Gesundheitsversorgung:So will Lauterbach "billige Medizin" in Kliniken beenden

Reformvorschläge für die Krankenhausversorgung

Karl Lauterbach (SPD), Bundesminister für Gesundheit

(Foto: dpa)

Der Gesundheitsminister stellt seine Reform des Krankenhaussystems vor. Künftig sollen Kliniken nicht mehr so stark nach Fallzahlen bezahlt werden - und sich viel mehr als bislang spezialisieren. Das soll die Qualität der Behandlung steigern.

Bundesgesundheitsminister Karl Lauterbach hat Pläne für eine grundlegende Reform der Krankenhausversorgung vorgestellt. Erklärtes Ziel ist, den finanziellen Druck auf diese zu lindern. Dafür soll die bisherige Vergütung über Pauschalen für Behandlungsfälle entscheidend verändert werden. Die Reformvorschläge wurden von einer im Mai eingesetzten Expertenkommission der Bundesregierung erarbeitet.

"Die Krankenhäuser haben gravierende Probleme", sagte Lauterbach. Das Hauptproblem seien die bislang geltenden Fallpauschalen. Dieses System begünstige den Hang zur "billigen Medizin" und treibe die Krankenhäuser dazu, möglichst viele Fälle zu behandeln, da sie nur so ihre Einnahmen erhöhen können. Es sei in dieser Form einmalig in Europa. Lauterbach sprach von nicht weniger als einer "Revolution" beim Umbau der Krankenhausfinanzierung, die nun angestoßen werde.

Aus Sicht der Patienten sei dabei wichtig, so Lauterbach, dass durch die Veränderung gerade ländliche Krankenhäuser in ihrem Bestand gesichert werden, die für die Flächenversorgung wichtig seien: Sie müssten nicht mehr länger versuchen, immer mehr Fälle zu behandeln, um überleben zu können. Außerdem soll die Arbeit im Gesundheitssektor attraktiver werden. Das sei wichtig, um Patienten gut versorgen zu können.

Tom Bschor, Koordinator der Regierungskommission Krankenhausversorgung, erklärte die geplanten Schritte. Künftig sollen Ausrüstung und Personal in größerem Maß unabhängig von Fallpauschalen bezahlt werden, die dadurch an Bedeutung verlieren. Außerdem sollen Krankenhäuser in drei Klassen unterteilt werden: Die Stufen lokal, regional oder überregional sollen eine deutschlandweit einheitliche Planung nach den Bedürfnissen der Bevölkerung ermöglichen. Dabei sollen auch die Vorgaben schärfer und genauer definiert werden, die die jeweiligen Krankenhäuser zu erfüllen haben. Ziel ist es, Expertenzentren zu bilden. Wer eine bestimmte Erkrankung hat, soll also in ein Krankenhaus kommen, das genau darauf spezialisiert ist.

Im deutschen Gesundheitssystem herrsche "Masse statt Klasse", sagte Bschor. Zwar seien Fallpauschalen auch Grundlage anderer Gesundheitssysteme, doch in Deutschland sei ihre Bedeutung in der Finanzierung der Kliniken zu hoch. Die Reform sei in einem "extrem intensiven wissenschaftlichen Arbeitsprozess" ausgearbeitet worden, sagte Bschor.

Auf die Frage, ob er sagen könne, wie viele unnötige Operationen wegen des Fallpauschalsystems vorgenommen werden, sagte Lauterbach, dies sei nicht ausreichend wissenschaftlich erforscht. Es gebe jedoch die Erkenntnis, dass bislang oftmals sehr kranke Menschen noch an ihrem Lebensende operiert würden, obwohl die Eingriffe vermutlich keinen allzu großen medizinischen Nutzen mehr brächten.

Die Vergütung über Fallpauschalen war vor knapp 20 Jahren eingeführt worden, um das System effizienter zu machen und zum Beispiel auch zu kürzeren Klinikaufenthalten für Patienten zu kommen. Dafür gibt es einen Katalog mit Fall- und Diagnosegruppen. Die Kliniken bekommen dann von der jeweiligen Krankenkasse pro Patient oder Behandlungsfall einen pauschalen Euro-Betrag, wie der Spitzenverband der gesetzlichen Krankenversicherungen (GKV) erläutert. Je mehr Patienten eine Klinik behandelt, desto mehr Einnahmen erzielt sie. Bereits aus den Pauschalen herausgelöst wurden Kosten fürs Pflegepersonal, um Spardruck zulasten der Pflege zu beseitigen. Die Kassen zahlen alle anfallenden Kosten.

Insgesamt machen die Ausgaben für die bundesweit rund 1900 Kliniken den größten Einzelposten bei den gesetzlichen Krankenversicherungen (GKV) aus. Im vergangenen Jahr fielen nach Angaben des GKV-Spitzenverbands fast 85,9 Milliarden Euro dafür an - und damit etwa jeder dritte Euro gemessen an den gesamten Leistungsausgaben von 263 Milliarden Euro. Generell ist die Finanzierung der Krankenhäuser zweigeteilt: Die Betriebskosten samt Personal zahlen die Kassen, Investitionskosten wie für Neubauten oder neue Geräte sollen die Bundesländer finanzieren.

Ein erstes Gesetzespaket, das unter anderem mehr Geld für Kinderkliniken vorsieht, die derzeit am Belastungslimit stehen, hat der Bundestag kürzlich beschlossen. Die Deutsche Krankenhausgesellschaft forderte jedoch ein Gesamtkonzept für eine Reform. "Das ständige Herauslösen von Einzellösungen bringt mehr Verwerfungen als Fortschritt im System", sagte Vorstandschef Gerald Gaß, den Zeitungen der Funke-Mediengruppe. Zuerst müsse auch die Finanzierungslücke bei Betriebs- und Investitionskosten der Kliniken geschlossen werden, ehe eine Umverteilung der Mittel starte.

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