Krieg gegen IS:Zufallstreffer gegen den Terror

Abu Bakr al-Baghdadi

Über den Zustand des selbsternannten Kalifats-Emirs kursieren die verschiedensten Gerüchte im Irak.

(Foto: AP)

Wurde der IS-Anführer Abu Bakr al-Bagdadi bei einem Luftangriff getötet? Schwer zu sagen. Die Geheimdienste der USA geraten bei der Informationsbeschaffung im Irak und in Syrien an ihre Grenzen.

Von Paul-Anton Krüger, Kairo

Es ist Tag vier nach einem US-Luftangriff auf einen Konvoi der Terrormiliz Islamischer Staat nahe der nordirakischen Millionenstadt Mossul. Und noch immer ist nicht klar, ob der selbsternannte Emir des Kalifats, Abu Bakr al-Bagdadi, sich in einem der zehn Fahrzeuge befand, ob er verwundet ist oder gar getötet wurde.

Im Irak schwirren die verschiedensten Gerüchte herum. Doch Gewissheit gibt es keine. "Wir haben derzeit keine bestätigten Informationen über seinen Zustand", sagte der stellvertretende Sicherheitsberater von US-Präsident Barack Obama, Ben Rhodes, am Dienstag in Peking, wo sich der Präsident zu einem Staatsbesuch aufhielt.

Regierung in Bagdad ist keine große Hilfe

Der Fall zeigt, wie schwierig es für die USA und ihre westlichen wie arabischen Verbündeten geworden ist, im Irak und in Syrien zuverlässige Information über die IS-Kämpfer zu sammeln - und damit eine Grundlage für ihre Luftschläge und eine in Planung befindliche Offensive von irakischer Armee und kurdischen Peschmerga zu schaffen.

Die Regierung in Bagdad ist dabei keine große Hilfe: Das Staatsfernsehen berichtet unter Berufung auf das Innenministerium, al-Bagdadi sei am Samstag bei einem Angriff irakischer Spezialeinheiten getötet worden. Zuvor hatte Verteidigungsminister Chalid al-Ubaidi behauptet, der IS-Anführer sei bei einem Luftangriff am Freitag verletzt worden.

Zwar können die USA und ihre Alliierten über dem Irak und den von den IS-Milizen gehaltenen Gebieten in Syrien ungehindert operieren, doch haben die Luftschläge die IS-Miliz bislang nicht entscheidend schwächen können. Es fehlt an präzisen Informationen, zudem haben die Kämpfer ihre Taktik angepasst. Mehr als 3200 Angriffe haben Kampfjets seit Anfang August geflogen. Boten sich ihnen anfangs noch Konvois von Dutzenden Fahrzeugen in der offenen Wüste als leichte Ziele, werden inzwischen nicht einmal mehr bei jedem vierten Einsatz Bomben abgeworfen.

Ausbildungslager, Kommandozentralen und andere feste Einrichtungen wurden in den ersten Wochen zerstört, ebenso etliche improvisierte Raffinerien. Inzwischen haben sich die IS-Milizionäre verschanzt, versuchen, sich unsichtbar zu machen für die Aufklärungssensoren der Drohnen und Kampfflugzeuge, die zudem mit Sandstürmen und schlechtem Wetter zu tun haben.

Die Kämpfer vermeiden es, sich in größeren Gruppen zu bewegen, sie mischen sich bewusst unter die Zivilbevölkerung. Gerade die aber wollen die Kommandeure der US-Luftwaffe nicht vergrätzen, sie handhaben die Freigabe für den Waffeneinsatz deswegen restriktiv.

Eine Straßensperre hier, ein Panzerfahrzeug da

Die Piloten landen inzwischen überwiegend Zufallstreffer - eine Straßensperre hier, ein Panzerfahrzeug da oder ein Artilleriegeschütz dort. Sie fliegen selten mehr als zehn Einsätze am Tag. Auch die in Afghanistan und einst im Irak als Wunderwaffe gefeierten Kampfdrohnen helfen offenbar wenig weiter. Sie bestreiten nur 15 bis 20 Prozent der Missionen, obwohl sie lange und mit wenig Risiko über feindlichem Gebiet kreisen können.

An Grenzen stößt auch die Abhörmaschinerie der zum Militär gehörenden NSA und des Auslandsgeheimdienstes CIA, die dem US-Militär eigentlich in Echtzeit zu einem Lagebild verhelfen sollen, das allen anderen überlegen ist. Die Kommandeure der IS-Milizen haben schnell verstanden, dass ein einmal identifiziertes Handy oder Satellitentelefon den Amerikanern Ziele verrät, sobald es eingeschaltet wird. Sie haben deswegen ihre Kommunikation über solche verwundbaren Kanäle auf ein Minimum beschränkt.

IS-Milizen haben schnell verstanden

Inzwischen werten die Amerikaner selbst die Kommunikation des syrischen Regimes aus, um an Informationen über den IS zu kommen. Eigentlich war Syriens Regierung angezapft worden, um über die Aktivitäten von Diktator Baschar al-Assad und seinen Schergen im Bild zu sein.

Die CIA hat aus Sicherheitsgründen keine Agenten in Syrien im Einsatz. Allenfalls einige Hundert von den USA ausgebildete Rebellen sowie Geheimdienstler aus den Golfstaaten liefern Informationen aus erster Hand. Ebenso wenig operieren US-Spezialeinheiten in Syrien oder im Irak - so fällt es schwer, sich nach einem Luftangriff jenseits von Video- und Satellitenbildern ein Bild über deren Wirkung zu verschaffen.

Kommandoeinsätze hatten im Irak oder Afghanistan oft die wertvollsten Informationen erbracht: Mal fanden die Elitesoldaten ein Buch mit Telefonnummern, das ein Netzwerk von Kämpfern offenlegte, mal wurden sie einer Festplatte oder eines Handys habhaft.

Einen solchen Fund machten bislang im Juni nur irakische Einheiten, als ihnen ein Kurier des damaligen Chefs des IS-Militärrats ins Netz ging. Im Haus von Abdulrahman al-Bilawi stießen sie auf mehr als 160 Datenträger.

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