Krieg im Gaza-Streifen:Der Schrecken hat seinen Zweck erfüllt

Weil die Hamas weniger Raketen auf Israel schießt, könnte die Militäroffensive bald enden. Doch über die Strategie sind Israels Politiker uneins.

Thorsten Schmitz, Tel Aviv

Fast drei Wochen nach Beginn der israelischen Offensive gegen die radikal-islamische Hamas im Gaza-Streifen verdichten sich die Anzeichen, dass die "Operation gegossenes Blei" demnächst gestoppt werden könnte.

Krieg im Gaza-Streifen: Eine gewaltige Explosion in Rafah im südlichen Gaza-Streifen nach einem israelischen Luftangriff.

Eine gewaltige Explosion in Rafah im südlichen Gaza-Streifen nach einem israelischen Luftangriff.

(Foto: Foto: Reuters)

Außenministerin Tzipi Livni erklärte am Dienstag in einem Rundfunk-Interview, Israels Abschreckungspotential sei wiederhergestellt. Sie verwies auf die niedrigere Anzahl von Raketen, die in den vergangenen Tagen vom Gaza-Streifen aus auf Israel abgefeuert worden seien.

Zu Beginn der Offensive hatte Hamas Israel täglich mit bis zu 80 Raketen und Granaten beschossen, inzwischen sind es etwa 20. Livni wiederholte allerdings am Dienstag, dass man kein Abkommen schließen werde: "Wir werden nicht mit Hamas im Weißen Haus Hände schütteln und einen Waffenstillstandsvertrag unterzeichnen."

Zuvor hatte Regierungschef Ehud Olmert gesagt, er hoffe auf "ein schnelles Ende" des Armee-Einsatzes, allerdings müsse sichergestellt sein, dass Hamas nach einem Rückzug Israel nicht wieder mit Raketen angreife und der Waffennachschub durch die Tunnel zwischen Ägypten und dem Gaza-Streifen gestoppt werde.

Mehr Schaden als Nutzen

Wie bereits im Libanonkrieg vor zwei Jahren sind Livni und Olmert sich uneinig über die weitere Strategie. Nach Ansicht Livnis haben die Bilder der Zerstörung, trotz massiver israelischer Kampagnen, einen zu großen Schaden verursacht, als dass Israel die Operation fortsetzen sollte. Livni bereitet deshalb schon jetzt verbal das Ende vor, obwohl zu Beginn der Woche noch einmal Tausende Reservisten einberufen wurden.

Livni möchte auch vermeiden, dass UN-Generalsekretär Ban Ki Moon die scharfe Kritik an Israel fortsetzt. Moon wird am Donnerstag in Jerusalem und Ramallah erwartet und hat sich bereits mehrfach enttäuscht darüber geäußert, dass Israel und Hamas bislang nicht der Resolution über eine Waffenruhe Folge geleistet haben.

Livni ist sich mit Verteidigungsminister Ehud Barak einig, dass die Offensive vor der Amtseinführung des neuen amerikanischen Präsidenten Barack Obama kommenden Dienstag beendet werden solle. Beide haben zudem den Wahltermin 10. Februar im Auge und wollen den Krieg in den verbleibenden Wahlkampf-Tagen als Erfolg für sich verbuchen.

Der Schrecken hat seinen Zweck erfüllt

Olmert dagegen, der sich im Februar aus dem politischen Leben zurückziehen wird, ist geradezu euphorisch darüber, dass der Krieg aus der Sicht Israels gut läuft und er damit seinen Ruf nach dem verfehlten Libanonkrieg und den Korruptionsvorwürfen polieren kann. Bislang hat die Armee eigenen Angaben zufolge zweitausend Ziele bombardiert, darunter zweihundert Schmuggel-Tunnel und ebenso viele Waffenlager.

Olmert besucht die Truppen, klopft auf Schultern von Offizieren und lobt den Zusammenhalt in der Bevölkerung, die zu fast 90 Prozent den Gaza-Krieg unterstützt. Olmert ist sich auch mit der Armee-Führung einig, dass ein Rückzug zum jetzigen Zeitpunkt verfrüht sei. Der scheidende Regierungschef favorisiert den Beginn der dritten Phase, also das Eindringen der Truppen in Städte und dicht besiedelte Flüchtlingslager.

Womöglich aber muss die dritte Phase gar nicht begonnen werden. Hamas spricht seit ein paar Tagen mit verschiedenen Stimmen, was auf einen Dissens schließen lässt. Die Führung um den im syrischen Exil lebenden Hamas-Chef Khaled Meschaal fordert eine Fortsetzung der Kämpfe. Er bemüht dabei das Bild des "Holocaust" und sagt, angesichts von 900 getöteten Palästinensern dürfe Hamas den Kampf nicht einstellen. Meschaal fungiert auch als Sprachrohr Irans, das Hamas mit Waffen versorgt.

Die weiße Fahne liegt bereit

Die ägyptische Regierung dagegen wollte am Dienstag die Gespräche mit vier Hamas-Vertretern aus Syrien und Libanon über eine Waffenruhe fortsetzen. Noch sind alle Versuche Kairos, den von den UN in New York geforderten Waffenstillstand zu erreichen, fehlgeschlagen.

Bislang hatte auch die Hamas-Führung im Gaza-Streifen eine Fortsetzung der Raketenangriffe angekündigt. In der Nacht zu Dienstag aber meldete sich Regierungschef Ismail Hanija von seinem Bunkerversteck aus und nährte Spekulationen, er wolle die weiße Flagge hissen. Der Bunker soll unterhalb des Schifa-Krankenhauses liegen. In einer aufgezeichneten Ansprache erklärte Hanija: "Wir werden mit jeder Initiative kooperieren, die ein Ende der Offensive und die Öffnung der Grenzübergänge mit sich bringt."

Der Chef der politischen Abteilung im israelischen Verteidigungsministerium, Amos Gilad, sieht Hamas ebenfalls gespalten. In einem Interview mit der Tageszeitung Jediot Achronot sagte der für die Waffenruhe-Gespräche mit Ägypten verantwortliche Reserve-Offizier: "Hamas will eine Waffenruhe und versucht jetzt noch zu retten, was zu retten ist."

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