Krankenkassen:Geteilte Last

Krankenkassen: Im Medizinimperium von Winfried Leßmann werden pro Jahr mehr als 700000 Patienten in Computertomografen und Kernspin-Geräten durchleuchtet.

Im Medizinimperium von Winfried Leßmann werden pro Jahr mehr als 700000 Patienten in Computertomografen und Kernspin-Geräten durchleuchtet.

(Foto: imago)

Wenn es nach der SPD geht, sollen Arbeitgeber die steigenden Zusatzbeiträge für die Versicherungen zur Hälfte übernehmen.

Von Thomas Öchsner, Berlin

Viele gesetzlich Krankenversicherte schauen gar nicht darauf: Neben ihrem normalen Beitrag für die Krankenkasse zahlen die etwa 55 Millionen Kassenmitglieder von ihrem Gehalt einen Zusatzbeitrag. Bei durchschnittlich 1,1 Prozent liegt derzeit dieser Obolus, der eine Besonderheit hat: Die Arbeitnehmer kommen für den Zusatzbeitrag allein auf, während der allgemeine Beitragssatz von 14,6 Prozent zur Hälfte vom Arbeitgeber getragen wird.

Doch wird es dabei bleiben? Die SPD hat im Bundestagswahlkampf ein altes Thema neu entdeckt: die paritätische Finanzierung in der gesetzlichen Krankenversicherung. "Ich will, dass die Arbeitgeber sich an den Kosten der Zusatzbeiträge zur Hälfte beteiligen", sagt SPD-Kanzlerkandidat Martin Schulz. Dafür ist auch Bundesarbeitsministerin Andrea Nahles (SPD).

Die SPD würde damit einen Teil ihrer Agenda-2010-Reform zurückdrehen. Der Zusatzbeitrag für die Versicherten war unter SPD-Kanzler Gerhard Schröder Mitte 2005 eingeführt worden, um die Arbeitgeber bei den Lohnnebenkosten zu entlasten. Davon will Schulz nun nichts mehr wissen. "Wir alle wollen den medizinischen Fortschritt. Aber es kann nicht sein, dass die Mehrkosten für neue Behandlungsmethoden und Medikamente über die Zusatzbeiträge von den Arbeitnehmern alleine getragen werden", sagt er.

Diese "Mehrkosten" dürften sich in deutlich steigenden Zusatzbeiträgen niederschlagen. 2017 haben bereits 30 meist kleine Kassen diesen Beitrag erhöht, weil ihnen das zugeteilte Geld nicht reicht. Trotzdem bleiben die Zusatzbeiträge in diesem Jahr größtenteils stabil. Die zweitgrößte Ersatzkasse, die Barmer, rechnet aber damit, dass 2018 auf den Zusatzbeitrag im Durchschnitt 0,2 Punkte oben draufkommen. Ähnlich sieht es der AOK-Bundesverband: Das Blatt werde sich 2018 wenden. "Dann schlägt die Ausgabenwucht der vielen teuren Reformen etwa in den Bereichen Krankenhaus, Arzneimittel oder Prävention voll durch", warnt ein Sprecher. Der Chef des Ersatzkassenverbands, Uwe Klemens, wagte in einem Gespräch mit der Deutschen Presse-Agentur sogar die Prognose: "Ich gehe von einem Zusatzbeitrag von 1,8 bis 2,0 Prozent in den nächsten drei Jahren aus."

Die Arbeitgeberverbände warnen schon: Das gefährdet Jobs

Bundesgesundheitsminister Hermann Gröhe (CDU) lässt hingegen auf die dicken Geldpolster der Krankenkassen verweisen. Derzeit belaufen sich die Finanzreserven auf 16 Milliarden Euro. Daran könnten die Versicherten teilhaben, sagt seine Sprecherin. Gröhe selbst hatte den Kassen aber bereits 1,5 Milliarden Euro aus der Reserve des Gesundheitsfonds zukommen lassen, um - im Wahljahr 2017 - bei den Zusatzbeiträgen Ruhe zu haben.

Damit dürfte es durch den SPD-Vorstoß zunächst vorbei sein. Die Sozialdemokraten rechnen schon mal vor: Durch die Rückkehr zum paritätischen Prinzip müssten die Versicherten fünf Milliarden Euro weniger an Beiträgen im Jahr zahlen. "Für einen Durchschnittsverdiener macht das rund 200 Euro pro Jahr aus", sagt Schulz. Der Widerstand ist allerdings groß: Der Wirtschaftsflügel der Union hält von dem Vorstoß gar nichts, genauso wie Ingo Kramer, Präsident der Bundesvereinigung der Deutschen Arbeitgeberverbände (BDA). "Wer fordert, den Krankenkassenbeitrag für Arbeitgeber anzuheben, gefährdet Wachstum und Arbeitsplätze", sagt er.

Kramer verweist auf die Lohnfortzahlung im Krankheitsfall, die die Arbeitgeber für sechs Wochen komplett übernehmen. Die Kosten belaufen sich laut BDA auf insgesamt gut 54 Milliarden Euro. Um dies zu finanzieren, müsste der Beitragssatz um 4,6 Prozentpunkte steigen - also um mehr als das Vierfache des aktuellen Zusatzbeitrags. Dass die Lage am deutschen Arbeitsmarkt so gut sei, liege auch an den stabilen Lohnzusatzkosten, argumentiert Kramer.

Schulz wird es deshalb schwer haben, in der nächsten Legislaturperiode für den SPD-Vorschlag eine Mehrheit zu finden. Die kann er nur im rot-rot-grünen Lager finden. Nach den Saarland-Wahlen hat der SPD-Kandidat aber lieber mit der FDP geflirtet.

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