Kosten der Energiewende:Strompreisbremse wird zum Wahlkampfthema

Elektrizität könnte im Herbst noch einmal deutlich teurer werden. Just dann steht auch die Bundestagswahl an. Regierung und Opposition entdecken die Strompreisbremse als Wahlkampfthema.

Von Michael Bauchmüller und Stefan Braun, Berlin

Als Peter Altmaier vor wenigen Wochen schwante, dass beim Strompreis etwas schieflaufen könnte, marschierte der CDU-Politiker sofort zu seinen Fachleuten. Sie sollten die Entwicklung der Ökostrom-Umlage ausrechnen. Nur ganz provisorisch, aufbauend auf den Daten vom Herbst. Aber sie sollten es flott machen. Würde die Umlage noch mal so steigen wie in diesem Jahr? Noch einmal den Strompreis für alle Haushalte nach oben treiben?

Seither herrscht Alarm bei Altmaier. Denn die Experten schlossen nicht aus, dass es noch mal teurer wird: Bis auf sieben Cent könnte die Umlage für den Ökostrom 2014 steigen, doppelt so viel wie 2012. Belastbare Zahlen dazu gibt es zwar erst im Herbst. Aber das macht die Sache nur noch schlimmer. Damit könnten die Strompreise ausgerechnet im Bundestagswahlkampf zum großen Thema werden.

Elektrizität ist so etwas wie ein Grundnahrungsmittel

Der Strom und sein Preis - das ist ein heikles Thema. Elektrizität ist so etwas wie ein Grundnahrungsmittel für jeden. Kein Wunder, dass sich bei dem Thema bereits jetzt Hektik breitmacht, in der Regierung und bei den Oppositionsparteien. Atemlos präsentierte Altmaier vor gut zwei Wochen einen ersten Vorschlag für eine "Strompreis-Sicherung".

Er verblüffte damit Freund und Feind, vor allem aber seinen eigenen Wirtschaftsminister. Denn Altmaier möchte die Öko-Umlage wie der Minister begrenzen, aber dabei auch in bestehende Verträge eingreifen. Philipp Rösler, der FDP-Chef, fand die Vorschläge erst ganz okay, dann weniger gut - und legte schließlich eigene Ergänzungen vor, in denen er das EEG nicht nur ein bisschen beschneiden möchte, sondern einen radikalen Abbau der Förderung von erneuerbaren Energien fordert.

Die SPD dagegen plädiert für eine Senkung der Stromsteuer, was manche in der FDP aus grundsätzlichen Erwägungen für gut halten, die meisten Grünen aber ablehnen. Und die Grünen wollen erst mal Ausnahmeregeln der Industrie stutzen. Begründung: Was zum Schutz großer Energieverbraucher vor Wettbewerbsnachteilen gedacht gewesen sei, begünstige mittlerweile zu viele Unternehmen.

Niemand will den teuren Ökostrom verantworten

Einen "Skandal" nennt Jürgen Trittin das. Derzeit vergeht kaum ein Tag, an dem sich der Grünen-Fraktionschef nicht zum Strom einlässt. Auch er hat gemerkt, wie brisant das Thema für ihn werden könnte. Entsprechend heftig greift er jetzt an: In Wahrheit würge die Bundesregierung den Ökostrom ab, "zugunsten von Kohle- und Atomstrom". Es ist das vertraute, durchsichtige Vokabular grüner Wahlkämpfe.

Die Tonlage zeigt, dass keiner schuld sein will, sollte der Ökostrom wirklich teurer werden. Dabei sind an der jetzigen Entwicklung alle beteiligt. Rot-Grün hatte jenes Erneuerbare-Energien-Gesetz einst ausgeheckt, dessen Kosten nun so schwer zu kalkulieren sind. Und für Schwarz-Gelb zählt der Ausbau der Öko-Energien seit der überstürzten Fukushima-Wende gewissermaßen zum Pflichtprogramm. Nur soll es möglichst wenig kosten, insbesondere im Herbst 2013. "Noch ist das Problem kein wirklich großes", heißt es aus der Koalitionsspitze. "Wenn aber der Eindruck entsteht, dass man die drohende Gefahr ignoriert, wird es für alle gefährlich."

