Zwischenfälle gab es bereits in den vergangenen Monaten mehrmals, nun ist die Lage im Norden des Kosovo erneut eskaliert. Die serbische Minderheit fühlt sich von der albanischen Bevölkerungsmehrheit um ihre Rechte gebracht und protestiert - dieser Protest hat sich nun in Gewalt entladen, der sich auch gegen Soldaten der Nato-Friedenstruppe richtet, die im Kosovo im Einsatz ist.
Etwa 300 Soldaten der Kosovo Force der Nato, kurz Kfor, sind am Montag aus einer Menschenmenge heraus mit Steinen, Flaschen und explodierenden Brandsätzen angegriffen wurden. Den in Kampfmontur angerückten Kfor-Soldaten gelang es schließlich, die Proteste aufzulösen, dabei setzten sie Blendgranaten und Tränengas ein. Auch die aus ethnischen Albanern bestehende Polizei ging Augenzeugen zufolge mit Tränengas gegen die Menschenmenge vor.
Der Vorfall ereignete sich in der Ortschaft Zvečan, einer mehrheitlich von Serben bewohnten und nicht von der kosovarischen Zentralregierung in Pristina, sondern von den Serben selbst verwalteten Gemeinde.
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Auch am Dienstag gibt es im Norden des Kosovo erneut Proteste. Vor den Gemeindeämtern von Zvečan und den zwei weiteren, mehrheitlich serbisch geprägten Orten Leposavic und Zubin Potok versammelten sich Demonstranten. Die Kfor-Soldaten sind präsent, um die Gebäude zu sichern und sicherzustellen, dass die Proteste nicht erneut in Gewalt umschlagen, wie das kosovarische Nachrichtenportal koha.net unter Berufung auf einen dort anwesenden Reporter berichtet.
Bei den Protesten am Montag sind auf beiden Seiten 80 Menschen zu Schaden gekommen. Wie die Kfor-Truppe am Dienstag mitteilte, seien 30 ihrer Soldaten verletzt worden, 19 Ungarn und 11 Italiener. Sie hätten Knochenbrüche und Verbrennungen erlitten. Das Krankenhaus in der nahe gelegenen Stadt Mitrovica meldete, es seien 53 Serben verletzt worden. Darunter sei eine Person, die eine Schussverletzung erlitten habe.
Hintergrund des zuletzt wieder aufgeflammten Konflikts zwischen der serbischen Minderheit und der albanischen Mehrheit im Kosovo sind die Kommunalwahlen vom 23. April. Die Serben, die im nördlichen Landesteil die Mehrheit der Bevölkerung stellen, hatten die Wahlen boykottiert. In der Folge gewannen auch in mehrheitlich serbisch bewohnten Gemeinden albanische Bürgermeisterkandidaten. Zu deren Amtsantritten am Montag versammelten sich ethnische Serben zu Demonstrationen. Aus Protest gegen die Politik der albanischen Bevölkerungsgruppe hatten sich ethnische Serben bereits im vergangenen Jahr aus der Polizei und anderen öffentlichen Ämtern zurückgezogen.
Kosovo:Die Angst vor neuen Unruhen ist groß
Bei Ausschreitungen in Nordkosovo werden Dutzende Menschen zum Teil schwer verletzt, auch ungarische und italienische Soldaten. Die Nato entsendet nun zusätzliche Kräfte in das Land. Serbiens Präsident droht mit einer Verschärfung des Konflikts.
EU-Außenbeauftragter Borrell ruft zum Dialog auf
Der Kosovo hatte 2008 seine Unabhängigkeit von Serbien erklärt. Diese wird jedoch weder von Serbien noch von der serbischen Bevölkerungsgruppe im Kosovo anerkannt. Die von der Nato entsandte Kfor soll seit 1999 auf Basis eines UN-Mandats für Sicherheit in dem Land sorgen.
Die Nato verurteilte die Angriffe auf die Kfor-Truppen scharf. "Solche Angriffe sind völlig inakzeptabel. Die Gewalt muss sofort aufhören. Wir rufen alle Seiten auf, von Handlungen Abstand zu nehmen, die die Spannungen weiter anheizen, und in einen Dialog einzutreten", hieß es von einer Sprecherin der Militärallianz. Die Kfor-Truppen würden alle erforderlichen Maßnahmen ergreifen, um ein sicheres Umfeld aufrechtzuerhalten.
Auch Italiens Ministerpräsidentin Giorgia Meloni verurteilte den Angriff. "Was hier geschieht, ist absolut inakzeptabel und unverantwortlich. Wir werden keine weiteren Angriffe auf die Kfor dulden", sagte sie einer Mitteilung zufolge.
Auch der EU-Außenbeauftragte Josep Borrell verlangte auf Twitter einen sofortigen Dialog zwischen den Konfliktparteien: "Die EU fordert die Behörden des Kosovo und die Demonstranten auf, die Situation sofort und bedingungslos zu deeskalieren."
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Unterdessen versetzte das Nachbarland Serbien seine Streitkräfte in höchste Gefechtsbereitschaft, wie Verteidigungsminister Miloš Vučević mitteilte. Bereits am Freitag hatte der serbische Präsident Aleksandar Vučić Gefechtsbereitschaft angeordnet, allerdings zunächst auf einer niedrigeren Stufe. Vučić werde sich am Dienstag mit den Botschaftern der Vereinigten Staaten, Italiens, Frankreichs, Deutschlands und Großbritanniens - der sogenannten Quint-Gruppe - treffen, teilte sein Büro mit. Danach werde er getrennte Treffen mit den Botschaftern Finnlands, Russlands und Chinas abhalten.