Kosovo: UCK:Morde, Anschläge, Folter

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Ein Ex-Geheimdienstler der Kosovo-Untergrundarmee UCK gibt schwere Verbrechen gegen politische Gegner zu. Die Befehle kamen angeblich aus hohen Kreisen der Regierungspartei.

Enver Robelli

Die Europäische Rechtsstaatsmission im Kosovo (Eulex) hat Ermittlungen über mögliche politische Auftragsmorde im Kosovo aufgenommen. Auslöser sind Aussagen eines Mannes, der sich vor lokalen Medien am Sonntag als Nazim Bllaca vorgestellt und zugegeben hat, 17 schwere Verbrechen begangen zu haben - darunter Auftragsmorde, Anschläge, Erpressungen und Folter. Er habe seit Kriegsende 1999 für den Geheimdienst SHIK gearbeitet, sagte er.

Zwielichtige Truppe: Kämpfer der albanischen Kosovo-Befreiungsarmee sollen nach Kriegsende politische Gegner erpresst, gefoltert und ermordet haben. (Foto: Foto: ddp)

Dieser Nachrichtendienst wurde im Krieg von der Kosovo-Befreiungsarmee UCK aufgebaut und dann in den Dienst der Demokratischen Partei des Kosovo (PDK) des heutigen Ministerpräsidenten Hashim Thaci gestellt. Die Agenten, meist einstige UCK-Kämpfer, aber auch Profikiller, wurden zur Einschüchterung politischer Gegner und zur Kontrolle der Schattenwirtschaft eingesetzt. Sie erpressten Schutzgeld und besetzten Wohnungen vertriebener oder geflüchteter Serben.

Der nun festgenommene ehemalige UCK-Kämpfer Bllaca sagte, die Befehle für die Auftragsmorde habe er direkt von Azem Syla und anderen hochrangigen Politikern der PDK erhalten. Syla, der frühere UCK-Generalstabschef, gilt als graue Eminenz der Guerillatruppe. Der enge Vertraute von Premier Thaci lebte in den 90er Jahren wie die meisten UCK-Führer als Flüchtling in der Schweiz. Er hat die Vorwürfe zurückgewiesen.

Nach dem Kosovo-Krieg hat der Geheimdienst SHIK laut Bllaca mehrere Kollaborateure des serbischen Regimes getötet und Zeugen des UN-Kriegsverbrechertribunals misshandelt. Opfer seien auch Funktionäre der Demokratischen Liga des Kosovo (LDK) gewesen. Chef der LDK war der gemäßigte Albanerführer Ibrahim Rugova. Seine Partei hatte nach dem Krieg mehrmals die Wahlen gewonnen und galt als großes Hindernis für die Machtübernahme durch die früheren UCK-Rebellen. Ihnen gelang es erst nach Rugovas Tod 2006, die Wahlen zu gewinnen.

Der angebliche Ex-Agent Bllaca bestätigte, dass der Geheimdienst der Demokratischen Partei von Premier Thaci Anschläge auf politische Gegner verübt habe. Seit 1999 wurden mehrere Vertraute von Rugova ermordet, die Täter sind noch unbekannt.

Vor seinem Medienauftritt am Sonntag hatte der mutmaßliche Mörder zwei Parlamentarier und frühere Mitarbeiter des verstorbenen Präsidenten Rugova kontaktiert und ihnen mitgeteilt, mehrere Politiker der Demokratischen Liga hätten auf einer Todesliste gestanden. Daraufhin wurden seine Aussagen auf DVD aufgenommen und Mitte Oktober der EU-Rechtsstaatsmission Eulex übermittelt, die aber nichts unternahm. Erst als der Mann öffentlich auftrat und sich selbst bezichtigte, geriet die EU-Polizei unter Zugzwang. Es vergingen aber zwei Tage, bis der angebliche Auftragsmörder festgenommen wurde.

In der jüngsten Kosovo-Studie der Friedrich-Ebert-Stiftung heißt es, die EU-Mission führe die bisherige weitgehend gescheiterte Politik der UN-Verwaltung fort, die bis zur Unabhängigkeitserklärung im Februar 2008 das Sagen im Land hatte. Eulex habe bisher nichts gegen die Korruption und das organisierte Verbrechen unternommen. Der Fall des mutmaßlichen Killers Bllaca ist die erste große Bewährungsprobe für die EU-Mission im Kosovo.

© SZ vom 02.12.2009 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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