Der Koalition fehle der Plan, hieß es bei SPD und Grünen

Wohl wahr. Und dabei ändern sich dauernd Lage und Taktik. Noch bis Mittwoch hatte die Opposition Häme über die Regierung ausschütten können. Der Koalition fehle der Plan, mal rede Altmaier, mal Rösler, hieß es bei SPD und Grünen. Am Mittwochabend aber verzichteten die beiden Minister auf ihre sonst üblichen Kommunikationsmethoden. Sie wählten nicht den kühlen Weg der SMS, sie verkehrten nicht via Fax wie zuletzt. Sie griffen kurzerhand zum Telefon und bastelten aus ihren Ideen einen gemeinsamen Vorschlag zur Dämpfung der Kosten.

Hier weniger Geld für die Windenergie, dort weniger Sonderrechte für die Industrie, das Ganze garniert mit einer einmaligen Abgabe bestehender Anlagen. Und obendrauf kommt ein Deckel, damit die Kosten der Ökostrom-Förderung in den nächsten zwei Jahren gar nicht und danach nur ein bisschen steigen können.

Zufrieden lobt Rösler am Donnerstag im Frühstücksfernsehen das "gute Modell". Doch dann sagt er einen ebenso folgenschweren wie aufschlussreichen Satz: "Jeder, der sich diesem Modell verweigert, wird politisch künftig für jede Strompreissteigerung verantwortlich sein." Friss oder stirb, lautet die Botschaft. SPD und Grüne greifen Röslers Provokation später als willkommenen Vorwand auf, um jeden Kompromiss abzulehnen.

Ökostrom im Teufelskreis

Dabei hatten die Grünen durchaus Vorschläge vorgelegt, die von denen der beiden Bundesminister zum Teil gar nicht so weit entfernt sind. Doch nach Röslers Auftritt und einem Treffen der Wirtschafts- und der Umweltminister von Bund und Ländern am Vormittag in Berlin ist von möglichen Schnittmengen und Kompromissen nicht viel zu spüren.

"Das wird bestenfalls ein Minimalkonsens", sagt die grüne Wirtschaftsministerin von Rheinland-Pfalz, Eveline Lemke. Und SPD-Chef Sigmar Gabriel erklärt, was die Regierung vorhabe, gehe auf keinen Fall. Die Pläne zur Deckelung der Umlage machten "Unzuverlässigkeit zum Markenzeichen deutscher Energiepolitik". Sein Ziel sei "ein Neustart für die Energiewende nach der Bundestagswahl". So in etwa klingt Wahlkampf.

Und so klingt einer, der fürchten muss, dass am Ende der Schwarze Peter bei ihm landet. Eines nämlich ist den Ministern Rösler und Altmaier mit ihrer Einigung gelungen: Keiner kann mehr sagen, sie hätten es nicht versucht. Im Wahlkampf könnte das für die Opposition gefährlich werden. Sie muss nun belegen, dass sie auch ein Rezept hat gegen steigende Strompreise, und zwar ein besseres.

Dumm nur: Was wirklich geschieht mit dem Strompreis, darauf hat keiner der Beteiligten Einfluss. Das hat etwas mit Wettbewerb zu tun, aber auch mit den Mechanismen des Ökostrom-Gesetzes. Wie teuer der saubere Strom die Haushalte nämlich kommt, entscheidet sich an der Leipziger Strombörse. Je billiger dort der Strom gehandelt wird, desto mehr müssen die Verbraucher drauflegen.

Nur so kommen die Erzeuger von Wind- und Sonnenstrom auf jene Vergütungen, die das Gesetz ihnen garantiert. Ein Teufelskreis: Denn je mehr Energie Wind und Sonne abwerfen, desto billiger wird der Strom. Dies zu beheben, würde einen Komplettumbau des Fördersystems verlangen. Das wissen alle, nur geschafft hat es keiner. Bei gut 20 Milliarden Euro jährlich ist zu viel Geld im Spiel.

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