Süddeutsche Zeitung

Baden-Württemberg:Ministerpräsident Kretschmann strebt dritte Amtszeit an

  • Er habe "innere Kämpfe" mit sich austragen müssen, hatte Kretschmann zuletzt gesagt. Nun hat er sich entschieden, eine weitere Wiederwahl als Ministerpräsident anzustreben.
  • Der Katholik und gelernte Lehrer war vor acht Jahren der erste Grüne, der an die Spitze einer Landesregierung gewählt wurde.
  • Kretschmann gilt seit Jahren als beliebtester Ministerpräsident Deutschlands.

Von Claudia Henzler, Stuttgart

Baden-Württembergs Ministerpräsident Winfried Kretschmann (Grüne) strebt eine dritte Amtszeit an. Das kündigte der Landesverband der Grünen am Donnerstag in Stuttgart per Twitter an. Mit dann fast 73 Jahren will Kretschmann bei der Landtagswahl, die voraussichtlich im Frühjahr 2021 stattfinden wird, noch einmal antreten.

Kretschmann sieht in seinem Alter kein Problem für die Kandidatur bei der Landtagswahl 2021. Entscheidend sei, ob man dem Amt körperlich und geistig gewachsen sei, sagte der 71-Jährige in Stuttgart bei einer Pressekonferenz: "Den Eindruck habe ich von mir selber, dass das so ist." Wichtig sei, dass man auch im hohen Alter neugierig bleibe. Der Grünenpolitiker betonte, er wolle für die volle Legislaturperiode von fünf Jahren antreten. Es gebe keinen Plan, zur Mitte abzutreten.

Der 1948 geborene Regierungschef hatte lange offengelassen, ob er sich das Amt angesichts seines Alters weitere fünf Jahre zumuten kann. Seit seinem 70. Geburtstag im Mai 2018 wurde in Baden-Württemberg intensiv über Kretschmanns Zukunftspläne gerätselt, er selbst sprach immer wieder von "inneren Kämpfen", die er mit sich auszutragen habe.

Kretschmann gilt seit Jahren als beliebtester Ministerpräsident Deutschlands. Zuletzt sagten 73 Prozent der befragten Baden-Württemberger bei einer Forsa-Umfrage im Juli 2019, dass sie mit seiner Arbeit zufrieden sind.

Der Katholik und studierte Bio- und Chemielehrer mit einer Leidenschaft für philosophische Texte war vor acht Jahren der erste Grüne, der an die Spitze einer Landesregierung gewählt wurde. Zuvor hatte er mehrere Jahre die Fraktion der Grünen im Landtag angeführt.

Dass die Grünen die CDU im Mai 2011 nach mehr als sechs Jahrzehnten an der Regierung ablösen konnten, hatte mit dem eskalierten Protest gegen das Bahnprojekt Stuttgart 21 zu tun, mit der Atomkatastrophe in Fukushima und mit einer CDU, die viele Wähler als arrogant und abgehoben empfanden. Bei diesem historischen Wechsel waren die Grünen mit 24,2 Prozent zweitstärkste Kraft hinter der CDU (39 Prozent) geworden - was ausreichte, um zusammen mit der SPD die Regierung zu bilden.

2016 gelang es den Grünen dann, 30,3 Prozent der Wählerstimmen zu holen und die CDU auf den zweiten Platz zu verweisen, während die SPD ihr Wahlergebnis fast halbierte. Ein Erfolg, den die Partei vor allem der Person des Ministerpräsidenten zuschreibt. Deshalb wurde Kretschmann in den vergangenen Monaten von seinen grünen Ministern und auch vielen Parteifreunden ermuntert, für eine dritte Amtszeit zur Verfügung zu stehen. Wer ihm einmal nachfolgen soll, ist derzeit offen - wobei Cem Özdemir ein Name ist, der in der Partei besonders häufig genannt wird.

Kretschmann steht für eine Politik, die zwar grüne Akzente gesetzt, das Land aber nicht fundamental verändert hat, und auch frühere CDU-Wähler nicht verschreckt. Mit der im Südwesten so bedeutenden Autoindustrie pflegt der Grüne nach anfänglichem Fremdeln ("Weniger Autos sind natürlich besser als mehr") einen freundlichen Kurs. Die Parteilinke - vor allem in Berlin - hat der schwäbischen Superrealo dabei immer wieder mal irritiert, etwa mit Aussagen zum Umgang mit kriminellen Flüchtlingen, die er "in die Pampa" schicken wollte.

In Baden-Württemberg war vor 40 Jahren, am 30. September 1979, der erste grüne Landesverband der Grünen gegründet worden - erst im Januar 1980 folgte die Geburt der Bundespartei in Karlsruhe. Die Partei war im Südwesten von Anfang an eher bürgerlich ausgerichtet. Schon 1980 konnten die Grünen erstmals sechs Abgeordnete in den Stuttgarter Landtag schicken. Winfried Kretschmann war einer von ihnen. Bei der konstituierenden Sitzung fehlte er allerdings, so haben es die grünen Geschichtsbücher vermerkt: Kretschmann demonstrierte an diesem Tag lieber in Gorleben, als im Landtag zu sitzen.

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