Krankenhausreform:Lauterbach setzt sich durch

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Bundesgesundheitsminister Karl Lauterbach (Mitte) mit den Ministerpräsidenten Reiner Haseloff (CDU) und Dietmar Woidke (SPD) im Bundesrat. (Foto: Sebastian Gollnow/dpa)

Der Bundesrat stimmt der Reform der Krankenhäuser zu – damit tritt sie Anfang 2025 in Kraft. Der Bundesgesundheitsminister und viele Länder erhoffen sich mehr Qualität bei der Behandlung von Patienten. Doch es gibt ein politisches Opfer.

Von Rainer Stadler

Die Debatte des Bundesrats über die Krankenhausreform hat noch nicht begonnen, da steht bereits fest: Es wird an diesem Freitagvormittag nicht allein um Parteipolitik gehen bei der Entscheidung, ob das vom Bundestag bereits verabschiedete Reformpaket noch einmal im Vermittlungsausschuss geöffnet werden soll oder nicht. Ursula Nonnemacher, die grüne Gesundheitsministerin von Brandenburg, stand vor Beginn der Sitzung noch auf der Rednerliste, auf einmal ist sie verschwunden.

Gerüchte machen die Runde, Brandenburgs Ministerpräsident, der Sozialdemokrat Dietmar Woidke, habe sie im Streit entlassen – was sich bald bestätigt. Nonnemacher wollte die Reform von Bundesgesundheitsminister Karl Lauterbach (SPD) durchwinken, während Woidke darauf pochte, den Ausschuss anzurufen. Die Ministerin erzählt danach, Woidke habe ihr die Entlassungsurkunde „im Flur des Bundesrats überreicht“. Sie „bedauere diesen Tiefpunkt der politischen Kultur“. Ein paar Stunden später tritt aus Solidarität mit ihr auch der grüne Agrarminister Axel Vogel zurück.

Dietmar Woidke am Freitag im Bundesrat. Hinter ihm der leere Platz der von ihm kurz zuvor entlassenen grünen Gesundheitsministerin von Brandenburg Ursula Nonnemacher. (Foto: Sebastian Gollnow/dpa)

„Das wichtigste gesundheitspolitische Vorhaben der letzten zwei Jahrzehnte“

Bei der Abstimmung kurz vor Mittag bleibt dieser politische Stunt aber ohne Folgen. Die Mehrheit des Bundesrats lehnt es ab, den Vermittlungsausschuss anzurufen. Vorangegangen ist eine lebhafte Debatte, denn es steht viel auf dem Spiel, wie Niedersachsens Gesundheitsminister Andreas Philippi (SPD) betont: „das wichtigste gesundheitspolitische Vorhaben der letzten zwei Jahrzehnte“.

Die Reform sieht vor, dass Krankenhäuser ihre Patienten künftig nur noch behandeln und operieren sollen, wenn sie dafür auch technisch und personell ausgestattet sind. Für 65 Leistungsgruppen, sei es die Rheumatologie, Herzchirurgie oder Kinder- und Jugendmedizin, wird genau definiert, wie viele Fachärzte Kliniken vorhalten müssen, wenn sie in diesem Bereich arbeiten wollen. Mit vorgeschriebenen Mindestfallzahlen soll gewährleistet werden, dass die Ärzte auf ihrem Gebiet auch genug Erfahrung haben.

Fürsprecherinnen und Fürsprecher der Reform, aus dem Saarland, Mecklenburg-Vorpommern, Bremen, Hessen und eben Niedersachsen, machen noch einmal deutlich, dass sie das Gesetz in seiner jetzigen Form nicht für perfekt halten. Aber die Anrufung des Vermittlungsausschusses würde das Aus der Reform bedeuten. Selbst wenn sich die Länder auf Änderungen einigten, müsse der Bundestag dem modifizierten Gesetz ja noch mal zustimmen, führt Philippi aus. Das sei „mitten im Wahlkampf“ unwahrscheinlich.

