CDU:Kramp-Karrenbauer ist an sich selbst gescheitert

Ihr Autoritätsschwund kam nicht mit einem Schlag, sondern allmählich - er war über die ganze Zeit als Parteichefin zu beobachten. Gescheitert ist aber auch Merkels Experiment. Gut möglich, dass der Abschied der Kanzlerin näher rückt.

Kommentar von Nico Fried, Berlin

Am Ende ist sie konsequent. Annegret Kramp-Karrenbauer verzichtet auf die Kanzlerkandidatur und den CDU-Vorsitz. Die Ereignisse in Thüringen waren der Auslöser, aber Annegret Kramp-Karrenbauer ist als CDU-Vorsitzende schon vorher gescheitert - nicht mit einem Schlag, sondern allmählich. Dass ihr Kraft und Fähigkeiten fehlten, zwischen der CDU in Berlin und Erfurt Einvernehmen herzustellen, war schon das Ergebnis eines Autoritätsschwundes, der fast über die ganze Zeit als Parteichefin zu beobachten war.

Am Ende ist sie konsequent - in ihrer Zeit als Vorsitzende war das nicht immer so. Nach ihrem knappen Sieg im Duell mit Friedrich Merz auf dem Hamburger CDU-Parteitag 2018 wollte Kramp-Karrenbauer die Partei einen, was zu einem Schlingerkurs führte, der das Profil der CDU nicht schärfte und ihr eigenes verwässerte. Ihren mit großem Tamtam propagierten Vorsatz, sich unter Verzicht auf ein Regierungsamt ganz um die Partei zu kümmern, warf sie über den Haufen, als das Verteidigungsministerium frei geworden war.

Das war eine Entscheidung, die nicht nur ihre Glaubwürdigkeit beschädigte, sondern sich auch machtpolitisch nicht auszahlte, wie jetzt offenkundig geworden ist. Kramp-Karrenbauer machte seither vor allem dadurch von sich reden, dass sie mehr Soldaten in Auslandseinsätze schicken will, während den Truppen in der eigenen Partei immer mehr die Ordnung verloren ging. Mit ihrer Ankündigung, auf Kandidatur und Vorsitz zu verzichten, kehrt sie nun auf schmerzhafte Weise wieder zu den Ankündigungen ihrer Anfangszeit zurück und stellt sich ganz in den Dienst ihrer Partei.

Gescheitert ist Kramp-Karrenbauer an sich selbst, aber auch am mangelnden Rückhalt in der Union. Ihr unterlegener Konkurrent Friedrich Merz hat nach seiner Niederlage nie daran gedacht, die Vorsitzende wirklich und unbedingt zu unterstützen. Er hat sich selbst im Spiel gehalten, wo immer es ging, aber nirgends Verantwortung übernommen, wo es hilfreich hätte sein können.

Kramp-Karrenbauers wichtigster Stellvertreter, Armin Laschet, hatte im Herbst 2018 nicht den Mumm, für den Parteivorsitz zu kandidieren, danach aber die Traute, bei jeder sich bietenden Gelegenheit, gegen die Vorsitzende zu sticheln. Selbst Markus Söder, der in den ersten Monaten der gemeinsamen Zeit als Parteivorsitzende von CSU und CDU nicht müde wurde, mit Kramp-Karrenbauer die wiederhergestellte Harmonie der Union zu zelebrieren, fiel ihr gleich zu Anfang des Jahres 2020 in den Rücken. Sein Vorstoß für eine personelle Erneuerung des Kabinetts stürzte Kramp-Karrenbauer in weitere Nöte.

Ausgerechnet Jens Spahn zeigte sich immerhin durch Schweigen loyal

Es ist schon bemerkenswert, dass ausgerechnet Jens Spahn, einer der größten Störenfriede der letzten Merkel-Jahre als Parteichefin, sich immerhin durch Schweigen loyal gezeigt hat. Er ist von allen potenziellen Nachfolgern jedenfalls der einzige, der im vergangenen Jahr politisch an Statur zugelegt und persönlich an Ansehen gewonnen hat, wobei er bei Letzterem auch den größten Nachholbedarf hatte.

Gescheitert ist aber auch Angela Merkels Experiment, Kanzlerschaft und Parteivorsitz für eine Übergangszeit zu trennen. Die CDU-Vorsitzende blieb im Schatten der Kanzlerin. Und am Ende war es Merkel selbst, die ihrem Experiment den Garaus machte: Sie verurteilte die Ereignisse in Thüringen vehementer als die Parteivorsitzende, sie warf ihre Autorität als Kanzlerin bis hart an die Grenze des Zulässigen in die Waagschale, indem sie als Kanzlerin, noch dazu von einer Auslandsreise aus, den Rücktritt eines gewählten Ministerpräsidenten verlangte. Und sie rettete die Koalition mit Zugeständnissen an die SPD, wozu Kramp-Karrenbauer als Parteivorsitzende nicht in der Lage gewesen wäre.

Am Ende ist Kramp-Karrenbauer konsequent - aber ist das Ende erst der Anfang? Die Frage, wie lange Merkel noch Kanzlerin bleibt, dürfte auch davon abhängen, welchen Nachfolger als Parteichef und Kanzlerkandidat die CDU wählt. Sie hängt aber mehr denn je auch davon ab, wie viel Rückhalt Merkel noch in der CDU hat, vor allem im Osten. Art und Inhalt ihrer Entscheidungen in den vergangenen Tagen haben deutlich gemacht, dass Merkel vor allem als Kanzlerin denkt, nicht in Kategorien von Ausgleich und Kompromiss in der CDU.

Und es gibt einen unüberwindbaren Gegensatz zwischen Merkel und größer werdenden Teilen ihrer Partei: Viele in der CDU halten die AfD, das gegenwärtig größte Problem der CDU, für ein Ergebnis der Politik Merkels. Merkel dagegen sieht im unaufhörlichen Erstarken der AfD die Folge einer CDU, die sich der AfD, anders als die Kanzlerin, immer weniger konsequent entgegenstellt. Merkel dürfte sich wünschen, dass sie - mehr von der öffentlichen Zustimmung getragen als von der eigenen Partei - im Herbst noch die EU-Präsidentschaft absolvieren kann. Eine Kanzlerschaft bis zum Herbst 2021 aber ist am Montag unwahrscheinlicher geworden.

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Mit dem Rücktritt der CDU-Chefin ist auch Merkels Experiment, Kanzlerschaft und Parteivorsitz für eine Übergangszeit zu trennen, gescheitert. Gut möglich, dass der Abschied der Kanzlerin näher rückt, kommentiert Nico Fried.

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