Krach in der AfD:Alternativen, nein danke

Landtagswahl Brandenburg

AfD-Vorsitzender Bernd Lucke will die Macht, aber seine Gegner wollen sie ihm nicht allein zugestehen.

(Foto: Jens Büttner/dpa)
  • Nach dem Willen von Bernd Lucke soll die AfD nur noch einen Chef haben.
  • Nun hat er mit seinen Gegner einen Kompromiss ausgehandelt, der noch den Parteitag in Bremen Ende Januar bestehen muss.
  • Demnach soll die AfD erst vom 1. Dezember 2015 an durch einen Bundesvorsitzenden repräsentiert werden. Bis dahin gibt es zwei gleichberechtigte Chefs.

Von Jens Schneider, Berlin

Es kommt der Moment, da man einen Menschen fragen muss, warum er sich all das weiter antut. Und ob es nach einem Vorfall wie diesem überhaupt weiter gehen kann. Konrad Adam will über die Geschichte nicht mehr viel sagen. Es ist zu spüren, dass ihn die Post von seinem Parteifreund verletzt hat, sehr verletzt. Ein überzeugt altmodischer Mann wie er findet, dass sich so etwas nicht gehört.

"Der Herr Henkel ist ein Mensch, der in einer anderen Umgebung groß geworden ist", sagt Adam. Eine große Hilfe scheint ihm die Erklärung nicht zu sein. Hans-Olaf Henkel hat, es war Weihnachten, an Adam in einer persönlichen Mail geschrieben, dass er "von Ehrgeiz zerfressen" sei, sich "immer lächerlicher mache". Henkel beklagte eine "Persönlichkeitsveränderung" und äußerte die Hoffnung, dass der letzte Akt in diesem Drama bald aufgeführt werde und "Sie von der Bühne treten".

Bernd Lucke will die Macht, seine Gegner wollen sie ihm nicht allein zugestehen

Adam ist einer von drei Vorsitzenden der Alternative für Deutschland (AfD), der am wenigsten bekannte wohl, aber einer der Gründungsväter. Henkel ist stellvertretender Parteivorsitzender und Europaabgeordneter. Beide sind über siebzig, hinter Adam liegt eine lange Laufbahn als Journalist im Feuilleton. Henkel war ein erfolgreicher Manager und Chef des Bundesverbands der Deutschen Industrie.

Wenn es in der Welt Altersmilde geben sollte, dann nicht in der AfD-Führung. Henkels Brief ist nur ein Beispiel für eine Eskalation, die mehrere Beteiligte erschüttert hat. Manche waren Jahrzehnte in anderen Parteien, und trotz aller Ränke dort stellten sie beklommen fest, dass sie so etwas dort nie erlebt hätten, in all den Jahren nicht.

"Da fuhren zwei Züge aufeinander zu", sagt Brandenburgs AfD-Chef Alexander Gauland über die Zerreißprobe, "und wir müssen die Notbremse ziehen. Das versuchen wir nun." Wie andere auch fürchtete er in den letzten Wochen um den Bestand der AfD, nicht als einziger in der Spitze. Gerungen wurde vordergründig um die künftige Struktur der AfD-Spitze.

Bernd Lucke, der bekannteste der drei Vorsitzenden, will eine Professionalisierung der AfD. Sie soll nach seinem Willen nur noch einen Chef haben, dazu einen Generalsekretär, der dem Vorsitzenden verpflichtet ist. Bisher hat die Partei drei Sprecher, Lucke, Adam und Frauke Petry aus Sachsen. Dieses Modell koste zu viel Kraft und Zeit, klagte Lucke und drohte mit seinem Rücktritt.

"Stellen Sie sich ein Schiff mit drei Kapitänen vor!"

Henkel unterstützt ihn: "Stellen Sie sich ein Symphonieorchester mit drei Dirigenten oder ein Schiff mit drei Kapitänen vor! Misstöne und Schlingerkurs wären unvermeidlich." Henkel bedauert den Ton seiner Mail, er nennt es zugleich ungewöhnlich, "dass der Adressat diese Mail verbreitete". Die Kakofonie der vergangenen Wochen ist für Henkel ein letzter Beweis dafür, dass es so nicht weiter gehe. Es drohe der AfD das Schicksal der Piraten.

Luckes Widersacher wie Adam, Gauland oder auch Petry wollen ihm die Macht derzeit allein nicht zugestehen. Sie fürchten, dass die Partei, die noch kein richtiges Programm hat, ihm ausgeliefert wäre und der nationalkonservative Flügel nicht zur Geltung käme.

Offiziell sind alle erleichtert

Nun haben die Lager einen Kompromiss ausgehandelt, der noch den Parteitag in Bremen Ende Januar bestehen muss. Demnach soll die AfD erst vom 1. Dezember 2015 an und nicht schon in diesem Frühjahr durch nur noch einen Bundesvorsitzenden repräsentiert werden. Unterstützen soll ihn ein Generalsekretär. Vorher soll im November das Programm fertig sein, das den Vorsitzenden binden würde. Bis dahin sollen zwei gleichberechtigte Chefs die AfD führen. Offiziell sind alle erleichtert. Faktisch bleibt die Skepsis. Man hat zu viel erlebt miteinander in den zwei Jahren seit der Gründung.