Lauterbach würde sich in vielen Kliniken nicht behandeln lassen

Wenn aber die Reform nicht komme, bedeute das weitere Jahre der Unsicherheit für die Krankenhäuser, warnt Stefanie Drese, SPD-Gesundheitsministerin von Mecklenburg-Vorpommern. Auch das „Nebeneinander von Über-, Unter- und Fehlversorgung“ in deutschen Krankenhäusern bleibe bestehen. „Wir brauchen eine Reform, so schnell wie möglich“, sagt Drese.

Die Gegner des Lauterbach-Gesetzes aus Bayern, Baden-Württemberg und Nordrhein-Westfalen betonen ebenfalls die Notwendigkeit der Reform. „So wie bisher kann es nicht weitergehen“, sagt NRW-Gesundheitsminister Karl-Josef Laumann (CDU). Es gebe aber „einige, wenige Punkte“, die dringend geändert werden müssten. Ansonsten werde es zu Verwerfungen bei der Versorgung kommen. Die Qualitätsvorgaben in dem Gesetz seien zu rigide. Gerade kleinere Häuser in ländlichen Regionen hätten Probleme, sie zu erfüllen, und damit sei auch ihre weitere Existenz gefährdet. Laumann fordert „etwas mehr Beinfreiheit für die Länder“, um die Versorgungssicherheit in allen Regionen zu erhalten.

Bundesminister Lauterbach hat stets beklagt, dass die Qualität in vielen Krankenhäusern oft schlecht sei, weil solche Vorschriften bisher weitgehend fehlten. Bei der Aussprache im Bundesrat nennt er ein plastisches Beispiel: Allein im Umkreis von Köln gebe es 85 Kliniken, die Darmkrebs operierten. Dabei sei dies „ein extrem komplexer Eingriff“, der nach seinem Willen künftig nur noch in spezialisierten Zentren stattfinden soll. Lauterbach sagt, er und andere Ärzte würde sich in vielen der Kliniken, die den Eingriff anbieten, nicht behandeln lassen. Die mangelhafte Qualität in diesen Häusern sei auch ein Grund für die im europäischen Vergleich niedrige Lebenserwartung in Deutschland.

Warum Bayern mit einer Klage droht

Lauterbach macht zudem deutlich, dass die Änderungswünsche der Länder den Kern der Reform berührten. Die Qualität würde verwässert, „dann können wir auch so weitermachen wie bisher“, sagt er. Zu oft schon seien im Gesundheitswesen neue Gesetze verabschiedet worden, die nur die Folge gehabt hätten, dass „mehr Geld ins System“ floss und „alles komplizierter“ wurde. Aber für die Patienten habe sich nichts verbessert. Für diese „deutsche Lösung“ stehe er nicht zur Verfügung, sagt Lauterbach.

Nach dem Votum des Bundesrats kann das Gesetz nun am 1.1.2025 in Kraft treten. Baden-Württembergs Gesundheitsminister Manfred Lucha (Grüne) hat in einem Statement mitgeteilt, dass er eine Klage gegen das Gesetz nicht ausschließe. Bayern hatte das schon vor Wochen angekündigt. Begründung: Mit seiner Reform greife der Bund tief in die verfassungsrechtlich garantierte Planungshoheit der Länder ein.

In jedem Fall greifen wichtige Regelungen des Gesetzes erst im Laufe der Jahre: Geld, das die Kliniken künftig von den Krankenkassen unabhängig davon erhalten sollen, wie viele Patienten sie behandeln, sogenannte Vorhaltevergütungen, gibt es erst von 2027 an. Bayerns Gesundheitsministerin Judith Gerlach hat am Freitag im Bundesrat ein Soforthilfeprogramm für finanziell gebeutelte Häuser gefordert. Lauterbach teilt nach der Sitzung mit, dank der Reform hätten nun auch Krankenhäuser auf dem Land wieder eine Überlebenschance.

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