Türkei rechnet mit 70 000 Flüchtlingen aus der Region
Schwere Gefechte in Nordsyrien zwingen Zehntausende Bewohner der Region um die Großstadt Aleppo zur Flucht in Richtung Türkei. Bis zu 30 000 syrische Flüchtlinge harren nahe der geschlossenen Grenze am Übergang Bab al Salam sowie in der Stadt Asas nur wenige Kilometer vom türkischen Staatsgebiet entfernt aus, wie die Vereinten Nationen in Amman mitteilten. Ob und wann die Menschen in die Türkei eingelassen werden, ist unklar. Es droht eine humanitäre Katastrophe.
Die türkische Regierung rechnet mit bis zu 70 000 Flüchtlingen aus der Region um Aleppo, Menschenrechtler gehen von etwa 40 000 Vertriebenen in der Provinz aus. Die Türkei hat mit 2,5 Millionen Menschen die meisten Menschen aus Syrien aufgenommen. "Wir werden unsere Politik der offenen Tür fortsetzen", hatte der türkische Ministerpräsident Ahmet Davutoğlu am Donnerstag in London bei der Syrien-Geberkonferenz gesagt. Die regierungsnahe türkische Zeitung Yeni Şafak berichtete, Versorgungsgüter, unter anderem Zelte und Nahrung, würden aus der Türkei über die Grenze gebracht.
EU-Vertreter haben die türkische Regierung aufgefordert, ihre Grenzen zu öffnen. Es gelte nach wie vor die Genfer Konvention, "wonach Flüchtlinge aufzunehmen sind", sagte EU-Erweiterungskommissar Johannes Hahn beim Treffen der EU-Außenminister in Amsterdam.
Schwere Gefechte in Aleppo
Syrische Regimetruppen rückten in der Region mit Hilfe russischer Luftschläge weiter vor: Zusammen mit verbündeten Kämpfern der schiitischen Hisbollah und iranischen Einheiten eroberten sie die Stadt Ratjan - insgesamt wurden auf beiden Seiten mehr als 120 Menschen getötet. Die Truppen von Syriens Machthaber Baschar al-Assad hatten zuletzt die wichtigste Nachschubroute der Rebellen aus der Türkei gekappt.
Krieg in Syrien:Bomben auf Aleppo - Zehntausende Flüchtlinge an der türkischen Grenze
Unterstützt von der russischen Luftwaffe greifen Assad-Truppen die nordsyrische Stadt Aleppo an. Zehntausende fliehen und warten vor der geschlossenen türkischen Grenze.
Während das Regime den Westen Aleppos kontrolliert, beherrschen Rebellengruppen den Osten und den Süden des Stadtgebietes. Mit der Offensive der Regierungseinheiten läuft das letzte große Stadtzentrum in Rebellenhand Gefahr, eingekesselt zu werden.
Massive Kritik an Russland und Assad
Die Bundesregierung und die Nato machten Russland, den wichtigsten Verbündeten des syrischen Regimes, wegen der massiven Luftschläge nördlich von Aleppo auch für das Stocken der Genfer Friedensgespräche mitverantwortlich.
US-Außenminister John Kerry machte Syriens Machthaber Baschar al-Assad und Russland schwere Vorwürfe. Mit ihren Bombardements töteten sie Zivilisten "in großer Zahl", sagte Kerry. "Das muss aufhören", forderte er.
Die Bundesregierung appellierte an Russland, seiner Verantwortung für die Lösung des Syrien-Konflikts gerecht zu werden. Regierungssprecher Steffen Seibert sagte, die Regierungen, die für die Angriffe auf Aleppo verantwortlich seien, "scheinen ein Scheitern der Bemühungen um eine politische Lösung in Kauf zu nehmen".
Auch Nato-Generalsekretär Jens Stoltenberg warf Russland vor, den Konflikt mit seinen Bombardements gegen Rebellen anzuheizen. Frankreichs UN-Botschafter François Delattre verurteilte die Offensive des syrischen Regimes. "Man kann von der Opposition nicht erwarten, dass sie mit einer Pistole an der Schläfe verhandelt", sagte er.
Moskau wies die Schuldzuweisungen zurück. Russland setze sich für eine friedliche Lösung des Konflikts ein, unterstütze die syrische Regierung aber im Kampf gegen den Terrorismus, sagte Kremlsprecher Dmitri Peskow. Die russische Luftwaffe unterstützt seit Ende September die Offensive der syrischen Regierungstruppen mit Raketen- und Bombenangriffen.