In der Silvesternacht war die Polizei nicht präsent. In Berlin am Wochenende war sie präsent und wurde wild und gewalttätig attackiert. Diese Attacken waren nicht Berliner Folklore. Angesichts von vier Jahrzehnten Hausbesetzungs-Geschichte in Berlin sind zwar manche Beobachter geneigt, Randale wie die von der Rigaer Straße als eine Art autonomes Revolutions-Theater zu betrachten, das auch dafür da ist, den Ruf etlicher Ecken der Stadt als preußische Bronx zu festigen. Nein, das war kein Theater; es ist rechtsstaatsgefährlich, wenn eine extremradikale Linke eine Recht brechende Zone für sich reklamiert.
123 verletzte Polizisten nach einer Demonstration - das ist eine Bilanz, die dem Berliner Innensenator recht zu geben scheint. Der Mann propagiert eine Politik, die in bestimmten Situationen nicht mehr auf Reden, sondern auf Draufhauen setzt. Also: Knüppel aus dem Sack, Helm auf, fertigmachen zum Abferkeln? So heißt im Jargon ein scharfer, aggressiver und rücksichtsloser Polizeieinsatz. Aber: Ein Rechtsstaat sollte auf gewalttätige Volldeppen nicht vorsätzlich volltäppisch reagieren. Eskalation ist nie ein kluges Motto.
Deeskalation meint ja nicht polizeiliche Schwäche - sondern agieren statt reagieren. Deeskalation ist nicht Schmusekurs mit Gewalttätern, sondern der intelligente Einsatz polizeilicher Stärke. Es ist unintelligent, wenn die Berliner Sicherheitspolitik keine Linie und kein Konzept hat und dann die Polizei in die Schlacht schickt, um irgendeine Linie zu ziehen.
Versäumnisse beim Reden sind nicht durch Polizeigewalt zu substituieren
Es gab einmal eine Berliner Linie. Der kurzzeitig Regierende Bürgermeister Hans-Jochen Vogel hat sie vor Jahrzehnten entwickelt: Neubesetzte Häuser sollen binnen 24 Stunden geräumt werden. Bereits besetzte Häuser werden nur geräumt, wenn der Eigentümer Strafantrag stellt und eine verträgliche Folgenutzung nachweist; Legalisierung anderer Besetzungen durch Verträge.
Zu diesem Zweck muss man allerdings mit Besetzern reden; und wenn Besetzer verbohrt sind und sich jedem Gespräch verweigern, wie die in der Rigaer Straße, muss man mit deren Anwälten reden. Versäumnisse beim Reden sind nicht durch Polizeigewalt zu substituieren.
Man landet sonst wieder bei einem wie dem Innensenator Heinrich Lummer vor 35 Jahren, der, kaum im Amt, das Prinzip Zuschlagen durchsetzte. Bei einer seiner Radikalräumungen kam am 22. September 1981 der Hausbesetzer Klaus-Jürgen Rattay ums Leben.
Mit dampfendem Vokabular mag ein Politiker kurzzeitig Eindruck schinden; Man wird ihn bald als Dampfplauderer entlarven. Rechtsstaatliche Politik produziert nicht Dampf, sondern Sicherheit.