertraut gemacht. Der deutsche Außenminister betonte dann auch mehrfach die wertvolle diplomatische Rolle Ägyptens. Präsident Mubarak habe wesentlich dazu beigetragen, dass es im Sicherheitsrat der Vereinten Nationen "in New York zu einer Waffenstillstandsresolution ohne Gegenstimmen gekommen ist".

Verhandlungen über Ägypten

Steinmeier weiß, dass Mubaraks Stimme Gewicht hat unter den arabischen Staaten. Vor allem ist Ägypten bisher der einzige Mittelsmann, der mit Hamas wenigstens halbwegs offiziell verhandelt. Kairo unterhält als einzige am Vermittlungsprozess beteiligte Partei einen direkten Draht zur Hamas. Vertreter der radikal-islamischen Palästinenserorganisation waren dann am Wochenende auch in der ägyptischen Hauptstadt: sowohl aus Gaza selbst als auch Abgesandte von deren Auslandsvertretung in Syrien.

Wie wenig vertrauensvoll aber auch Ägyptens Verhältnis zu den Machthabern in Gaza ist, zeigte sich daran, wer kam: es waren Hamas-Politiker der zweiten und dritten Garnitur. Die können alleine nichts entscheiden. Führer wie der in Syrien sitzende Auslandschef und Hamas-Hardliner Khaled Meshal erschienen nicht. Syrien selbst, in Israel, den USA, Europa und auch den anderen arabischen Staaten mit großem Misstrauen betrachtet, könnte neben Ägypten auch Vermittler sein: Dort hat die Auslandsvertretung der Radikal-Islamisten ihren Sitz. Umso auffälliger, dass Steinmeier auf seiner Nahost-Reise nicht auch nach Damaskus geflogen ist. Es zeigt, dass Syrien bisher nicht in den Gaza-Friedensprozess integriert ist oder nicht integriert sein will.

Ohne direkten Draht zur Hamas als Konfliktpartei wird sich der Krieg kaum beenden lassen. Steinmeier jedenfalls flog nach seinem Besuch in Rafah weiter nach Israel, um wenigstens mit der anderen Kriegspartei direkt zu reden. Und wie um zu bestätigen, dass auch der deutsche Außenminister bisher nicht weiß, wie sich der Gaza-Krieg beenden lässt, wiederholte Steinmeier am Grenzübergang in Rafah ein letztes Mal: "Es ist unsere verdammte Pflicht, zu helfen, dass die Resolution über einen Waffenstillstand ein wirklicher Waffenstillstand wird."

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