Bundesrat:Das G-Lager greift an

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Winfried Kretschmann, wenige Monate nach seinem Amtsantritt, vor dem Eiffelturm in Paris. (Foto: Franziska Kraufmann/dpa)

Warum Winfried Kretschmann eine alte Zweiteilung infrage stellt.

Von Max Ferstl

Von Winfried Kretschmann gibt es schon ein paar hübsche Bilder aus Paris. 2011 zum Beispiel, wenige Monate nach seiner Wahl zum baden-württembergischen Ministerpräsidenten, posierte er vor dem Eiffelturm, der Klassiker. Als Kretschmann (Grüne) 2019 die französische Hauptstadt im Rahmen einer Delegationsreise besuchte, stellte er sich sehr lässig auf den Place de la République, die Hand in der Hosentasche.

Wenn es für Kretschmann, 74, ideal läuft, dann könnte das Fotoalbum in absehbarer Zukunft erweitert werden. Kretschmann will deutsch-französischer Kulturbeauftragter werden, wenn der Posten im nächsten Jahr neu zu besetzen ist. Politisch ist das Amt vergleichsweise unwichtig, offiziell vertritt der Kulturbeauftragte bildungspolitische und kulturelle Angelegenheiten gegenüber Frankreich. Spötter behaupten, dass es dabei vor allem um angenehme Fototermine in Paris geht, ums Prestige also. Das ist sicher nicht ganz verkehrt - doch diesmal geht es auch um Macht.

Denn Kretschmann ist nicht der einzige mit Ambitionen. Auch Anke Rehlinger (SPD), Ministerpräsidentin des Saarlands, erhebt dem Vernehmen nach Anspruch auf den Posten. Das macht die Angelegenheit kompliziert. Bildungsthemen sind Ländersache, deshalb entscheidet die Ministerpräsidentenkonferenz über den Kulturbeauftragten.

Bisher haben SPD und Union das Amt abwechselnd untereinander aufgeteilt, basierend auf dem bewährten Mechanismus, wonach sich die Länder im Bundesrat anhand ihrer Parteizugehörigkeit sortieren. SPD-geführte Länder stehen historisch auf der sogenannten A-Seite, Länder unter Führung der Union auf der B-Seite. Lange Zeit bildete jene Zweiteilung die Machtverhältnisse im Land ab.

Doch die Parteienlandschaft verändert sich, die Dominanz der ehemaligen Volksparteien schwindet. In Thüringen regieren mittlerweile die Linken, in Baden-Württemberg die Grünen. Seit 2016, mit Beginn der grün-schwarzen Koalition, ordnet sich das Land der B-Seite zu.

Die Grünen argumentieren nun, der historische A-B-Mechanismus sei aus der Zeit gefallen. Kretschmann-Sprecher Arne Braun nennt ihn ein "Relikt aus der Bonner Republik". Es gebe "ein neues politisches Lager, dem man Rechnung tragen muss: dem G-Lager". G wie Grün. Auch deshalb greife Kretschmann nach dem Amt - um "den alten Automatismus aufzubrechen".

Die SPD hingegen pocht darauf, dass sie turnusgemäß den Zugriff habe. Schließlich sei der derzeitige Kulturbeauftragte Hendrik Wüst (CDU) von der B-Seite. Die Sozialdemokraten sind vom grünen Vorstoß wenig begeistert. Nicht, weil sie Kretschmann generell für einen untauglichen Kandidaten halten, wie es aus einer SPD-geführten Staatskanzlei heißt. Sondern weil sie das Gefühl haben, da drängelt sich einer vor.

Bei der SPD sehen sie das so: Wenn sich Kretschmann so sehr für den Posten interessiere, hätte er ihn beim letzten Mal beanspruchen können, als die B-Seite an der Reihe war. Von einem "Politspiel" ist die Rede - und dass die Grünen "ein Zeichen" setzen wollen. Immerhin darin sind sich A-Seite und B-Seite einig.

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