Süddeutsche Zeitung

CDU:Überraschender Rückzug

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Von Jens Schneider, Berlin

Nach dem angekündigten Rückzug von Annegret Kramp-Karrenbauer sucht die CDU nach einer neuen Führung. Die Parteichefin hat am Montag ihren Verzicht auf eine mögliche Kanzlerkandidatur für die Union angekündigt. Auch den Parteivorsitz will Kramp-Karrenbauer mittelfristig aufgeben. "Parteivorsitz und Kanzlerkandidatur müssen am Ende in einer Hand liegen", sagte sie am Montag in Berlin. Es schwäche die CDU, wenn diese Aufgaben nicht in einer Hand seien. Kramp-Karrenbauer will bis zum nächsten Parteitag der CDU, der für den Dezember geplant ist, Vorsitzende bleiben und die Suche nach Anwärtern für die Posten gestalten. Für diesen Vorschlag erhielt sie die Zustimmung des CDU-Präsidiums. "Ich führe den Prozess weiter von vorne", sagte sie. Die noch amtierende Parteichefin soll nach dem Willen der Bundeskanzlerin weiter Verteidigungsministerin bleiben.

Kramp-Karrenbauer stand gut ein Jahr nach ihrer Wahl zur Parteichefin wegen ihres Umgangs mit der Regierungskrise in Thüringen zuletzt heftig in der Kritik. Vergangene Woche hatte sie vergeblich versucht, die CDU-Fraktion in Erfurt auf Linie zu bringen. Am Wochenende fiel auf, dass ihre Stellvertreter in der CDU sie kaum unterstützten. Über ihren Verzicht sagte sie am Montag: "Diese Entscheidung ist seit geraumer Zeit in mir gereift und gewachsen." Die Kanzlerin sei von ihr am Montagmorgen informiert worden. Kramp-Karrenbauer betonte, dass die Frage der Kanzlerkandidatur auf einem Bundesparteitag getroffen werde. Andere Vorschläge wie eine Mitgliederbefragung seien beim jüngsten Bundesparteitag abgelehnt worden.

Inhaltlich betonte Kramp-Karrenbauer die scharfe Abgrenzung der CDU von der AfD und der Linkspartei. "Jede Annäherung an die AfD schwächt die CDU", sagte sie. Die AfD stehe "gegen alles, was uns als CDU ausmacht". Deutlich distanzierte sie sich von Mitgliedern der konservativen Werteunion in der CDU, die Gemeinsamkeiten mit der AfD sähen. Diese Haltung sei mit den Werten der CDU unvereinbar. Auch eine Zusammenarbeit mit der Linken könne es nicht geben, sagte sie. Die Geschichte und Programmatik der Partei seien mit Kernpunkten der CDU-Programmatik unvereinbar.

Vier Männer gelten als mögliche Kanzlerkandidaten

Als mögliche Anwärter für die Kanzlerkandidatur gelten Nordrhein-Westfalens Ministerpräsident Armin Laschet sowie Bundesgesundheitsminister Jens Spahn und Friedrich Merz. Spahn und Merz unterlagen Kramp-Karrenbauer Ende 2018 als Bewerber um den Parteivorsitz. Auch CSU-Chef Markus Söder wird zu den möglichen Bewerbern gezählt. Der bayerische Ministerpräsident betonte jedoch, in Bayern bleiben zu wollen. Die anderen drei hielten sich zunächst zurück. Spahn schrieb auf Twitter lediglich: "Ich habe großen Respekt vor dieser unerwarteten Entscheidung." Die Trennung von Parteiführung und Kanzleramt sei eine schwierige Situation gewesen, erklärte Spahn. Es sei Kramp-Karrenbauers Verdienst, CDU und CSU wieder zusammengeführt zu haben. Merz kündigte an, er werde ihr "jede Unterstützung dabei geben, den Prozess ihrer Nachfolge und der Kanzlerkandidatur als gewählte Parteivorsitzende von vorn zu führen".

Markus Söder warnte indes vor einer langen Findungsphase: "Es kann jetzt kein Dreivierteljahr irgendwelche Personaldiskussionen geben", sagt er. Das lähme den politischen Prozess.

Bundeskanzlerin Angela Merkel bedauerte den Verzicht. Kramp-Karrenbauer galt lange als ihre Favoritin für ihre Nachfolge. Dass die Parteifreundin nun Verteidigungsministerin bleibt, unterstütze Merkel "aus vollem Herzen", sagte Regierungssprecher Steffen Seibert.

Norbert Walter-Borjans, Vorsitzender des Koalitionspartners SPD, bewertete die Vorgänge als "sehr besorgniserregend". "Die CDU befindet sich in einem Richtungsstreit, und sie ist seit Längerem erkennbar führungslos", sagte er. Mit Genugtuung kommentierte die AfD den Verzicht. Ihr Fraktionschef Alexander Gauland sagte, Kramp-Karrenbauer habe die CDU mit ihrem "Ausgrenzungskurs" gegen die AfD "ins Chaos gestürzt". In Thüringen wollen Linke, SPD und Grüne mit der CDU über einen Ausweg aus der Regierungskrise reden. Ein Treffen sei für das kommende Wochenende geplant, sagte SPD-Chef Wolfgang Tiefensee. Dabei soll über die Wahl eines neuen Ministerpräsidenten und Neuwahlen gesprochen werden.

Kramp-Karrenbauer plädierte am Montagabend für die Aufstellung eines neuen, dritten Kandidaten, der das Land in der Übergangszeit führen könnte.

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SZ vom 11.02.2020
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