Shaghayegh, 30, ist Aktivistin von Asylum Seekers' Movement, einer Organisation, die sich für die Rechte von Flüchtlingen einsetzt. Sie möchte nicht mit vollem Namen genannt werden, weil sie um ihre Sicherheit fürchtet. Zusammen mit anderen Unterstützern war Shaghayegh am Freitag und Samstag im sächsischen Heidenau, um den dort neu ankommenden Flüchtlingen zu helfen. Mit der SZ sprach sie über die rechtsradikalen Krawalle in dem Ort nahe Dresden.
SZ: Shaghayegh, wieso sind Sie nach Heidenau gefahren?
Shaghayegh: Wir wollten die Menschen hier begrüßen, weil wir wissen, dass es hart und beängstigend ist, wenn man neu in Deutschland ankommt. Wir sind dort hingefahren, um ihnen zu zeigen, dass sie nicht allein sind. Aber was wir in Heidenau gesehen haben, war vollkommen jenseits dessen, was wir uns jemals hätten vorstellen können.
Wie war die Situation?
Etwa 800 bis 1000 Menschen waren am Freitagabend auf der Straße, sie tranken Bier und brüllten herum. Auch 150 Polizeibeamte waren vor Ort, aber das waren viel zu wenige für diese Masse an Menschen. Die Beamten waren vollkommen unfähig, die Demonstranten unter Kontrolle zu halten. Sie baten die Randalierer höflich, die Straße zu verlassen. Das fand ich merkwürdig, sonst fassen Polizisten pöbelnde Menschen nicht so sanft an.
Half die freundliche Art?
Nein, die Gruppe auf der anderen Seite der Straße wurde immer gewalttätiger, die Demonstranten fingen an mit Steinen und Flaschen zu werfen. Böller flogen, auch auf Polizisten. Wie wir später erfahren haben, wurden in der Nacht auf Samstag mehr als 30 Polizisten verletzt.
Wie hat die Polizei auf die Gewalt reagiert?
Als sie die Lage nicht mehr unter Kontrolle halten konnten, versuchten die Beamten, die Flüchtlingsunterkunft zu blockieren - mit Autos und ihren Kollegen, aber das reichte nicht. Sie waren meiner Ansicht nach überfordert. Es kamen etwa 14 weitere Einsatzwagen, aber das waren auch nicht genug Polizisten, denn in jedem Wagen saßen nur vier Beamte. Am Ende waren es vielleicht 200 Mann. Sie haben Tränengas oder Pfefferspray eingesetzt. Es war schrecklich.
Wie war die Lage in der vergangenen Nacht?
Es waren nicht mehr Beamte als in der Nacht zuvor. Die Polizei hätte besser vorbereitet sein müssen.
Wer ist aus Ihrer Sicht schuld daran, dass die Situation so eskaliert ist?
Die Frage, die wir uns stellen, lautet: Wieso bringt man Flüchtlinge in einer Stadt wie dieser unter? Die meisten der rechtsextremen Demonstranten, die dabei waren, kommen aus Heidenau, sie leben dort. Das ist keine Gruppe, die einfach verschwindet. Es ist eine schreckliche Vorstellung, dass die Flüchtlinge dort mit diesen Menschen leben sollen. Irgendjemand muss die Sicherheit der Flüchtlinge in Heidenau garantieren.
Wo halten Sie sich jetzt auf?
Wir haben Heidenau heute Nacht verlassen. Wir konnten nicht dort bleiben, weil es zu gefährlich ist. Wir machen uns große Sorgen, was in der Stadt noch passieren wird und mussten am Wochenende oft an die Ausschreitungen in Rostock-Lichtenhagen denken, im Jahr 1992. Wir sind wirklich sehr besorgt.