Süddeutsche Zeitung

CDU und CSU:Die Union steckt im Dilemma

Kramp-Karrenbauer und Söder müssen sich mit Blick auf die Zeit nach der nächsten Bundestagswahl gegen Merkel behaupten - sie dürfen der Kanzlerin aber nicht schaden.

Kommentar von Nico Fried

Annegret Kramp-Karrenbauer bezeichnet ihr Verhältnis zu Markus Söder als "Achse". Nun gut, wenn's denn sein muss. Jedenfalls hat diese Achse eine erste Belastungsprobe im neuen Jahr überstanden. Die CDU-Vorsitzende ließ den CSU-Chef nicht auflaufen mit seinem wuchtigen, aber unabgestimmten und diffusen Vorstoß für eine Kabinettsumbildung. Und doch bezeichnete sie den Austausch von Ministern letztlich nur als eine Option unter mehreren. Der CSU-Chef drückt aufs Tempo, die CDU-Vorsitzende bremst.

Solchen Verschleiß sollte man einer Achse nicht allzu lange antun. Die CSU-Klausur in Kloster Seeon und ihre Begleitumstände haben ein Problem ins Licht gerückt, in dem für die Union 2020 viel Konfliktpotenzial steckt. Da ist einerseits eine Kanzlerin, die ihre Regierungszeit "in Würde" zu Ende bringen will, wie es Angela Merkel formuliert hat. Und da sind zwei Parteivorsitzende, die zu Recht darauf pochen, dass sie die Wahlen 2021 und die Zeit danach in den Blick nehmen müssen. Was nach getrennten Sphären klingt, hat in Wahrheit viele Überlappungen; Reibereien sind da unvermeidlich. Es geht letztlich um die Frage, wie weit die Parteivorsitzenden ihren Willen gegen Merkel so durchsetzen können, dass es ihnen nützt, aber ohne Merkel so zu schaden, dass es auf die Union insgesamt zurückfällt.

Dieser Konflikt hat seinen Ursprung in Merkels Entscheidung, auf den Parteivorsitz vorzeitig zu verzichten. Verschärft wird er aber dadurch, dass die populärste Unionspolitikerin ausgerechnet diejenige ist, die 2021 nicht mehr zur Wahl steht. Dazu kommt eine Weltlage, in der auch die selbstbewusstesten Unionisten kaum auf Merkels internationale Erfahrung verzichten, geschweige denn, ihre Schwächung öffentlich plausibel machen könnten. Es gab schon günstigere Zeiten, um sich gegen die Kanzlerin zu profilieren.

Doch die sogenannte Achse hat auch noch eine arge Unwucht. Markus Söder kann seine Gedanken, wie er sich die Zukunft vorstellt, ziemlich ungehindert schweifen lassen, was seiner Neigung, viel zu reden, sehr entgegenkommt: Söder ist als Parteichef unangefochten, er will nicht Kanzlerkandidat werden und sitzt im Berliner Kabinett nicht mit am Tisch. Kramp-Karrenbauer hingegen wird von der CDU einstweilen akzeptiert, sie muss kämpfen, um Kanzlerkandidatin zu werden, und sie ist als Verteidigungsministerin gerade jetzt auf gute Zusammenarbeit mit der Regierungschefin angewiesen.

Unter diesen Voraussetzungen hat Kramp-Karrenbauer sich gegenüber den von Söder aufgeworfenen Personalfragen zum Jahresauftakt geschickt aus der Affäre gezogen. Ein Zukunftsteam, wie es ihr vorschwebt, lässt der CDU-Vorsitzenden mehr Spielraum als der Fokus auf eine Kabinettsumbildung. In so eine Truppe könnte sie auch jemanden wie Friedrich Merz einbinden. Damit würde sie Streit mit Merkel über eine Berufung von Merz zum Minister aus dem Weg gehen, aber auch Diskussionen in der Partei vermeiden, wenn sie auf ihn verzichtete.

Söder wiederum hat recht mit seiner ausgeprägten Sorge, dass die Koalition nur noch lustlos ihrem Ende entgegenregieren könnte. Er will, dass politische Zukunftsthemen formuliert werden. Warum er dann höchstpersönlich ausgerechnet die Klausur seiner CSU mit Personalspekulationen überzieht, hinter denen die Forderungen und Beschlüsse fast verschwinden, bleibt sein Geheimnis.

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SZ vom 09.01.2020/bix
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