Kreditaffäre um Bundespräsident Wulff:Das tut man nicht, Herr Präsident

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Christian Wulff hat zwar nicht gelogen, dafür aber die volle Wahrheit verschwiegen. Streng juristisch ist ihm nichts vorzuwerfen, aber das Amtsethos verlangt von einem Bundespräsidenten mehr als formale Ehrlichkeit. Die Öffentlichkeit ist aus gutem Grund und böser Erfahrung empfindlich, wenn Politiker Privates und Berufliches vermischen.

Heribert Prantl

Das Amt des Ministerpräsidenten ist nicht irgendein Amt, das des Bundespräsidenten schon gleich gar nicht. Wer in ein solches Amt gewählt wurde, ist angewiesen auf die Zustimmung der Öffentlichkeit; diese steht und fällt mit dem Vertrauen in die Integrität seiner Amtsführung.

Bundespräsident Wulff zeigt sich, was den Amtsethos betrifft, nicht zum ersten Mal dickhäutig. (Foto: dapd)

Es darf nicht sein, dass der Amtsträger sich qua Amt persönliche Vorteile verschafft. Er darf das Private und das Berufliche nicht finanziell miteinander vermischen. Und es gehört zu den Amtspflichten, schon den bösen Schein zu meiden. So steht es nachzulesen im "Handbuch des Staatsrechts". Das ist unmittelbar einsichtig. Es wirkt daher befremdlich, wenn ein Inhaber des höchsten Staatsamts diese Einsicht nicht hat. Das ist dem Bundespräsidenten Christian Wulff vorzuwerfen. Er ist, nicht zum ersten Mal, amtsethisch recht dickhäutig.

In seiner Zeit als Ministerpräsident hat er von einer Geschäftsfrau einen günstigen Kredit für den Kauf seines Hauses aufgenommen. Das ist nicht verboten, das ist nicht rechtswidrig. Aber es ist, vorsichtig gesagt, unglücklich - weil man einen Kredit auch bei einer Bank kriegt, und unter Umständen, die weniger spekulationsträchtig sind. Noch unglücklicher ist, wie sich Wulff zu diesem Freundschafts-Darlehen öffentlich eingelassen hat. Nein, er hat nicht gelogen. Er hat aber dem niedersächsischen Landtag nicht die ganze Wahrheit erzählt, sondern die volle Wahrheit verschwiegen, als er kurz vor seiner Wahl zum Staatsoberhaupt zu seinen geschäftlichen Beziehungen befragt wurde.

Nicht das, was er da gesagt hat, war bedenklich. Bedenklich war, was er nicht gesagt hat: Er hat geschäftliche Beziehungen zu seinem Freund und Trauzeugen, dem Unternehmer Egon Geerkens, bestritten, aber die finanziellen Beziehungen zu dessen Ehefrau verschwiegen.

Streng juristisch ist Wulff da nichts vorzuwerfen. Aber das Amtsethos verlangt mehr als formale Ehrlichkeit. Es verlangt Lauterkeit, Redlichkeit, Achtbarkeit. Es ist ungut, daran mit eigenem Verhalten Zweifel zu schüren. Wulff selber hat das Zündholz, mit dem sich Skandale entfachen lassen, in die Schachtel gelegt.

Die Öffentlichkeit ist aus gutem Grund und böser Erfahrung empfindlich, wenn ein Unternehmer einem Spitzenpolitiker sein Flugzeug, ein Urlaubsdomizil oder einen Kredit zur Verfügung stellt. Warum? Es ist dies der Stoff, aus dem Skandale sind. Aus diesem Flachs ist die Skandalgeschichte der Republik gesponnen. Manche der Skandale waren nur kleine oder gar keine, manche hatten einen läppischen Kern; manche wurden vor allem zum Skandal, weil sie für jeden leicht kapierbar waren.

Die kleine, die leicht fassbare Vorteilsnahme gilt vielen als Indiz dafür, dass "da oben" noch ganz andere Dinger gedreht werden. Oft ist die Heuchelei der Skandalisierer viel größer als das angebliche Skandalon. Umso wichtiger ist es, den bösen Schein zu meiden. Darin zeigt sich die Klugheit und Sensibilität der Amtsführung. Bei Wulff zeigen sich da die Defizite.

© SZ vom 14.12.2011 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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