Hinter der Führung liegen Wochen des Kleinkriegs, dessen Geräusche immer häufiger nach außen drangen. Es ging darum, wer sprechen darf - und vor allem: wer nicht. Lucke soll versucht haben, andere auszubremsen. Es ging um die politische Richtung, aber immer bestimmender wurde der menschliche Faktor. Der ist das eigentliche Problem. Viele wollen die Parteiführung nicht allein in Luckes Hände geben, weil er eben so sei wie er sei. Der Streit über die Satzung lasse sich nicht von Personen trennen.

Zitat Hans-Olaf Henkel

"Stellen Sie sich ein Symphonieorchester mit drei Dirigenten oder ein Schiff mit drei Kapitänen vor! Misstöne und Schlingerkurs wären unvermeidlich."

Das Bild, das aus internen Mails und Gesprächen entsteht, ist wenig schmeichelhaft: Der Ökonom aus Hamburg erscheint als einer, der alles kontrollieren will, selbst Ältere mit mehr Lebenserfahrung wie Schüler korrigiert und abkanzelt. Die Art, wie er um die Satzung rang, inklusive Rücktrittsdrohung, bestätigte seine Kritiker noch. Während die Art, in der sie ihn kritisierten, wiederum seine Unterstützer in ihrem Gefühl bestärkte, dass es einen einzigen Anführer brauche: Lucke.

Alle befürchteten für den Satzungsparteitag Ende Januar in Bremen eine Zerreißprobe. Ohnehin bereiten sich an der Basis längst Quertreiber auf eine lange Schlacht vor und sammeln Verbündete. Mehr als 3000 der fast 22 000 Mitglieder haben sich angemeldet. Alle dürfen teilnehmen, es gibt kein Delegierten-Prinzip wie bei anderen Parteien. Stolz meldete ein Parteisprecher diese Woche, dass es so einen Andrang bisher bei keiner anderen Partei gegeben habe.

"Die Leute schreiben uns, dass sie sich sorgen, dass alles kaputtgeht, was wir aufgebaut haben", berichtet Frauke Petry aus Sachsen von vielen Briefen. Man fürchtet um die Chancen für die Bürgerschaftswahl in Hamburg im Februar, die gerade im Westen viele für wichtig halten, die Bauchgrimmen haben, dass die Partei nach ihren Erfolgen in Brandenburg, Sachsen und Thüringen zu stark vom Osten bestimmt wird.

Interne Konflikte sind ständig präsent

Die starke Kluft zwischen West und Ost ist eine der internen Konfliktlinien, die in Gesprächen ständig präsent sind. Liberale AfD-Mitglieder sehen dort einen starken Ausschlag nach rechts. Sie verbinden die erfolgreichen Landesverbände im Osten mit einem nationalkonservativen Kurs. Sie irritiert die Identifikation mit den Demonstranten von Pegida, mit denen Petry Gespräche führt und die Brandenburgs AfD-Chef Gauland als natürliche Verbündete bezeichnete.

Tiefe Gräben gibt es auch bei Sachfragen, ob nun zur Russland-Politik oder zum Handelsabkommen TTIP. "Aber die Spannungen lassen sich aushalten, wenn wir uns verständigen. Die Positionen lassen sich vereinen", sagt Adam. Auch Lucke, Petry oder Gauland betonen, dass die AfD ihre verschiedenen Flügel brauche, um erfolgreich zu sein.

In der AfD hat man sich an Anfeindungen von außen gewöhnt

Hans-Olaf Henkel versichert, dass er nicht Gauland oder Petry meint, wenn er manche "Bekloppte" aus der AfD drängen will: "Wir sind alle stolz auf unsere Wahlsieger in Sachsen, Brandenburg und Thüringen, und wir haben sie alle in ihren Wahlkämpfen kräftig unterstützt. Die meisten Themen, mit denen wir im Osten erfolgreich waren, spielen auch in Hamburg eine Rolle."

Wäre da nur nicht das Misstrauen. In der AfD hat man sich an Anfeindungen von außen gewöhnt. Das gehöre dazu bei einer Partei, die sich gegen das Establishment stelle, sagt ein Parlamentarier. Man ist auch gern Außenseiter und weiß, dass das beim Wähler hilft. Es sind die inneren Fliehkräfte, die zermürben. "Die Stimmung ist durch die unglückliche Parteitagsplanung vergiftet", sagt Adam. Die geschmeidig kompromissbereite Frauke Petry fand, Lucke habe sich selbst in die schwierige Lage manövriert.

Die AfD ist eben die Partei derer, die glauben, es besser zu wissen als andere, und diese anderen können eben auch die eigenen Parteikollegen sein. Auch Lucke hat Anlass zu Misstrauen. In der Partei wird von einflussreichen Kräften längst spekuliert, wie lange man ihn wohl noch als Frontfigur brauchen wird. Bis zur Bundestagswahl 2017, oder vielleicht weniger. Er hat wohl auch deshalb jetzt Druck in der Satzungsfrage gemacht, weil Teile der Partei sich von ihm emanzipieren.

Mit dem Kompromiss vom Freitag haben seine Kritiker Zeit gewonnen. "Die AfD ist vielleicht deutlich stabiler, als sie selbst von sich weiß", sagt Frauke Petry. "Für uns entscheidend war, dass wir uns mit einer Einfachspitze abfinden können, wenn der Programmprozess abgeschlossen ist", sagt Gauland - und dass bis dahin die Flügel "auch in der Spitze repräsentiert sind." Der große Crash soll abgewendet sein. Es bleibt der menschliche Faktor.

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