Niedersachsen ist nicht Sizilien. In Palermo ist das Wetter besser als in Hannover, und außerdem sind zwischen Messina und Trapani viel mehr Leute in komische Geschäfte zwischen Organisationen, Wirtschaft und Politik verwickelt als zwischen Wolfsburg und Aurich. Dennoch hat man angesichts der jüngsten Nachrichten in der Sache Wulff so manche Déjà-vu-Erlebnisse, die einen an Romane von Andrea Camilleri erinnern.
Der Unternehmer Carsten Maschmeyer hat dem damaligen Ministerpräsidenten Christian Wulff die Werbekampagne für ein "Buch" bezahlt, in dem ein Kolumnist der Bild-Zeitung 2007 Wulff zu Wulffs Leben befragte. An das Buch kann sich Wulff erinnern, aber er weiß nichts vom Maschmeyer-Geld. Sagt er.
Das Buch wurde bei Hoffmann und Campe verlegt, wo ein enger Freund von Schröder, ja, dem Gerhard Schröder, tätig war. Dieser Freund, sagt Maschmeyer, der sich auch zu Schröders engen Freunden zählt, habe ihn dazu animiert, für das Wulff-Buch zu berappen. Maschmeyer hat mit solchen Dingen Erfahrung. Er hatte schon 1998 Schröders Wahlkampf mitfinanziert; 2006 hatte er dem Ex-Kanzler eine Million Euro für die Rechte an dessen Memoiren bezahlt. Die verkaufte Maschmeyer unter anderem an Hoffmann und Campe. Sagt er.
Diese Kabalen rund um den Maschsee ließen sich mit noch viel mehr Personal anreichern: Pressesprechern und Rechtsanwälten, Geschäftsführern und Clubbesuchern. Bis 2005, solange Schröder in Berlin regierte, war die zigarrenrauchende, gerne prollige Hannover-Clique ein beliebtes Thema für all jene, die diese zu laute Aufsteiger-Wirtschaft für befremdlich hielten. Ein Teil der Clique, allen voran eben Maschmeyer, wandte sich bald, unabhängig von politischen Präferenzen, auch dem damaligen CDU-Ministerpräsidenten Wulff zu.
Nicht immer doofe Blender
In Österreich nennt man solche Menschen "Adabeis", was auf Deutsch "Auchmitdabeiseinwoller" bedeutet und auf Niedersächsisch mit "Maschmeyer" übersetzt werden könnte. Adabeis sind nicht immer doofe Blender, sondern manchmal durchaus sympathisch, ganz unabhängig davon, dass sie sich oft über ihr Bankkonto Zugang zu Prominenz der verschiedensten Art schaffen. Jene Politiker, die, je länger sie im Geschäft sind, sich umso mehr an ihrer eigenen Bedeutung berauschen, sind beliebte Andockstationen für die Adabeis. Manche Politiker werden selbst zu solchen Adabeis.
Christian Wulff war als Ministerpräsident offenbar eine aktive Andockstation. Das ist heute für ihn immens peinlich, weil ihn die Zufälle der Demokratie hinaufgeführt haben in ein Staatsamt, das schon für sich genommen und ganz ohne Amtsinhaber für die Urbedeutung des Wortes "Prominenz" steht - das Herausragende.
Nein, es geht nicht darum, dass der Mensch, der dieses Amt innehat, perfekt sein muss. Aber er muss durch Wort und Tat klarmachen, dass er seine Fehler aus dem anderen Leben erkannt hat und sie vor allem nicht fortsetzen wird.