Krankheitsverlauf:Alle Warnzeichen im Blick

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Verdächtiges Symptom Kurzatmigkeit: Pfleger helfen einer 90 Jahre alten Corona-Patientin aus dem Bett. (Foto: Carlo Cozzoli/imago images)

Meist entscheidet der Allgemeinzustand darüber, ob Corona-Patienten ins Krankenhaus müssen. Bei Boris Johnson könnte allerdings auch anderes eine Rolle gespielt haben.

Von Werner Bartens

Wenn Staatenlenker erkranken, ist nicht nur die Bevölkerung alarmiert. Auch die für die Betreuung zuständigen Ärzte werden dann schnell nervös. Ihr Handeln ist von größter Vorsicht geprägt, schließlich will sich keiner der Doktoren hinterher vorwerfen lassen, gerade beim Regierungschef etwas versäumt oder frühe Anzeichen einer bedrohlichen Entwicklung nicht ernst genommen zu haben. Bei der Beteuerung aus dem Umfeld des britischen Premierministers Boris Johnson, dass es sich nur um eine "Vorsichtsmaßnahme" gehandelt habe, als der 55-Jährige am Sonntagabend in ein Londoner Krankenhaus eingeliefert wurde, dürfte zudem der Wunsch eine Rolle gespielt haben, die britische Öffentlichkeit nicht noch weiter aufzuschrecken.

Wie es Johnson wirklich geht, war zunächst daran, dass er sich in der Klinik befindet, nicht zu erkennen. Bis er am Montagabend in Intensivbehandlung kam. Zwar scheint der britische Premier von robuster Konstitution zu sein, und als bekennender Radfahrer hat er vermutlich ausreichend Bewegung und frische Luft bekommen. Andererseits ist über mögliche Begleiterkrankungen wenig bekannt, und rein statistisch befindet sich Johnson bereits in einer Alterskohorte, in der das Risiko für schwere Verläufe leicht ansteigt. Einigermaßen moppelig ist die blonde Frohnatur außerdem, und entsprechend mäßige Fitnesswerte sind nachteilig bei einer Infektion mit Sars-CoV-2. Dieses Schicksal teilt er im Übrigen mit dem amerikanischen Präsidenten Donald Trump. Der Schlafmangel, der Regierungschefs automatisch attestiert wird, schwächt zudem die Immunabwehr und macht jeden anfälliger für Infektionen.

Fieber, das nicht längere Zeit über 40 Grad steigt, lässt sich meist noch zu Hause behandeln

Unabhängig vom gegenwärtigen Gesundheitszustand Johnsons gab es bei ihm einige Anzeichen, welche die Klinikeinweisung sinnvoll erscheinen ließen. Anhaltendes Fieber, über das der britische Premier offenbar seit mehreren Tagen klagte, sind allein aber noch kein Grund. Wenn das Fieber nicht längere Zeit über 39,5 oder 40 Grad steigt, lässt es sich zumeist noch gut zu Hause mit Bettruhe, ausreichend Flüssigkeit, Wadenwickeln oder fiebersenkenden Medikamenten behandeln.

Entscheidend für die medizinische Beurteilung ist aber - egal ob der Patient Fieber hat oder nicht - der Allgemeinzustand. Dieser Begriff klingt zwar für Laien vage, ist aber für einen erfahrenen Arzt ziemlich präzise zu bestimmen. Er lässt sich anhand der körperlichen Untersuchungen von Herz, Lunge, Blutdruck, der Schilderungen des Kranken und im Falle von Covid-19 mithilfe zusätzlicher Untersuchungen erfassen. Natürlich gehören etwaige Einschränkungen durch Vorerkrankungen mit zum Gesamtbild. Wie die Krankheit verläuft, ist entscheidend auch von der Stabilität des Herz-Kreislauf-Systems und dem Zustand anderer Organe abhängig.

Ein Warnzeichen ist neu aufgetretene oder stärker gewordene Kurzatmigkeit. Gesunde, halbwegs fitte Erwachsene holen zwischen zwölf- und 16-mal in der Minute Luft. Wer in Ruhe und ohne aufregende Einflüsse von außen in dieser Zeit plötzlich deutlich mehr als 20 Atemzüge benötigt, könnte schwerer krank sein. In Ergänzung dazu zeigt die Sauerstoffsättigung im Blut an, wie gut der Gasaustausch in der Lunge funktioniert und der Organismus mit Sauerstoff versorgt wird. "Die Sättigung", wie Ärzte sie salopp nennen, liegt bei Gesunden meist zwischen 97 und 100 Prozent. Werte zwischen 88 und 92 sprechen - je nach Allgemeinzustand - dafür, dass der Patient womöglich bald beatmet werden muss.

Die unterschiedlichen Stadien der Beatmung steigern sich je nach Notlage von der einfachen Zufuhr mit Luft über einen dünnen Schlauch in Mund oder Nase, wobei die Luft vermehrt mit Sauerstoff angereichert ist, bis hin zur Maskenbeatmung. Als invasivste Form der Beatmung bleibt schließlich noch jene nach einer Intubation, wozu Patienten auf der Intensivstation in künstliches Koma versetzt werden und nicht mehr selbständig husten und schlucken können.

In einigen Fachartikeln wurde von Ärzten vorgeschlagen, Patienten mit Verdacht auf Covid-19 in der Klinik schnellstmöglich mittels Computertomografie zu untersuchen. Das CT-Bild zeige oftmals schon ausgeprägte Infiltrate in der Lunge, die für einen fortgeschrittenen Verlauf der Infektion sprechen, wenn die subjektiven Symptome noch nicht auf ein schweres Krankheitsbild hindeuten. Zu den bisher beschriebenen Erfahrungen mit der Krankheit gehört auch, dass sich der Gesundheitszustand der Patienten in einem Krankenhaus zwar nur selten in kurzer Zeit rapide verschlechtert, oftmals aber Tag für Tag sich die Symptome so verschlimmern, dass nach mäßigem Verlauf zu Anfang doch eine Behandlung auf der Intensivstation notwendig wird.

Gerade in England sind Krankenhauskeime kein geringes Problem

Eindeutig und exklusiv an der Erkrankung ist bisher wenig - auch wer zu Beginn nicht über die beiden Kardinalsymptome Husten und Fieber geklagt hat, muss womöglich im Krankenhaus behandelt werden. Wie schnell eine Entlassung möglich ist, hängt auch davon ab, wie gut der Kreislauf und andere Organe mit der Entzündungsreaktion zurechtkommen, die von einer durch Sars-CoV-2 ausgelösten Lungenentzündung ausgeht und dem gesamten Organismus zu schaffen macht.

Ob man Patienten Gutes tut, wenn sie in die Klinik kommen, obwohl sich ihre Erkrankung womöglich zu Hause behandeln ließe, ist fraglich. In manchen Krankenhäusern - gerade in England - sind nosokomiale Infektionen ein großes Problem: Die Ansteckung mit solchen Krankenhauskeimen ist oft schwer in den Griff zu bekommen.

© SZ vom 07.04.2020 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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